Preisstrategie 03.08.2011, 08:00 Uhr

"Nicht alle wollen das Billigste"

Die „Geiz-ist-Geil“-Mentalität gibt es nicht nur unter den Kunden, auch viele Händler verkaufen ihre Produkte in erster Linie über den Preis. Im Interview verrät Verkaufstrainer Thomas Burzler, wie dadurch eine wichtige Klientel vergrault wird.
Schon lange machen Online-Händler dem stationären Handel mit ihrer Niedrigpreis-Strategie das Leben schwer. Nun ziehen Media Markt und Saturn nach und wollen online und offline zum Preisbrecher werden. Viele Händler befürchten seither, dass die Preise dadurch noch schneller sinken werden – und die Margen noch tiefer in den Keller rutschen.
Telecom Handel: Herr Burzler, im Handel geht seit der angekündigten Multichannel-Strategie von Media Markt und Saturn die Angst um, dass Kunden künftig noch mehr auf den Preis schauen, als es bislang ohnehin der Fall war. Ist diese Angst berechtigt?
Thomas Burzler: Zum Teil sicherlich, aber daran ist der Handel – neben vielen anderen Akteuren – auch selbst schuld. Die meisten Verbraucher haben dank der Marketingstrategien der großen Ketten wie Media Markt und Saturn schlicht das Gefühl für den Wert einer Ware verloren. Jeder kennt den ‚Geiz ist geil‘-Slogan, und viele haben ihn auch verinnerlicht. Das gilt leider auch für viele Händler.
Telecom Handel: Aber mit dieser Marketingstrategie hat der Fachhandel  nichts zu tun, im Gegenteil. Ist er nicht vielmehr ihr Opfer?
Burzler: In gewisser Weise schon – aber vor allem aus einem Grund: Auch der unabhängige Handel versucht, Produkte in erster Linie günstig zu verkaufen, und das kann nicht funktionieren. Denn der Einkaufs- und Marketingmacht einer Media-Saturn-Holding hat der freie Handel nur wenig entgegenzusetzen, hier kann er kaum Paroli bieten.
Telecom Handel: Womit dann? Sollte er, wie von vielen Herstellern und Distributoren empfohlen, auf den Kundenservice setzen?
Burzler: Auch hier funktioniert die Abgrenzung nicht immer, denn MSH hat in den vergangenen Jahren den Service deutlich verbessert. Vor allem im Telekommunikations- und IT-Bereich stehen mittlerweile junge, engagierte Verkäufer in den Märkten, die fachlich so manchen anderen Händler alt aussehen lassen.

"Best Ager legen Wert auf Qualität - und sind dafür bereit zu zahlen"

Telecom Handel: Das klingt alles ziemlich aussichtslos …
Burzler: Keineswegs, denn es gibt eine große Klientel, die heute schlicht nicht weiß, wo sie einkaufen soll: die sogenannten ‚Best Ager‘, Menschen über vierzig oder fünfzig, die Wert auf Qualität legen und auch bereit sind, dafür zu bezahlen. Diese spricht die Billig-Werbung von MSH nicht an, denn Geld spielt für diese Kunden nicht die Hauptrolle. Und diese Kunden gehen gezielt zum Fachhändler, weil sie dort Qualität erwarten – und bekommen als Erstes wieder ein Schnäppchen angeboten. Das ist der entscheidende Fehler, den viele Händler heute machen.
Telecom Handel: Händler sollten also gezielt teure Produkte anbieten?
Burzler: Ja, womit ich aber keineswegs überteuert meine. Denn auch die Best Ager wollen sich nicht über den Tisch ziehen lassen – und informieren sich häufig vor dem Kauf über ein Produkt. Sie erwarten aber mehr: zum Beispiel, dass der Einkauf ein Erlebnis sein soll. Das kann eine MSH nicht bieten, zumindest nicht im positiven Sinn (lacht).
Telecom Handel: Und welche Möglichkeiten hat der Händler, seinen Kunden dieses Einkaufserlebnis zu bieten?
Burzler: Für diese Kunden spielen mehrere Faktoren eine Rolle. Dazu gehören eine ansprechende Ladengestaltung und die persönliche Betreuung. Wichtig ist aber auch die ungeteilte Aufmerksamkeit des Verkäufers. All das können Media Markt oder auch Saturn nicht bieten, allein wegen der Masse an Produkten und Kunden. So paradox das klingt, viele Best Ager wissen nicht, wo sie das beste Smartphone kaufen sollen, sie werden förmlich ins Internet gedrängt. Und genau diese Kunden kann und muss der Fachhändler abholen, wenn er sich gegen das Internet oder eine MSH behaupten möchte.
Telecom Handel: Sie sagten aber gerade, die Best Ager wurden und werden ins Internet gedrängt. Ist es nicht schon zu spät, sie wieder in den stationären Handel zurückzuholen?
Burzler: Nein, das glaube ich nicht – denn der Fachhandel hat einen entscheidenden USP: den menschlichen Faktor. Den kann das Internet nicht bieten, und das fällt auch den Retailern schwer. Qualifizierte Mitarbeiter, ausgezeichnete Betreuung, Persönlichkeiten im Verkauf – all das in einer ansprechenden Umgebung, das wünschen sich viele Kunden. Das Drama ist nur: Sie finden es nicht, oftmals auch nicht im stationären Handel. Denn dieser versucht, ich betone es noch einmal, über den Preis zu verkaufen – und diesen Kampf wird er verlieren.