Interview
03.08.2022, 13:58 Uhr
Systemhaus Green IT: „Ökonomie und Ökologie ergänzen sich“
Nachhaltigkeit ist derzeit ein häufig verwendetes Schlagwort. Das Systemhaus Green IT hat sich das Thema von Beginn an auf die Fahnen geschrieben.
Distributoren und auch Hersteller setzen zunehmend auf Nachhaltigkeit – sie proklamieren für sich, energieeffizient zu arbeiten und damit die Umwelt zu schonen. Allerdings ist die ITK-Branche per se nicht eben umweltfreundlich, denn allein für die Produktion der Hardware werden wertvolle Ressourcen verbraucht. Wie Ökologie und Ökonomie dennoch in Einklang gebracht werden können, erklärt Philipp Gellhaus vom Systemhaus Green IT im Interview.
Telecom Handel: Sie setzen seit der Firmengründung 2013 auf Green IT und haben sich auch so benannt. Wie waren damals die Reaktionen im Markt?
Philipp Gellhaus: Damals kamen eher kleine, innovative Start-ups oder große Konzerne mit eigenen Abteilungen für Nachhaltigkeit auf uns zu. Heute ist nachhaltiges Handeln fester Bestandteil unseres Alltags, und auch umweltfreundliche IT-Lösungen sind gefragter denn je. So treten heutzutage (Nachhaltigkeits-)Verantwortliche aller Unternehmensgrößen an uns heran, um das Thema Sustainability in der IT umzusetzen. Green IT hat bereits vor knapp zehn Jahren das Thema Nachhaltigkeit messbar gemacht. Dies war wichtig, um für unsere Kunden nicht nur die ökonomischen, sondern eben auch die ökologischen Vorteile sichtbar zu machen.
TH: In welchen Bereichen sind Sie aktiv?
Gellhaus: Wir sind herstellerunabhängiger IT-Dienstleister in den Bereichen IT-Services, Print-Services, Unified Communications und digitales Dokumentenmanagement.
TH: Und wie überzeugen Sie Ihre Kunden von Ihren Dienstleistungen?
Gellhaus: Am einfachsten greifbar war und ist sicherlich unsere Argumentation im Bereich Printing. Mit unseren ressourcenschonenden Konzepten gestalten Unternehmen ihre Druckprozesse so umweltverträglich wie möglich. Durch Sparmodi und die energiesparende Tintenstrahltechnologie senken sie den Verbrauch von Toner oder Tinte sowie Papier und Strom signifikant.
TH: Im UCC-Bereich dürfte die Argumentationskette allerdings etwas schwieriger sein. Schließlich gibt es wenig messbare Effekte ...
Gellhaus: Als Green IT an den Markt gegangen ist, waren On-Prem-Lösungen noch Usus. Beispielsweise waren Tischtelefone im Einsatz, die oftmals Statussymbole für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter waren. Schon früh haben wir UCC-Lösungen aus der Cloud angeboten, damals war die Akzeptanz bei den Kunden allerdings noch sehr gering. Das hat sich im Rahmen der Corona-Pandemie sehr schnell verändert. Fast alle Systeme, die wir heute verkaufen, kommen aus der Cloud und haben einen deutlich geringeren Hardware-Anteil als früher. Tischtelefone werden hingegen kaum mehr angefragt. Viele Kunden setzen in einer Übergangszeit eher auf hybride Systeme.
TH: Es gibt aber immer noch einen Bedarf an Hardware. Bieten Sie auch Lifecycle-Management von Endgeräten an?
Gellhaus: Hardware as a Service ist ein wichtiger Bestandteil unseres Angebots. Dazu gehören die Administration der Endgeräte, die Reparatur und Wiederaufbereitung sowie die fachgerechte Entsorgung. Wir übernehmen die Rundumbetreuung – von der ersten Beratung bis hin zum End-of-Life-Management. Viele unserer Kunden nutzen ihre Hardware 36 Monate und länger, ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter tauschen nicht alle zwei Jahre ein Endgerät, nur um etwas Neues zu haben, das keinen technologischen Mehrwert bietet.
TH: Arbeiten Sie in diesem Bereich mit einem externen Dienstleister wie beispielsweise einem Distributor zusammen?
Gellhaus: In der Regel betreuen wir unsere Kunden mit unseren eigenen System-Engineers, die für die entsprechenden Services ausgebildet und zertifiziert sind. Das gilt auch für die Garantieabwicklung mit den Herstellern.
