Verschlüsselte Messenger-Dienste
22.10.2020, 10:00 Uhr
Geheimdienste sollen WhatsApp und Co. mitlesen dürfen
Sollen Geheimdienste mutmaßliche Extremisten auch bei verschlüsselter Kommunikation ausspähen dürfen? Nach langem Tauziehen sind sich Union und SPD einig, und das Kabinett berät. Doch es gibt Kritik.
Die Bundesregierung will den Geheimdiensten künftig erlauben, Kommunikation über WhatsApp und andere verschlüsselte Messenger-Dienste mitzulesen. Das Kabinett entschied am Mittwoch, dass der Verfassungsschutz, der Bundesnachrichtendienst und der Militärische Abschirmdienst (MAD) künftig nicht nur laufende Gespräche via Messenger überwachen dürfen sollen, sondern auch Botschaften, die per Messenger verschickt werden.
Voraussetzung für diese sogenannte Quellen-TKÜ (Telekommunikationsüberwachung) ist allerdings in jedem einzelnen Fall eine entsprechende Anordnung. Die Geheimdienste können also nicht nach eigenem Gutdünken Kommunikation mitlesen und speichern. Um die Kontrolle der Überwachungsmaßnahmen zu verbessern, wird die Zahl der Mitglieder der für ihre Genehmigung zuständigen G10-Kommission des Bundestages erhöht. Außerdem soll der Kommission ein technischer Berater an die Seite gestellt werden. Die Reform muss noch vom Bundestag gebilligt werden.
Befürworter des Entwurfs sagen, damit wäre der Inlandsgeheimdienst von seinen Möglichkeiten her bloß wieder auf dem Stand angekommen, auf dem er vor der Erfindung von Internet und Mobilfunk war. Damals genügte es, Festnetztelefone abzuhören. "Wir brauchen einen Verfassungsschutz, der auch im digitalen Zeitalter sehen und hören kann. Nur so können wir den extremistischen Geschwüren in unserer Gesellschaft etwas entgegensetzen", sagte Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU).
Die Reform war in der Koalition sehr umstritten. Ein erster Entwurf war den anderen Ministerien bereits im März 2019 zur Stellungnahme übersandt worden. Damals sah er für die Geheimdienste auch noch die Erlaubnis für "Online-Durchsuchungen" vor. Darunter versteht man den verdeckten Zugriff auf Computer, Smartphones und andere IT-Geräte, deren Daten dann ausgelesen werden können. Dieser Passus wurde auf Druck der SPD gestrichen. Ein Sprecher des SPD-geführten Bundesjustizministeriums sagte, es handele sich insgesamt um eine "maßvolle Kompetenzerweiterung" bei einer gleichzeitigen Stärkung der parlamentarischen Kontrolle, so wie im Koalitionsvertrag vorgesehen.
Der nun vom Kabinett gebilligte Entwurf aus dem Bundesinnenministerium sieht auch einen erweiterten Austausch von Informationen zwischen dem MAD und den Verfassungsschutzbehörden vor. Das soll vor allem helfen, rechtsextreme Bundeswehrangehörige und Reservisten besser als bisher zu identifizieren.
Durch die Reform, die den Bundestag noch passieren muss, werden zudem die Hürden für die Beobachtung von Einzelpersonen durch den Verfassungsschutz gesenkt. Damit zieht die Bundesregierung Konsequenzen aus den rechtsextrem motivierten Terroranschlägen in Halle und Hanau. Beide Anschläge waren von Tätern verübt worden, die nach bisherigen Erkenntnissen keiner Gruppierung angehörten.
Durch die Reform, die den Bundestag noch passieren muss, werden zudem die Hürden für die Beobachtung von Einzelpersonen durch den Verfassungsschutz gesenkt. Damit zieht die Bundesregierung Konsequenzen aus den rechtsextrem motivierten Terroranschlägen in Halle und Hanau. Beide Anschläge waren von Tätern verübt worden, die nach bisherigen Erkenntnissen keiner Gruppierung angehörten.
Aus der Opposition kam vor allem Kritik am geplanten Zugang der Geheimdienste zu verschlüsselten Chats. "Nach all den jüngsten Niederlagen vor höchsten Gerichten dokumentiert die Große Koalition damit ihre bürgerrechtsfeindliche Haltung und ihre absolute Lernunfähigkeit", sagte Konstantin von Notz, Fraktions-Vize der Grünen. Der FDP-Innenpolitiker Stephan Thomae kritisierte: "Die Überwachung verschlüsselter Kommunikation, also die Quellen-TKÜ, ist der kleine Bruder der Online-Durchsuchung und stellt ebenso einen massiven Grundrechtseingriff dar." Beide hätten bei den verdeckt und im Gefahrenvorfeld agierenden Nachrichtendiensten "nichts verloren".