Neffos, Nokia, Wiko, BQ
04.08.2017, 10:25 Uhr
Vier Smartphones im Vergleichstest: Quartett mit Ambitionen
Die Herausforderer Nokia, BQ, Neffos und Wiko greifen mit ihren neuen Smartphone-Flaggschiffen die Platzhirsche an. Ob dies gelingt, zeigt unser Test.
Gegen die Platzhirsche Samsung, Apple und Huawei haben es die kleineren Hersteller auf dem Smartphone-Markt nicht leicht. Oft können ihre Modelle vor allem über günstige Preise in unteren Preissegmenten punkten. Doch einige Anbieter versuchen jetzt, mit ihren Flaggschiffen auch in höheren Bereichen Erfolge zu erringen. Wir haben vier dieser neuen Android-Smartphones, die sich preislich in der Mittelklasse von 200 bis 400 Euro bewegen, unter die Lupe genommen.
Am günstigsten ist dabei das Neffos X1 Max für 219 Euro. Die Smartphone-Marke des Netzwerkspezialisten TP-Link hat sich inzwischen am Markt etabliert und will sich vor allem mit Geräten, die sich etwa in Smart-Home-Umgebungen einpassen, differenzieren. Große Ambitionen hegt auch HMD Global mit seiner Marke Nokia, die jetzt wieder auf den deutschen Smartphone-Markt zurückkommt. Das Nokia 6 für 249 Euro ist noch das aktuelle Flaggschiff der drei Modelle umfassenden Palette.
Am oberen Ende der Preisskala in diesem Test tritt ein weiterer Hersteller aus Europa an: BQ aus Spanien rundet mit dem Aquaris X Pro für 379,90 Euro sein Portfolio nach oben ab.
Noch mehr wird mit 399 Euro für das Wiko WIM fällig: Das Smartphone soll den französischen Anbieter – nach Erfolgen mit billigen Smartphones – nun mit Features wie einer Doppelkamera nach vorne bringen.
Qualität ist keine Frage des Preises
Die Zeiten, in denen nur Smartphones über 500 Euro mit Metall und hochwertiger Verarbeitung aufwarten konnten, sind längst vorbei. Alle vier der hier getesteten Geräte sind optisch attraktiv und wirken wertig. Allerdings ist kein Vertreter aus diesem Quartett gemäß einer IP6x-Norm besonders vor Staub und Wasser geschützt, wie beispielsweise die Flaggschiffe von Samsung oder Sony.
Wie hochwertig ein Smartphone auch für 250 Euro sein kann, zeigt das Nokia 6 mit seinem kantigen Gehäuse. Es hat eine Vorderseite aus Gorilla-Glas und eine Rückseite sowie einen Rahmen aus Metall. Leider ragt die Einheit mit der Kameralinse und dem Blitz etwas aus der Rückseite. Die bunten Farben früherer Nokia-Smartphones gehören der Vergangenheit an, das Nokia 6 kommt in einem matten Silberton daher. Mit 169 Gramm ist es das schwerste Smartphone des Quartetts.
Wiko war bisher eher für günstige denn edle Smartphones bekannt, doch das neue WIM ist ein großer Schritt nach vorne für die Franzosen. Das schwarze Gehäuse wirkt wie aus einem Guss, allerdings zieht die glänzende Rückseite Fingerabdrücke geradezu magisch an. Die Umrahmung der beiden Kameralinsen ragt minimal heraus. Jedoch kommt hier Kunststoff zum Einsatz und nicht Glas oder Metall wie bei der Konkurrenz, was angesichts des hohen Preises negativ ins Gewicht fällt.
BQ setzt auf einen Rahmen aus Metall und eine Rückseite aus gehärtetem Glas, die auf den ersten Blick ebenfalls gut aussieht. Die Spanier platzieren als Einzige die Kameraeinheit, die aus der Linse und dem Blitz besteht, nicht mittig, sondern in der linken oberen Ecke. Ungewöhnlich ist, dass nur BQ auf den neueren USB-Type-C als Ladestecker setzt, während alle anderen den älteren Micro-USB verwenden.
