Report 13.09.2016, 12:30 Uhr

Verärgerte Händler: Bei Telefónica ist Sand im Getriebe

Bei der Leserwahl zum besten Mobilfunkanbieter des Jahres schnitt Telefónica deutlich schlechter ab als im Vorjahr. Telecom Handel hat sich bei mehreren Shop-Betreibern umgehört, woran es derzeit besonders hapert.
Das mit den Shops, das habe ihm immer Spaß gemacht. Viele Jahre lang. Doch nun ... „Ich bin mir nicht sicher, ob das Geschäft­ mit O2 wirklich noch eine Zukunft hat.“ Ernüchtert sei er, so sagt der langjährige Betreiber im Gespräch mit Telecom Handel.
Damit ist der Unternehmer, der namentlich nicht genannt werden möchte, nicht allein: Viele der O2-Partnershop-Betreiber, die sich in den letzten Tagen und Wochen an die Redaktion gewandt hatten, sind frustriert. Die Aussagen gleichen sich: „Wir fühlen uns im Stich gelassen“, beschwert sich der eine, während ein anderer sagt: „Mein Gefühl ist, dass die Shops als Vertriebsoberfläche einfach nicht mehr so wichtig sind. Sonst würde man uns mehr Spielraum geben und auch mehr Chancen einräumen.“ Aber vielleicht setze Telefónica ja schon gar nicht mehr auf seine Shops. „Dann geht es uns bald wie den Dinosauriern und wir sterben aus“, so der Shop-Betreiber.
Tatsächlich gibt es bereits Gerüchte, dass Telefónica bis nächstes Jahr die Vertriebsoberfläche bereinigen möchte und sich von bis zu 300 Shops und Partnershops trennen will. „Und wie erreicht man das am besten? Indem man insbesondere die kleineren Händler ausbluten lässt“, glaubt ein Unternehmer – der andererseits aber auch anmerkt, dass eine Bereinigung der Vertriebsoberfläche dringend erforderlich sei.
Andere sind nicht ganz so skeptisch und werfen dem Netzbetreiber „nur“ organisatorisches Versagen und mangelndes partnerschaftliches Verhalten vor. „Unser Eindruck ist, dass sich Telefónica nur noch mit sich selbst beschäftigt. Dabei wäre es so wichtig, sich mal wieder um die Vertriebspartner zu kümmern“, fordert ein Shop-Betreiber. Doch von den Ansprechpartnern vor Ort bekomme man häufig nur ein Schulterzucken, wenn man auf drängende Fragen eine Antwort haben wolle. „Die wissen einfach selbst nichts“, stellt der Händler fest.

Schlechte Bewertung durch die Handelspartner

Es scheint so, als hätte die durchaus komplexe Migration der E-Plus- in die O2-Welt doch mehr Probleme verursacht, als es sich die Verantwortlichen im Münchner O2-Tower anfangs vorgestellt hatten. Zwar ist die Überführung der Base-Kunden in die O2-Tarife mittlerweile abgeschlossen, doch bei den Partnershop-Betreibern – und auch im Fachhandel – rumort es kräftig, wie auch das Ergebnis der aktuellen Leserwahl zum „Mobilfunkanbieter des Jahres“ bestätigt.

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In 24 Einzelkategorien wie VVL-Konditionen oder Multichannel-Strategie konnten die Leser die Mobilfunkanbieter bewerten. Den ersten Teil der Auswertung lesen Sie hier, die zweiten 12 Kategorien finden Sie in einer weiteren Galerie.

Hier wurde Telefónica deutlich schlechter bewertet als noch ein Jahr zuvor und belegt nur noch den letzten Platz der drei Netzbetreiber. Klar, dass Retail-Chef Marcus Epple damit nicht zufrieden sein kann, und daraufhin intern angekündigt hat, aktiv daran zu arbeiten, wieder „planbarer und klarer in den Vertriebsstrategien und -aktionen“ zu werden. Gerade unter den Mehrfachbetreibern gibt es einige, die hier nur mit dem Kopf schütteln: „Es wäre schon einmal ein Anfang, wenn Telefónica die im letzten Jahr geschlossenen Verträge einhalten würde, insbesondere hinsichtlich der vereinbarten Konditionen“, heißt es von Seiten eines großen Unternehmers.

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Gestern zeigten wir Ihnen die Auswertungen der ersten 12 Kategorien, heute erfahren Sie, wie die Händler die Mobilfunkanbieter unter anderem bei der Hotline, der Kulanz und der Hardware-Versorgung beurteilt haben.


Aufgabenfelder, an denen es anzuknüpfen gilt, gibt es offenbar genügend. Vorneweg die äußerst schlecht erreichbare Händler-Hotline sowie die nicht immer funktionierenden Freischaltungssysteme – beides übrigens Probleme, hinter denen manche Betreiber schon Kalkül vermuten. „Am Monatsanfang, wenn unsere Kunden zur Verlängerung anstehen, funktioniert die Technik nicht“, ärgert sich ein Handelspartner.
Doch die Liste der Wünsche bei den Partnern ist noch bedeutend länger: So wird beklagt, dass verkaufsfördernde Maßnahmen weitgehend aus dem Markt genommen wurden. Und als nicht mehr zeitgemäß – und damit konkurrenzfähig – werden die Hardware-Preise beschrieben, die die Kunden im Rahmen des My-Handy-Modells zahlen müssen.
Massiver als beim Wettbewerb scheinen auch die Probleme mit dem Kundenklau der Hotline zu sein. „Wenn wir den Datensatz eines Kunden aufrufen und eine VVL machen, dann kann es passieren, dass der Kunde, noch während er im Shop ist, einen Anruf von der Hotline bekommt, die ihm ein noch günstigeres Angebot macht“, beschwert sich ein Betreiber. Und die Hotline gebe auf die ohnehin kaum konkurrenzfähigen O2-Tarife bis zu 75 Prozent Rabatt – viel mehr, als den Handelspartnern auch per Voucher möglich sei.

