23.07.2009, 11:04 Uhr
Wenn die Knochensäge streikt
Telecom Handel begleitete Jürgen Schwanzer, Inhaber eines Elektrofachgeschäfts und -installationsbetriebs, einen Tag lang durch seinen Arbeitsalltag – Dabei wurde deutlich, wie wichtig die Pflege von Kundenbeziehungen für den Erfolg eines Geschäftes ist
Freitagmorgen, kurz nach sieben Uhr. Ruhe liegt über dem malerischen Mellrichstadt, einer 2.000-Seelen-Gemeinde im Landkreis Rhön-Grabfeld. Jürgen Schwanzer ist schon zu seinem Betrieb unterwegs. Der dunkelhaarige 36-Jährige ist schlank und drahtig. Heute hat er – ausnahmsweise – seine neun Monate alte Tochter Jana dabei. „Ihre Mutter hat heute Weiterbildung“, erklärt er die Anwesenheit des Babys. Er trägt sie in einem Tragesitz vor den Bauch geschnallt. Vor dem Hintereingang des Familienbetriebs, zu dem man durch eine schmale Seitengasse gelangt, stehen dicht an dicht die Firmenfahrzeuge, bereit zum Einsatz.
In der Werkstatt warten bereits sein Vater Karl-Heinz Schwanzer und drei Männer in Arbeitskleidung. Der 64-jährige Seniorchef hält rosafarbene Karteikarten in der Hand, auf denen Aufträge notiert sind. Er ist sonnengebräunt und wirkt wie einer, der zupacken kann. „Hier treffen wir uns morgens alle, um die Aufträge an die Mitarbeiter zu verteilen“, sagt Jürgen Schwanzer. Danach fahre jeder zu seinem Einsatzort. „Mein Tag wird heute eher ruhig. Auf dem Plan steht nur die Auslieferung eines Receivers.
In der Schule muss außerdem ein neuer Telefonanschluss verlegt werden. Ansonsten bin ich heute im Laden und im Büro – falls es nicht wieder einen Notfall gibt.“ Und Notfälle gibt es des Öfteren. Vom kaputten Fernseher über die auslaufende Waschmaschine bis zur streikenden Knochensäge beim Metzger sei alles dabei. Erst kürzlich wurde er sonntags um acht Uhr früh aus dem Bett geklingelt, weil die Tankstelle im Nachbarort nach einem Regenwasserschaden durch Kurzschluss bedroht war. „Da muss man natürlich sofort los.“ Es gebe aber auch Kunden, die an Heiligabend anrufen, weil die Christbaumbeleuchtung ausgefallen sei. „In solchen Fällen gilt es abzuwägen.“
„Der Laden gehört einfach dazu"
„Gib mir mal das Kind, ich nehm’s mit vor.“ Eine Frau mit flottem Kurzhaarschnitt betritt die Werkstatt. Es ist Christa Schwanzer, die Mutter von Jürgen Schwanzer. Sie ist 63 Jahre alt und jeden Tag im Betrieb. Dort tut sie, „was so anfällt“. Und heute ist das vor allem die Betreuung der kleinen Enkelin. Sie nimmt Jana entgegen und macht sich mit ihr auf den Weg ins Büro, einen kleinen Raum hinter dem Laden – in der Mitte drei Schreibtische zu einer Gruppe zusammengestellt, an den Wänden Regale gefüllt mit Akten und Katalogen, in einer Ecke ein Kaffeeautomat. Der Laden selbst erstreckt sich über die gesamte Hausfront. Hier stehen Waschmaschinen, Trockner, Kühl- und Gefriergeräte, Küchen- und Haushaltskleingeräte, daneben eine ganze Galerie Fernseher.
„Gib mir mal das Kind, ich nehm’s mit vor.“ Eine Frau mit flottem Kurzhaarschnitt betritt die Werkstatt. Es ist Christa Schwanzer, die Mutter von Jürgen Schwanzer. Sie ist 63 Jahre alt und jeden Tag im Betrieb. Dort tut sie, „was so anfällt“. Und heute ist das vor allem die Betreuung der kleinen Enkelin. Sie nimmt Jana entgegen und macht sich mit ihr auf den Weg ins Büro, einen kleinen Raum hinter dem Laden – in der Mitte drei Schreibtische zu einer Gruppe zusammengestellt, an den Wänden Regale gefüllt mit Akten und Katalogen, in einer Ecke ein Kaffeeautomat. Der Laden selbst erstreckt sich über die gesamte Hausfront. Hier stehen Waschmaschinen, Trockner, Kühl- und Gefriergeräte, Küchen- und Haushaltskleingeräte, daneben eine ganze Galerie Fernseher.