TH: Aber ist das nicht sehr aufwendig – und wäre es nicht günstiger, dies outzusourcen?
Gellhaus: Nein, denn die Vorteile liegen klar auf der Hand. Aktuell haben wir einen Bestand von 50.000 Devices im Feld, kümmern uns um das Lifecycle-Management mit unserem Servicenetzwerk. Wir sind flexibel, können auf individuelle Herausforderungen beim Kunden eingehen und ihn ohne Schnittstellenverluste betreuen.
TH: Für kleinere Systemhäuser wäre dieser Aufwand aber zu groß ...
Gellhaus: Das ist keine Frage der Unternehmensgröße, wir selbst haben ja auch mit einem kleinen Team angefangen und diese Services von Anfang an angeboten. In der Regel sind die Beschäftigten in Systemhäusern vom jeweiligen Hersteller zertifiziert – Lifecycle-Management ist demnach keine so große Hürde, wie manche glauben.
TH: Beim Thema Nachhaltigkeit haben viele aber auch den Verdacht von Greenwashing der Anbieter. Wie gehen Sie damit um?
Gellhaus: Indem wir Fakten auf den Tisch legen. Das gilt sowohl für uns als Unternehmen, denn wir können exakte Nachweise über unser nachhaltiges Handeln liefern. Das gilt aber auch für unsere Kunden, denen wir entsprechendes Material zur Verfügung stellen.
TH: Auch für deren Marketing, schließlich ist das Thema ja en vogue?
Gellhaus: Wenn sie es möchten, auf jeden Fall. Für einige Kunden haben wir sogar individuelle Imagefilme erstellt – mit einer vernünftigen Argumentation und verlässlichen Daten, die jeder Überprüfung standhalten. Wir unterstützen unsere Kunden auch dabei, ihre Mitarbeiter zu sensibilisieren, indem wir ihnen auf ihre Bedürfnisse zugeschnittene Materialien an die Hand geben.
TH: Sind Corona und der Ukraine-Krieg mit der damit verbundenen Energiekrise ebenfalls Argumente für mehr Nachhaltigkeit?
Gellhaus: Definitiv, in den vergangenen zwei Jahren haben viele Mitarbeiter im Homeoffice direkt an ihrer Stromrechnung gesehen, wie viel Energie ein Büroarbeitsplatz verbraucht. Und durch die Energiekrise setzen sich auch viele Menschen privat mit dem Thema auseinander und versuchen, ihren Verbrauch einzuschränken.
TH: Und forciert das auch Ihr Geschäft? Haben Sie jetzt mehr Anfragen?
Gellhaus: Immer mehr zukunftsorientierte Unternehmen kommen heutzutage mit gezielten Anfragen in Richtung Nachhaltigkeit auf uns zu und fragen, mit welchen Services wir sie unterstützen können. Es findet sicherlich ein Umdenken statt. Grüne IT trifft den Nerv der Zeit, gleichzeitig schreitet die Digitalisierung von Prozessen mit großen Schritten voran.
TH: Bemerkt man diesen Trend auch in den Ausschreibungen?
Gellhaus: Auch hier findet ein Wandel in der Gewichtung statt. Wenn früher der Preis ausschlaggebend für die Entscheidung war, werden heute Themen aus dem Bereich der Nachhaltigkeit abgefragt und entsprechend berücksichtigt.
TH: Aber haben Kunden nicht auch Angst vor der Inflation und einer Wirtschaftskrise und versuchen deshalb, zu sparen? Schließlich weiß niemand, wie sich die Wirtschaft entwickelt ...
Gellhaus: Für Unternehmen wird es nicht teurer, von herkömmlichen auf nachhaltige Konzepte umzusteigen. Im Gegenteil: Ökonomie und Ökologie ergänzen sich. Grundsätzlich sind die Implementierungskosten für die Lösungen von Green IT nicht höher als andere vergleichbare Systeme.
TH: Gibt es eigentlich auch schon Fördermittel für Nachhaltigkeit?
Gellhaus: Aktuell gibt es Förderungen im Rahmen von Digitalisierungsprojekten – und da spielt das Thema Nachhaltigkeit eine immer größere Rolle. Fördertöpfe, die sich konkret auf die Verbesserung der Umweltbilanz innerhalb von IT-Projekten beziehen, befinden sich derzeit noch in der Entwicklung. Dafür müssten vorab neue Standards geschaffen werden, die aktuell in den meisten Unternehmen noch nicht umgesetzt werden.