Lieferketten im Dauerstress: Kein Weg zurück für die Wirtschaft
„Historische Lieferkrise“
Die Lage ist für die Vorständin eine Art historische Lieferkrise. "Und ich hoffe wirklich, dass das nicht der neue Normalzustand ist", fügt die Managerin hinzu, die seit 30 Jahren in der Branche ist. In Deutschland baut das Unternehmen im niedersächsischen Hameln und nahe Trier Baumaschinen.
Im Moment sei die Lage noch einigermaßen ordentlich, sagt Volkswagen-Chef Herbert Diess im Gespräch mit dem US-Wirtschaftssender CNBC. Von Kundenseite sei die Nachfrage ordentlich, und viele Branchen in Deutschland hätten noch ein gut gefülltes Auftragsbuch. "Was mittelfristig passiert, da müssen wir wohl erstmal verdauen, was derzeit mit dem Krieg und mit den Lieferketten passiert", sagt aber auch der Chef von Europas größtem Autobauer. Die Probleme könnten aber auch den Umbau der Wirtschaft hin zu Digitalisierung und Klimawandel vorantreiben.
Also wo geht die Reise hin? Doch zu mehr Produktion vor Ort, hin zu weniger globalem Handel? Christina Raab, Accenture-Chefin für Deutschland, Österreich und die Schweiz, sieht in den Vorstandsetagen zumindest Überlegungen in diese Richtung. "In der Wirtschaft haben sich die Diskussionen rund um Lieferketten komplett gewandelt, weil niemand davon ausgeht, dass wir zu einer Art Vor-Corona-Zustand zurückkehren", sagt sie.
Regionale Lieferketten und Produktion als Option
"Mittelfristig sehen sich viele Firmen an, ob sie nicht regionale Lieferketten und eine regionale Produktion, die in Krisen womöglich stabiler sein können, nicht wenigstens als Option in der Hinterhand haben sollten", sagt die Expertin. "Um wettbewerbsfähig zu sein, muss dann natürlich viel in Automatisierung investiert werden." Das sei ohnehin angesichts knapper Arbeitskräfte nötig.
"Chefs von Unternehmen denken auch deshalb verstärkt über lokale Produktion für lokale Märkte nach, weil die Lieferketten der Container-Schifffahrt langsam sind, wie man heute sieht", sagt Raab. Unternehmen prüften außerdem, wie sich dem Rohstoffmangel begegnen lasse. "Die sogenannte Zirkularität setzt auch genau da an: Wenn Rohstoffe knapp sind, hält man sie besser durch Recycling und neue Nutzung im Kreislauf."
Volvo-Managerin Fuder sieht vor allem bei den Halbleitern die Konzentration der Branche in Asien als Problem. "Wir müssen lernen, monopolistische Zentralstrukturen für einige Schlüsseltechnologien zu verhindern."
Forderungen nach mehr Autarkie im Westen
Das sieht naturgemäß auch Intel-Chef Pat Gelsinger so. Die westlichen Volkswirtschaften müssten ihre Versorgung wieder selbst sichern können. Das gelte auch für die Chipbranche. Der US-Gigant stellt auch selbst in eigenen Fabriken Halbleiter her und lässt nicht wie viele aus der Branche nur in Asien fertigen. In Magdeburg will der Konzern mit staatlicher Förderung viele Milliarden in neue Werke stecken. Statt wie bisher überwiegend aus Asien sollen Chips künftig zur Hälfte aus westlichen Ländern kommen.
Nur um den Kirchturm herum Teile zu beziehen, sei aber nicht die Lösung, sagt Fuder. Das hätte auch unerwünschte Effekte auf Schwellen- und Entwicklungsländer. Europa habe ohnehin kaum Rohstoffe, sei also auf Zulieferungen angewiesen. Besser werden müsse die Wirtschaft unter anderem bei Recycling und der Weiternutzung von Materialien.