Vertriebstraining
30.01.2020, 11:12 Uhr
Telenova: Power für Verkäufer
Telenova-Chef Stefan Schmautz hat zum Jahresauftakt für neun Mitarbeiter ein Vertriebstraining organisiert. Telecom Handel durfte daran teilnehmen.
Etwas irritiert schaut Elham Khalid auf die leere Cola-Flasche mit einem Tischtennisball auf dem Tisch im Showroom. „Soll ich die Flasche wegräumen?“, fragt er. Khalid macht derzeit noch eine Ausbildung zum Systemintegrator beim Münchner Systemhaus Telenova, ab Mai soll er dann in den Vertrieb wechseln.
Gemeinsam mit acht weiteren Kollegen aus Vertrieb, Marketing und Support nahm er Mitte Januar an einem Powerseller-Training teil, für das Geschäftsführer Stefan Schmautz den Vertriebsexperten Jürgen Dagutat engagiert hatte. „Die Flasche brauche ich später noch“, sagt dieser schmunzelnd, schließlich hat er sie vor Beginn des Trainings auf den Tisch gestellt. Ein Satz übrigens, den er an diesem Nachmittag noch öfter sagen wird.
„Ich will euch nicht erzählen, wie Vertrieb funktioniert“, beginnt Jürgen – schnell sind alle übereingekommen, sich zu duzen – das Training. „Das wisst ihr selbst am besten“, ergänzt er. Die große Kunst sei aber, auch in schwierigen Verhandlungen den Kunden für sich zu gewinnen. „Was kann ich machen, wenn es nicht läuft?“ – das wird die zentrale Frage an diesem Nachmittag sein, die es zu beantworten gilt. Immer wieder wird er dabei auf das Unterbewusstsein zurückkommen, das nach dem Eisbergmodell 80 bis 90 Prozent unseres Handelns prägt. Jürgens Credo ist: „Die aktive Beeinflussung des Unterbewusstseins ist möglich!“
Doch bevor Jürgen hier konkrete Tipps gibt, macht er den Teilnehmern mit verschiedenen Übungen bewusst, wie sehr das Unterbewusstsein unser Verhalten prägt. Elham beispielsweise soll nicht „wirken“ – also keine Ausstrahlung haben. Er versteckt sich dafür hinter einer Säule – der Versuch scheitert dennoch. „Es ist unmöglich, nicht zu wirken“, erklärt dazu Jürgen. Deshalb sei es wichtig, für sich zu entscheiden, wie man wahrgenommen werden möchte. Schnell entsteht eine rege Diskussion über Eigen- und Fremdwahrnehmung – und die Tricks, mit welchen die Mitarbeiter versuchen, ihre Wirkung zu verbessern.
„Ich spreche mit den meisten Kunden bayerisch, in einer milden Form“, berichtet beispielsweise Sandra Bierwage, die das Marketing leitet. Die meisten Menschen fänden den Dialekt sympathisch, gleichwohl würden ihn aber immer weniger beherrschen. „Das macht mich besonders und erhöht meinen Wiedererkennungswert“, betont Sandra. „Nein, das stimmt nicht“, wendet ihre Kollegin Barbara (Babsi) Balz ein. „Doch, und sie wirkt damit auch authentischer“, fügt ihr Chef Stefan hinzu. Sandra wiederum ergänzt, in vielen Gesprächen handle sie auch intuitiv und versuche, so eine Beziehung zum Kunden aufzubauen. „Allerdings ist das Bauchgefühl nur dann ein guter Ratgeber, wenn man sich in einem Thema auskennt“, warnt Jürgen.