Wenn die Knochensäge streikt (Teil 2)
Aber es gibt auch die verschiedensten Glühbirnen, Sicherungen sowie Ersatzteile für Rasierer. „Vom Laden allein könnten wir nicht leben“, sagt Jürgen Schwanzer und legt unterdessen einen neuen Receiver in sein Firmenfahrzeug. „Aber darauf verzichten könnten wir auch nicht. Der Laden gehört einfach dazu, und die Leute kommen gerne. Der eine, um eine Glühbirne zu holen, der Nächste bringt sein kaputtes DECT-Telefon, und ein anderer will vielleicht einfach nur kurz ein Schwätzchen halten. Man kennt ja auch jeden.“
Die meisten Kunden des Betriebs sind Stammkunden, die schon seit Jahren kommen. „Die vertrauen auf das, was wir sagen“, weiß Schwanzer. Wenn zum Beispiel ein Kunde eine kaputte Gefriertruhe habe, dann heiße es einfach: „Schwanzer, bring mir a neue Truhe.“ Die Lieferung sei dann meist schon im Preis enthalten. „Wir beraten unsere Kunden ehrlich, und die wissen das“, mischt sich der Seniorchef ein. „Wenn man die Leute über’n Tisch zieht, dann kommen die nie mehr wieder. Das wäre tödlich für uns.“ Und sein Sohn ergänzt: „Wir legen großen Wert darauf, gute Qualität zu verkaufen, denn wenn ein Gerät ständig Probleme macht, dann fällt das erst mal nicht auf den Hersteller zurück, sondern auf uns.“ „Schwanzer, was hast du mir da für einen Mist verkauft?“, heiße es dann. „Service und Kundennähe, das schreiben wir ganz groß.“ Er schließt die Ladeklappe, geht nach vorn und schwingt sich auf den Fahrersitz. Der Receiver muss ausgeliefert werden.
Kaffee und Kekse
Die Kosslowskis (Name von der Redaktion geändert), ein älteres Ehepaar, erwarten Jürgen Schwanzer schon. Er betritt die Wohnung mit dem neuen SAT-Receiver unter dem Arm und macht sich gleich an die Arbeit. „Möchten Sie auch eine Tasse Kaffee?“ Die Kundin hält die Kaffeekanne hoch. Jürgen Schwanzer lehnt dankend ab. Er kniet auf dem Fußboden und schließt das neue Gerät an. Die Kosslowskis beobachten vom Sofa aus fasziniert, wie er arbeitet. Darüber vergessen sie fast ihren Kaffee. Vor einem Jahr erst sind sie aus Berlin hergezogen.
„Herr Schwanzer war schon öfter hier. Und jetzt geh’ ich ihm schon wieder auf’n Keks“, sagt Frau Kosslowski. „Das ist doch mein Job“, entgegnet er ruhig und erklärt dem Ehepaar geduldig, wie der neue Receiver funktioniert. Bevor er geht, speichert Jürgen Schwanzer einige Fernsehprogramme in die Favoritenliste des Receivers. „Sie schauen doch so gerne Verkaufskanäle. Ich stelle das wie beim letzten Mal so ein, dass Sie die ganz leicht finden.“ Danach schnappt sich Jürgen Schwanzer das Verpackungsmaterial. „Bis zum nächsten Mal“, verabschiedet sich das Ehepaar.
Die Kosslowskis (Name von der Redaktion geändert), ein älteres Ehepaar, erwarten Jürgen Schwanzer schon. Er betritt die Wohnung mit dem neuen SAT-Receiver unter dem Arm und macht sich gleich an die Arbeit. „Möchten Sie auch eine Tasse Kaffee?“ Die Kundin hält die Kaffeekanne hoch. Jürgen Schwanzer lehnt dankend ab. Er kniet auf dem Fußboden und schließt das neue Gerät an. Die Kosslowskis beobachten vom Sofa aus fasziniert, wie er arbeitet. Darüber vergessen sie fast ihren Kaffee. Vor einem Jahr erst sind sie aus Berlin hergezogen.
„Herr Schwanzer war schon öfter hier. Und jetzt geh’ ich ihm schon wieder auf’n Keks“, sagt Frau Kosslowski. „Das ist doch mein Job“, entgegnet er ruhig und erklärt dem Ehepaar geduldig, wie der neue Receiver funktioniert. Bevor er geht, speichert Jürgen Schwanzer einige Fernsehprogramme in die Favoritenliste des Receivers. „Sie schauen doch so gerne Verkaufskanäle. Ich stelle das wie beim letzten Mal so ein, dass Sie die ganz leicht finden.“ Danach schnappt sich Jürgen Schwanzer das Verpackungsmaterial. „Bis zum nächsten Mal“, verabschiedet sich das Ehepaar.