Auch positive Kritik

Doch es gibt auch Handelspartner, die Telefónica den Rücken stärken: „Es wäre gelogen, wenn man sagen würde, dass alles funktioniert. Aber wer sich noch an die letzten zwei Jahre in der grünen Welt zurückerinnert: Die waren schon auch sehr schwierig, etwa bei der Warenversorgung. Nur haben das viele schon wieder vergessen“, gibt Hassan Hamdaoui von Callnet zu bedenken. „Mir ist es daher wichtig, dass es jetzt neue Ansätze und auch eine gute Perspektive gibt. Wir brauchen Geduld, denn es wird eine Weile dauern, bis das läuft. Manche tun sich einfach schwer damit, dass es die von Base vertrauten Prozesse nicht mehr gibt, dass das jetzt eine ganz neue Welt ist“, sagt Hamdaoui.
So reagiert der Shop-Betreiber, anders als viele Kollegen, auch mit Verständnis auf die häufigen Mitarbeiterwechsel bei Telefónica. „Wer von E-Plus kam, war eine Schnelligkeit und Flexibilität gewohnt, mit der man bei Telefónica schnell an seine Grenzen stößt“, so Hamdaoui.
Andere Händler ärgern sich eher über die Folgen: „Die Area Sales Manager werden ja zum Teil im 6-Wochen-Rhythmus ersetzt. So mancher kommt mit dem ­aktuellen Kurs des Unternehmens einfach nicht klar.“ Ähnlich sieht es in der Führungsebene aus: Nachdem Andreas Schulz vor einigen Monaten den Netzbetreiber verließ, leitet nun Dirk Borowsky den Partnershop-Vertrieb – während der Fachhandel von „Large Retail“-Chef Kai Zalisz mitbetreut wird. Und auch die Regionen wurden neu strukturiert und deren Anzahl verringert.
Es ist also viel im Fluss, was Telefónica angeht. Und es gibt, zumindest von Seiten der Shop-Betreiber, ein Ziel: „Wir wollen, dass man uns wieder als Partner und nicht einfach nur als Händler ansieht. So wie das in der blauen Welt früher immer gewesen ist.“

Händlerstimmen:

„Wir können die Preise der Hotline nicht darstellen“
„Innerhalb eines Jahres nach der O2-Umfärbung unserer ehemaligen Base-Shops haben wir mit einem Absatzeinbruch um 50 Prozent zu kämpfen. Die Akzeptanz von O2 ist ganz anders, und so sind unsere Shops nicht mehr pro­fitabel. Früher wurden wir als Vertriebspartner wahrgenommen, heute sind wir für viele ehemalige Bestandskunden nicht mehr der primäre Ansprechpartner. Ein Problem ist, dass wir im Gegensatz zu den eigenen Kanälen des Netzbetreibers keine scharfen Zähne mehr haben. Wir können die Preise, die die Hotline machen kann, nicht darstellen. Zudem sind die Produkte starr und nicht marktgerecht, sie lassen uns als Unternehmer wenig Spielraum. Das Bestandskundengeschäft war immer unsere wichtigste Einnahmequelle, doch nun ist es größtenteils weggebrochen.“
„Die Shops wurden aus der Base-Vermarktung gedrängt“
„Bei Telefónica muss man sich fragen, ob Partnershops und Fachhandel noch eine Rolle in der Planung spielen. Zuerst werden die Shops aus der Base-Vermarktung gedrängt. Dann wird ausgerechnet mit Base eine hochaggressive Discount-Konkurrenz mit bestem Markenimage aus der Taufe gehoben, die den Telefónica-Shops schwer zusetzt. Das könnte beabsichtigt sein, immerhin haben die Shops durchweg ablehnend auf die ‚Yourfone-Migration‘ reagiert und sorgen so für ein O2-Überangebot an vielen Standorten, das auch bei Telefónica unnötige Kosten verursacht. Dem Handel wird kein Argument für den Verbleib im System gelassen. Ich frage mich, ob man eine solche Selbstmordkampagne wirklich stoppen kann, wenn eine ausreichende Zahl an Partnern verschwunden ist. Tatsächlich werden viele verbliebene Partner dann ebenfalls so stark geschwächt sein, dass sie für die Marke nichts mehr tun können.“
„Das Vertriebsmodell passt nicht mehr“
„Telefónica hatte versprochen, 30 Prozent mehr Frequenz in die Fläche zu bringen. Damit sollten die niedrigeren Provisionen kompensiert werden. Doch es gibt kaum mehr Werbung und keine Aktionen mehr. So sind die Quoten für die dringend notwendigen Boni nicht zu erreichen. Und zu allem Überfluss macht uns die Kunden-Hotline heftig Konkurrenz. Das ganze Vertriebsmodell passt einfach nicht mehr.“
„Es wird irgendwann einen Riesenknall geben“
„Es brodelt gewaltig bei den Shop-Betreibern. Ich glaube, dass es irgendwann einen Riesenknall geben wird. Viele Standorte rechnen sich nicht mehr. Die Kommunikation stimmt nicht, es gibt keinen Dialog mehr. Das ist nicht das Modell, dem wir zugestimmt haben.“




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