Die Intuition und der Säbelzahntiger
Der Mensch, so Jürgen weiter, handle nach zwei Verhaltensmustern, die sich im Laufe der Evolution entwickelt haben. Es gebe Bereiche, in denen Menschen schnell denken und auch Entscheidungen treffen – meist werden diese durch das Unterbewusstsein beeinflusst. „Und das ist auch gut so. Stellt euch vor, ein Neandertaler trifft auf einen Säbelzahntiger, da wäre es eher ungünstig, wenn er einen Arbeitskreis einberuft, um zu entscheiden, was er machen soll“, verdeutlicht er das System mit einem Bild – und erntet dafür lautes Gelächter. Andere Entscheidungen erfordern ein langsames Denken – hier finden die Entscheidungen im Bewusstsein statt. Meist ist dies in neuen Situationen der Fall, bei denen Menschen nicht auf ihre Erfahrungen zurückgreifen können. Eine schnelle Entscheidung bei unbekanntem Terrain sei deshalb gefährlich. „Schnelles und langsames Denken – die beiden Systeme beherrschen unser tägliches Handeln, und es ist wichtig, dass wir den Kampf dieser Systeme auch verstehen“, so Jürgen weiter. Denn dieses Wissen helfe auch, Kunden besser zu verstehen.
Tief im Unterbewusstsein verankert ist darüber hinaus das Gesetz der Wechselseitigkeit – im Fachjargon auch Reziprozität genannt. Das Unterbewusstsein sorge dafür, dass Menschen einen Gefallen erwidern wollen, erklärt Jürgen. „Das gilt aber nicht für notorische Schnorrer“, wendet Babsi ein, diese seien aber die Ausnahme, sagt wiederum Stefan. Und er verdeutlicht dies mit einem Erlebnis aus seinem Wochenende. Er wollte sich eine Hose kaufen und traf dabei auf eine Verkäuferin, die ihn wirklich gut beraten hat. „Sie hat mir gesagt, die erste Hose stehe mir überhaupt nicht, und hat mir immer neue Modelle gezeigt“, erzählt er.
„Irgendwann habe ich mir gedacht, hoffentlich passt endlich eine Hose wirklich gut, denn ich wollte ihr unbedingt eine abkaufen, weil sie sich so bemüht hat.“ Die Geschichte ist die Basis für Jürgen, das Prinzip der Reziprozität noch deutlicher zu erklären – und wie man es im Verkaufsgespräch als Verstärker einsetzen kann. Demnach fördern sinnvolle, überraschende und maßgeschneiderte Handlungen den Drang, einen Gefallen zu erwidern. „Einen Ouzo beim Griechen erwartet mittlerweile jeder, das fördert keine Reziprozität, man muss etwas investieren, um etwas zu bekommen“, betont er.
Und er gibt noch weitere Tipps aus der Praxis: „Manchmal stimmt die Chemie einfach nicht und ich kann das Team eines Kunden nicht ausstehen. Dann bitte ich denjenigen, von dem ich den Eindruck habe, dass er mich am wenigsten leiden kann, um einen Gefallen, den er nicht ablehnen kann.“ Das Team schaut ungläubig …
„Das Prinzip dabei ist, dass sich gewissermaßen die jeweilige Einstellung unserem Verhalten anpasst. Dem Kunden, der mir einen Gefallen getan hat, werde ich sympathischer“, so Jürgen. Das Unterbewusstsein des Kunden signalisiere ihm: Der Mensch muss mir sympathisch sein, sonst hätte ich ihm den Gefallen wohl nie getan. Damit finde ein Wandel statt, den der Kunde überhaupt nicht bemerke. Hilfreich sei darüber hinaus, Gemeinsamkeiten hervorzuheben. „Mir ist aufgefallen, dass du immer mindestens eine Gemeinsamkeit mit den Kunden hast, Stefan“, wirft Sandra ein. „Da mache ich wohl unbewusst einiges richtig“, grinst daraufhin ihr Chef.
Soziale Bewährtheit und ihre Möglichkeiten
„Wisst ihr, warum Referenzgeschichten so wichtig für euer Business sind?“, wirft Jürgen eine weitere Frage in den Raum. „Sie wecken beim Kunden ein Gefühl der sozialen Bewährtheit – wenn eine Lösung bei einem anderen Kunden funktioniert, dann tut sie das auch bei mir“, sagt er. Schnell entfaltet sich eine rege Diskussion, bei der Amazon im Mittelpunkt steht. Sandra berichtet, sie würde sich gerne Filme anschauen, die von anderen Kunden empfohlen werden. Kommt die Empfehlung aber von Amazon selbst, so achte sie meist nicht auf sie. „Das empfinde ich als versteckte Werbung und Manipulation“, so Sandra. „Mir geht es ähnlich, ich bin bei Kundenempfehlungen sehr gefährdet und habe erst kürzlich mehr gekauft, als ich ursprünglich wollte“, erzählt Stefan. Und was ist der Grund dafür? „Die Empfehlung spricht unser schnelles Denken, System zwei, an – und das kostet uns weniger Energie, schließlich müssen wir darüber nicht nachdenken“, erklärt Jürgen die psychologischen Hintergründe.