Beim mitgelieferten Zubehör erntet BQ Lob und Tadel, denn die Spanier packen zwar ein wahrhaft rasantes Schnellladegerät ins Paket, lassen dafür aber das Headset weg, das es bei den anderen Herstellern gratis dazu gibt.
Das Gehäuse des Neffos X1 Max ähnelt ein wenig dem des Nokia, denn auch hier gibt es eine Vorderseite, die aus einer einzigen Glasfläche besteht, und eine Rückseite aus mattem Aluminium in Silber. Obwohl es der günstigste Vertreter im Test ist, erscheint das Neffos sehr hochwertig.
Sowohl Wiko als auch Nokia platzieren ihren Fingerabdruck-Sensor in der Menütaste unterhalb des Displays, die entsprechend nicht virtuell, sondern physisch ausgeführt ist. Neffos und BQ bringen ihre Sensoren hingegen auf der Rückseite im oberen Drittel mittig unter. Was besser ist, muss der Anwender entscheiden: Bei der Platzierung vorne kann der Finger das Gerät auch auf dem Tisch liegend entsperren, hinten ist er schneller betätigt, wenn man es in die Hand nimmt. Im Test funktionierten die Sensoren vor allem bei BQ und Neffos gut und schnell, beim Wiko und Nokia waren hingegen manchmal zwei Versuche nötig, bis der Finger auch erkannt werden konnte.
Visuelle Erlebnisse
Bei den Displays setzen alle vier Hersteller auf eine Full-HD-Auflösung von 1.920 x 1.080 Bildpunkten. Neffos, Nokia und Wiko haben das 5,5-Zoll-Format, nur das BQ ist mit 5,2 Zoll etwas kleiner. Schwächen leistet sich in diesem Bereich kein Hersteller, den besten Eindruck macht der Bildschirm des Wiko, der als Einziger die Amoled-Technologie nutzt, mit der die Farben und schwarze Flächen noch deutlicher erscheinen. Auch das Display des Nokia ist schön hell und scharf, Neffos und BQ folgen knapp dahinter mit ebenfalls guter Qualität, wobei das spanische Smartphone mit seiner etwas kleineren Diagonale im Nachteil ist. Das Neffos ist mit Größe, Auflösung und den frischen Farben für ein 220-Euro-Smartphone eher überdurchschnittlich.
Der Prozessor macht den Unterschied
Dass die Preisspanne im Test recht groß ist, merkt man an den verwendeten Prozessoren und dem Arbeitsspeicher: Die teureren Smartphones von BQ und Wiko verwenden den Snapdragon 626 von Qualcomm, der mit acht Kernen mit 2,2 GHz arbeitet und in beiden Modellen von 4 GB Arbeitsspeicher unterstützt wird. Er schafft in beiden Geräten einen ordentlichen Wert von knapp 65.000 im Antutu-Benchmark. Das ist recht flott, aber natürlich deutlich weniger als bei den aktuellen Spitzenmodellen wie dem iPhone 7 oder dem Galaxy S8.
Neffos bezieht den Prozessor dagegen von Mediatek, der Helio P10 hat ebenfalls acht Kerne und erreicht im Benchmark mit knapp 51.000 einen für die Preisklasse ordentlichen Score. Nokia verbaut dagegen den bereits zwei Jahre alten Snapdragon 430 mit 1,4 GHz, der mit rund 47.000 Punkten im Antutu-Benchmark nur mittelmäßig abschneidet. Für die meisten Nutzer dürfte dies im alltäglichen Einsatz aber ebenfalls völlig ausreichend sein.
Ausstattung mit Lücken
Was den Datenspeicher betrifft, bieten die teureren Geräte wieder mehr: BQ und Wiko setzen auf 64 GB, die beiden anderen Smartphones haben 32 GB an Bord. Alle bieten jedoch eine Erweiterungsmöglichkeit durch MicroSD-Karten. Der entsprechende Slot ist bei BQ, Neffos und Nokia hybrid ausgeführt, schluckt also alternativ auch eine zweite SIM-Karte. Nur Wiko verwendet einen „echten“ Dual-SIM-Slot, mit dem die Speicherkarte an ihrem angestammten Platz bleiben kann.
