Kritisches Prozessor-Leck
04.01.2018, 10:30 Uhr
Meltdown und Spectre bedrohen fast sämtliche Systeme
Die aktuell bekannt gewordene Prozessor-Sicherheitslücke ist wohl kritischer als bisher angenommen. Durch die Attacken "Meltdown" und "Spectre" sollen neben Systemen mit Intel-CPUs auch Geräte mit Chipsets von AMD oder ARM betroffen sein.
Ein äußerst kritischer Designfehler in nahezu allen Intel-CPUs wurde kürzlich entdeckt: Zunächst wurde angenommen, dass der Fehler nur Intel.Prozessoren betrifft. Diese Aussage muss nun jedoch revidiert werden. Neben Geräten mit Intel-Chips sollen auch Systeme mit ARM- oder AMD-CPUs angreifbar sein. Je nach Art des Angriffs sprechen die Experten von Meltdown oder Spectre.
Damit ist in Computerchips von Milliarden Geräten eine Sicherheitslücke entdeckt worden, durch die Angreifer an vertrauliche Daten kommen könnten. Forscher demonstrierten, dass es möglich sei, sich Zugang zum Beispiel zu Passwörtern, Krypto-Schlüsseln oder Informationen aus Programmen zu verschaffen. Die Tech-Firmen sind dabei, die Lücke mit Software-Aktualisierungen zu stopfen.
Die Schwachstelle liegt in einem Verfahren, bei dem Chips möglicherweise später benötigte Informationen schon im voraus abrufen, um Verzögerungen zu vermeiden. Diese als "speculative execution" bekannte Technik wird seit Jahren von diversen Anbietern eingesetzt. Damit dürfte eine riesige Anzahl von PCs, Notebooks, Tablets und Smartphones bedroht sein.
Sie wüssten nicht, ob die Sicherheitslücke bereits ausgenutzt worden sei, erklärten die Forscher. Man würde es wahrscheinlich auch nicht feststellen können, denn die Attacken hinterließen keine Spuren in traditionellen Log-Dateien.
Der Branchenriese Intel erklärte, es werde gemeinsam mit anderen Firmen an einer Lösung gearbeitet, bezweifelte aber zugleich, dass die Schwachstelle bereits ausgenutzt worden sei. Allerdings wehrt sich Intel dagegen, dass das Sicherheitsproblem allein bei den hauseigenen Produkten bestehe.
AMD bestreitet, dass eigene CPUs betroffen sind
Der Intel-Konkurrent AMD, der von den Entdeckern der Sicherheitslücke ebenfalls genannt wurde, bestritt, dass seine Prozessoren betroffen seien. Der Chipdesigner ARM, dessen Prozessor-Architektur in Smartphones dominiert, bestätigte hingegen, dass einige Produkte anfällig dafür seien.
Die Sicherheitslücke war bereits vor einiger Zeit entdeckt worden. Die Tech-Industrie arbeitete seitdem daran, die Schwachstelle mit Software-Updates zu schließen, bevor sie publik wurde. Die Veröffentlichung war für den 9. Januar geplant. Die Unternehmen zogen sie auf Mittwoch vor, nachdem Berichte über eine Sicherheitslücke in Intel-Chips die Runde machten. Der Aktienkurs von Intel sackte ab, der Konzern sah sich gezwungen, "irreführenden Berichten" zu widersprechen und betonte, es handele sich um ein allgemeines Problem.
Sicherheitsupdates für Meltdown und Spectre
Die Forscher, die unter anderem bei Google arbeiten, beschrieben zwei Attacken auf Basis der Schwachstelle. Bei der einen, der sie den Namen Meltdown gaben, werden die grundlegenden Trennmechanismen zwischen Programmen und dem Betriebssystem ausgehebelt. Dadurch könnte böswillige Software auf den Speicher und damit auch auf Daten anderer Programme und des Betriebssystems zugreifen. Für diese Attacke ist den Entdeckern der Schwachstelle zufolge nahezu jeder Intel-Chip seit 1995 anfällig - sie kann aber mit Software-Updates gestopft werden.
Die zweite Attacke, Spectre, lässt zu, dass Programme einander ausspionieren können. Spectre sei schwerer umzusetzen als Meltdown - aber es sei auch schwieriger, sich davor zu schützen. Man könne aber zumindest bekannte Schadsoftware durch Updates stoppen. Von Spectre seien "fast alle Systeme betroffen: Desktops, Laptops, Cloud-Server sowie Smartphones", erklärten die Forscher. Man habe die Attacke auf Chips von Intel und AMD sowie ARM-Designs nachgewiesen.
Updates von Microsoft, Amazon und Google
Die Software-Maßnahmen gegen die Sicherheitslücken dürften zwar die Leistung der Prozessoren beeinträchtigen, räumte Intel ein. In den meisten Fällen werde der Leistungsabfall aber bei maximal zwei Prozent liegen. In ersten Berichten war noch von bis zu 30 Prozent die Rede.
Besonders brenzlig werden könnte das Problem zumindest theoretisch in Server-Chips, auf denen sich die Wege vieler Daten kreuzen. Die Cloud-Schwergewichte Google, Microsoft und Amazon sicherten ihre Dienste mit Software-Updates.
In den vergangenen Jahren hatten die Tech-Unternehmen ihre Geräte und Dienste unter anderem mit Verschlüsselung abgesichert - gingen dabei jedoch davon aus, dass von den Prozessoren selbst keine Gefahr droht.
Nähere Informationen zu Meltdown [PDF] und Spectre [PDF] stehen inzwischen zum Download zur Verfügung.