Weitere Beispiele aus der Praxis folgen, bei denen Jürgen immer wieder mit Hilfe der beiden Kategorien – System eins und zwei – Verhaltensmuster erklärt und Tipps gibt, wie man diese im Verkauf nutzen kann. Und immer häufiger berichtet das Telenova-Team von seinen eigenen Erfahrungen und diskutiert über die Hintergründe. Bei einigen bemerkt man, dass sie sich schon häufiger mit Vertriebspsychologie und Verhaltensmustern auseinandergesetzt haben. Markus Wallner etwa, der den Support bei Telenova leitet, fällt auf etliche Tricks nicht herein. Bittet man ihn beispielsweise, die Worte „Morgenstern“, „Abendstern“ und „Zwergelstern“ vorzulesen, so ist er der Einzige im Team, der Zwerg-Elstern statt Zwergelstern sagt.
Mit einigen Übungen vertieft Trainer Jürgen das im Workshop Erlernte
Quelle: Telecom Handel
Besonders große Aufmerksamkeit herrscht im Team, als Jürgen das Prinzip des Anker-Effekts erklärt. Dabei wird am Anfang eines Gesprächs eine Zahl in den Raum gestellt – beispielsweise über den Preis eines TK-Systems. „Ich sage dann häufig, ich weiß, dass ich nicht 200.000 Euro verlangen kann“, erklärt Jürgen. Diese Zahl setze sich im Kopf des Kunden fest – und ein späterer Projektpreis von 50.000 Euro erscheine ihm nun sehr günstig. Stefan ergänzt, er betone bei Projektgesprächen gerne, dass ein Flugzeugträger auf jeden Fall teurer sei.
Eine gute Stimmung im Team sei ihm sehr wichtig, erklärt er im Anschluss an das Training. „Zum Jahresanfang wollte ich meine Mitarbeiter aber auch noch zusätzlich motivieren“, sagt er. Ganz bewusst habe er deshalb sowohl Mitarbeiter aus dem Vertrieb und auch dem Support in das Training eingeladen. „Wir werden das ausbauen und weitere Schulungen auch für andere Bereiche wie etwa den Service anbieten“, kündigt er an. Vielleicht werde er auch im Rahmen eines Incentives ein Training über zwei Tage mit Jürgen offerieren. Die Resonanz der Teilnehmer dieses Workshops war auf jeden Fall sehr gut, berichtet er.
Das Rätsel um die Cola-Flasche
Am Ende des Tages stand die Cola-Flasche dann doch nicht mehr auf dem Tisch – dabei sollte sie doch noch zum Einsatz kommen. Irgendjemand hatte sie aber weggeräumt. Also wurde schnell ein Ersatz herbeigeschafft, schließlich wurde sie ja als Stütze für den Tischtennisball gebraucht.
Jürgen gibt den Mitarbeitern den Auftrag, mit ausgestreckter Hand auf die Flasche zuzulaufen und den Ball „mit einem Finger wegzuschnipsen“. Klingt einfach, ist es aber nicht. Schließlich verdeckt die Hand den Blick auf den Tischtennisball.Vier Versuche schlagen denn auch fehl, dann kommen drei Treffer hintereinander zustande. Für Jürgen ist das kein Zufall: „Nachdem die Mitarbeiter gesehen haben, dass der Erste den Ball weggestoßen hat, wurden sie zuversichtlicher, dass ihnen das auch gelingen kann“, erklärt er. Für ihn ist das ein weiteres Beispiel dafür, wie sehr das Unterbewusstsein uns steuert – und wie einfach es letztendlich ist, es positiv zu beeinflussen.