Interview 12.06.2020, 13:43 Uhr

Poly: „Noch sind wir in der Phase der Brandlöschung“

Henning Schäfer, Director Sales DACH & EE bei Poly, glaubt, dass Konzepte, die wir vor Covid-19 als Trend sahen, jetzt obsolet sind. Andere Modelle wie beispielsweise das Homeoffice werden sich endgültig durchsetzen. Ein Gespräch über das „new normal“.
(Quelle: Poly)
Eigentlich sehnen sich viele Mitarbeiter nach ihren Büros, sie vermissen den Flurfunk und die Kaffeeküche, die auch durch Videokonferenzen nicht ersetzt werden können. Und obwohl immer mehr Unternehmen ihre Mitarbeiter in die Büros zurückholen, ist der Alltag dort ein gänzlich anderer als vor dem Lockdown. Telecom Handel sprach mit Henning Schäfer, Director Sales DACH & EE bei Poly, über das neue „new normal“, das uns noch lange Zeit begleiten wird.

Telecom Handel: Alle sehnen sich nach der alten Normalität zurück, Sie sprechen von einem ‚new normal‘. Was verstehen Sie darunter?
Henning Schäfer: Viele Unternehmen haben immer noch strikte Homeoffice-Regelungen, andere holen ihre Mitarbeiter in Schichten wieder in die Büros zurück, damit sie die Abstandsregelungen einhalten können. Das sind diese Covid-Nachwehen, noch sind wir in der Phase der Brandlöschung. Doch auch in Zukunft werden die Arbeitsplätze in den Büros anders aussehen und großzügiger gestaltet werden. Andere Konzepte, die wir vor Covid-19 als Trend sahen, sind wiederum jetzt obsolet.

Welche meinen Sie damit?
Schäfer: Huddle Rooms beispielsweise waren eine tolle Idee, durch die Pandemie ist dieser Ansatz nun aber vollkommen ausgebremst. Denn in einem Huddle Room sitzen in der Regel vier Mitarbeiter vor einem Display und konferieren. Huddle Rooms werden durch Single Meeting Rooms oder größere Räume ersetzt, bei denen ein Mindestabstand eingehalten werden kann. Das bemerken wir auch in der Nachfrage. Der Trend ist also ganz anders, als wir ihn noch vor der Pandemie gesehen haben.

Wird das auch nachhaltig so bleiben?
Schäfer: Das ist natürlich davon abhängig, wann es einen Impfstoff geben wird – und ob Covid-19 die einzige Infektionswelle ist, die wir haben. Viele Unternehmen sind deshalb in der Planung, wie sie sich auch in Zukunft auf Situationen wie diese besser vorbereiten können, und das ist meiner Meinung nach das ‚new normal‘. IT und Kommunikation spielen dabei eine zentrale Rolle, Unternehmen investieren aktuell in mobile Endgeräte, aber auch in UCC - und es gibt eine extrem große Nachfrage nach Videodiensten. Natürlich werden auch Investitionen zurückgehalten, aber Kommunikation ist ein zentrales Element in der Planung der Unternehmen.
Viele gehen davon aus, dass sich auch die Akzeptanz von Homeoffice deutlich erhöhen wird – auch wenn sich viele zurück ins Büro sehnen.
Schäfer: Durch die Verbreitung des Virus wurden Unternehmen gewissermaßen dazu gezwungen, sich mit dem Thema Homeoffice auseinanderzusetzen. Poly ist nicht nur Anbieter entsprechender Lösungen, sondern wir praktizieren die flexible Arbeitsweise schon seit Jahren. Deshalb war und wird es für uns im Grunde keine große Umstellung. Ich glaube aber, dass sich vor allem hybride Modelle durchsetzen werden, in denen die Mitarbeiter Homeoffice und Präsenz im Büro abwechseln. Mitarbeiter brauchen den direkten Kontakt, die persönliche Collaboration im Büro oder in der Kaffeeküche, und den kann auch Video nicht komplett ersetzen. Stellen Sie sich aber einmal vor, die Krise wäre vor fünf oder zehn Jahren passiert, damals waren die Collaboration-Tools, die uns heute zunehmend vertraut sind, noch gar nicht vorhanden. Das wäre eine Katastrophe gewesen.
Die Pandemie hat uns alle in die Digitalisierung gepeitscht …
Schäfer: Der Microsoft-CEO Satya Nadella hat kürzlich gesagt, die Digitalisierung in den vergangenen drei Monaten hätte uns ohne Corona zwei Jahre gekostet. Und da hat er vollkommen recht, weil vieles jetzt einfach durchgepeitscht werden musste. Deshalb haben wir aktuell einen unglaublich hohen Nachfragestau und die Unternehmen werden dies in den nächsten Monaten umsetzen müssen.
Unternehmen werden aber auch Kosten einsparen müssen …
Schäfer: Jedes Unternehmen wird versuchen, die Kosten zu reduzieren, das liegt auf der Hand. Doch dies wird den Bereich der Kommunikation am wenigsten betreffen. Denn nur mit den entsprechenden Tools kann auch in Krisenzeiten der Geschäftsbetrieb aufrechterhalten werden. Das ist natürlich gut für unsere Branche, wobei ich nicht gerne das Wort Krisengewinner in den Mund nehme. Klar ist aber, dass die Pandemie Geschäftsprozesse in den Unternehmen entscheidend verändern wird. Und ein ‚old normal‘ wird es so nicht mehr geben.




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