Lobenswert ist, dass alle Smartphones mit relativ „puren“ Versionen von Android kommen und nur wenige überflüssige Apps aufgespielt haben. Entsprechend ist die Bedienung bei allen Testgeräten ähnlich, wobei es je nach Modell noch einige praktische Details wie beispielsweise einen zusätzlichen Stummschalter an der Seite des Neffos gibt.
Fotospaß in Variationen
Auffällig ist, dass manche Anbieter bei den Modulen der Hauptkameras die Zulieferer nennen, so stammt die BQ-Kamera von Samsung und wurde ähnlich schon im Galaxy S7 verwendet. Dort gehörte sie zum Besten, was am Markt verfügbar war, und davon profitieren die Spanier immer noch, auch wenn die 12 Megapixel im Testfeld auf dem Papier die niedrigste Auflösung bedeuten. Die mit f/1.8 üppig dimensionierte Blende sorgt auch bei schwachen Lichtverhältnissen für gute Fotos und die Farben sind schön leuchtend.
Viel Aufwand betreibt Wiko mit seiner 13-Megapixel-Doppelkamera. Die Funktion des Knipsers ähnelt der P-Serie von Huawei, denn eine Kamera schießt Fotos in Farbe, die andere in Schwarz-Weiß; dann setzt die Software aus allen Informationen ein optimiertes Bild zusammen. Einen optischen Zoom hat Wiko allerdings nicht im Angebot, die Blenden sind mit f/2.0 recht groß und nutzen auch wenig Licht gut aus. Insgesamt hinterließen die Fotos einen guten Eindruck, allerdings wirkten die Farben eher etwas blass.
Nokia verwendet eine 16-Megapixel-Kamera, die ebenfalls eine mit f/2.0 dimensionierte Blende hat. Vor allem bei guten Lichtverhältnissen gefallen die Bilder mit scharfem Kontrast und hellen Farben, die fast schon grell wirken. Auch der Autofokus ist zuverlässig.
Das Neffos-Smartphone bietet auf der Hinterseite eine Hauptkamera mit 13 Megapixeln und einer f/2.0-Blende, der Sensor stammt von Sony. Die Bilder machten einen ordentlichen Eindruck, ohne besonders hervorzustechen.
Höchst unterschiedlich sind auch die Frontkameras: BQ hellt die Bilder durch einen LED-Blitz auf, mit dem selbst in schummrigen Kneipen noch schöne Selfies gelingen, die Auflösung von 8 Megapixeln ist dazu ausreichend. Das WIM hat immerhin ein permanentes Fotolicht, aber keinen Blitz. Dafür protzt die Frontcam mit 16 Megapixeln Auflösung, die – zumindest bei guten Lichtverhältnissen – für scharfe Selfies sorgt. Die Kameras von Nokia und Neffos lösen mit 8 beziehungsweise nicht mehr ganz zeitgemäßen 5 Megapixeln auf, was aber für einen schnellen Schnappschuss reicht.
Alle vier Geräte sind eine Alternative
Die vier getesteten Flaggschiffe der Verfolger liefern insgesamt eine gute Leistung ohne gravierende Schwächen ab und setzen eigene Akzente. Das BQ bietet eine sehr gute Kamera und aktuelle Technik, für den Preis könnten aber noch mehr Features wie drahtloses Laden an Bord sein. Wer unbedingt eine Doppelkamera mit ihren besonderen Features will, wird beim neuen Wiko WIM fündig.
Die eigentlichen Testsieger sind aber die beiden deutlich günstigeren Smartphones. Das Neffos überzeugt mit guten Details und viel Ausstattung zu einem sehr fairen Preis. Und das Comeback von Nokia ist sehr gelungen, vor allem was das Preis-Leistungs-Verhältnis betrifft. Im nächsten Schritt braucht die Marke aber auch wieder ein Alleinstellungsmerkmal bei ihren Geräten, damit die großen Ambitionen auch erfüllt werden können.