Wenn die Knochensäge streikt (Teil 3)
Wie zu Hause
Nun ist die Telefonanlage in der Grund- und Realschule Mellrichstadt dran. Auf dem Weg vom Parkplatz zur Pforte hält ihn ein älterer Mann an. „Gut, dass ich dich treffe, Jürgen. Ich kann den Ton an meinem Fernseher nicht richtig einstellen.“ Jürgen Schwanzer kennt den Mann schon sein ganzes Leben lang. Er verspricht, alsbald vorbeizukommen, um sich das Problem anzusehen. Jetzt müsse er aber erst mal in der Schule etwas erledigen. „Früher war ich auch an dieser Schule. Bald habe ich das 20-jährige Schuljubiläum“, erzählt er.
Nun ist die Telefonanlage in der Grund- und Realschule Mellrichstadt dran. Auf dem Weg vom Parkplatz zur Pforte hält ihn ein älterer Mann an. „Gut, dass ich dich treffe, Jürgen. Ich kann den Ton an meinem Fernseher nicht richtig einstellen.“ Jürgen Schwanzer kennt den Mann schon sein ganzes Leben lang. Er verspricht, alsbald vorbeizukommen, um sich das Problem anzusehen. Jetzt müsse er aber erst mal in der Schule etwas erledigen. „Früher war ich auch an dieser Schule. Bald habe ich das 20-jährige Schuljubiläum“, erzählt er.
Der Hausmeister kommt ihm bereits entgegen. Ein Telefonanschluss soll in einen anderen Raum verlegt werden. Jürgen Schwanzer macht sich gleich ans Werk. „Der kennt sich hier aus, als wäre er zu Hause“, brummelt der Hausmeister. „Ich war ja auch schon ein paar Mal hier“, grinst Jürgen Schwanzer und schraubt in einem Verteilerkasten. Erst vor kurzem hat er in der Schule eine neue Telefonanlage installiert. „Das war’s schon“, sagt er, nachdem er ein nicht mehr benötigtes Kabel abgeklemmt und ein neues angeschlossen hat.
„Irgendwas ist immer"
Zurück im Büro müssen noch Angebote erstellt und Stundenzettel geschrieben werden. Beim nächsten Blick auf die Uhr ist es schon fast halb sieben, kurz vor Feierabend. Jürgen und Karl-Heinz Schwanzer sind wie immer die Letzten im Betrieb. Von der Wirtschaftskrise spüren sie noch nichts, das aktuelle Geschäftsjahr laufe bisher gut. „Wir merken keine Kaufzurückhaltung“, so der Juniorchef.
Was allerdings die nächsten Monate bringen, das wüssten sie nicht. Das Telefon klingelt. Karl-Heinz Schwanzer führt ein kurzes Gespräch und legt auf. „Das war die Gertrud vom Marktplatz. Ihr Fernseher geht nicht. Ich fahr’ da mal kurz vorbei.“ Und weg ist er. „So ist das, wenn man selbstständig ist. Da hat man keine feste Arbeitszeiten“, sagt sein Sohn. „Man weiß nie, was der nächste Tag bringt, aber so viel ist sicher: Irgendwas ist immer.“
Zurück im Büro müssen noch Angebote erstellt und Stundenzettel geschrieben werden. Beim nächsten Blick auf die Uhr ist es schon fast halb sieben, kurz vor Feierabend. Jürgen und Karl-Heinz Schwanzer sind wie immer die Letzten im Betrieb. Von der Wirtschaftskrise spüren sie noch nichts, das aktuelle Geschäftsjahr laufe bisher gut. „Wir merken keine Kaufzurückhaltung“, so der Juniorchef.
Was allerdings die nächsten Monate bringen, das wüssten sie nicht. Das Telefon klingelt. Karl-Heinz Schwanzer führt ein kurzes Gespräch und legt auf. „Das war die Gertrud vom Marktplatz. Ihr Fernseher geht nicht. Ich fahr’ da mal kurz vorbei.“ Und weg ist er. „So ist das, wenn man selbstständig ist. Da hat man keine feste Arbeitszeiten“, sagt sein Sohn. „Man weiß nie, was der nächste Tag bringt, aber so viel ist sicher: Irgendwas ist immer.“