Marktreport IPTV
10.06.2011, 11:15 Uhr
Überzeugungsarbeit tut Not
Neben dem uneingeschränkten Marktführer Telekom versuchen sich auch Vodafone und Telefónica im Segment IPTV. Um den Massenmarkt zu erreichen, ist aber nach wie vor Überzeugungsarbeit beim Kunden zu leisten. Telecom Handel gibt einen Überblick über die jüngsten Marktentwicklungen.
Pionierarbeit ist anstrengend, teuer und mitunter auch undankbar. Das musste auch die Deutsche Telekom über die letzten Jahre feststellen, in denen der Konzern den Markt für IPTV in Deutschland erschlossen hat. Immense Marketinggelder wurden investiert, mittlerweile haben die Bonner immerhin 1,6 Millionen Entertain-Pakete an den Kunden gebracht. Dies ist nicht zuletzt darauf zurückzuführen, dass über „Liga total“ alle Spiele der Fußballbundesliga empfangen werden können – das geht sonst nur über Sky.
Thomas Berlemann, Geschäftsführer Vertrieb und Service Telekom Deutschland, bescheinigt im Gespräch mit Telecom Handel auch den Resellern einen wesentlichen Anteil am Erfolg von IPTV: „Der Handel spielt schon heute eine wichtige Rolle bei der Entertain-Vermarktung.“ Er schränkt aber gleichzeitig auch ein: „Ich sehe hier auch noch Luft noch oben. Noch hat nicht jeder Händler verstanden, welches Potenzial Entertain für ihn bietet.“
Auch wenn die Telekom der unangefochtene Primus im IPTV-Markt ist, der Erste war ein kleiner Anbieter aus Hamburg, HanseNet. Dieser ist mittlerweile samt seiner Werbefigur Alice im Telefónica-Konzern, und auch das IPTV-Produkt wird nun über die Marke O2 verkauft. Die Kundenzahl hält sich mit derzeit 79.000 aber in Grenzen, eine große Kampagne wie bei der Telekom hat es bislang nicht gegeben.
Dennoch ist Alice-TV ein „wichtiger Bestandteil unseres Festnetz-Angebots“, so Ralf Greßelmeyer, Vice President PL Household bei Telefónica Germany. Der dritte Anbieter im Bunde ist Vodafone. Die Düsseldorfer haben im Februar den zweiten Versuch mit einem IPTV-Produkt gestartet, nachdem dem ersten Anlauf – damals noch mit Arcor – kein Erfolg beschieden war. „Der erste Trend beim Zuspruch der Kunden ist positiv“, so Dhananjay Mirchandani, Leiter Festnetz bei Vodafone. Bei der Vermarktung spiele der Fachhandel „mit seiner Beratungskompetenz eine wichtige Rolle“.
TV-Signale übers Internet
Der technische Hintergrund ist bei allen Anbietern gleich: Die TV-Signale werden über die IP-Leitung empfangen und erfordern je nach Inhalt eine mehr oder weniger große Bandbreite. So kommen bei der Telekom nur VDSL-Kunden in den Genuss von HD-Live-Programmen, Vodafone und Telefónica empfehlen lediglich mehr als 10 MBit/s. Vodafone ermöglicht allerdings auch die parallele Nutzung eines vorhandenen Kabel- oder Sat-Anschlusses für die Übertragung der Fernsehsignale, die DSL-Leitung wird dann nur für Video-on-Demand genutzt. Auch die Telekom plant für das dritte Quartal Ähnliches, von Telefónica gibt es dazu noch keine Informationen.
Eines der Hauptprobleme bei der Erschließung des IPTV-Marktes ist sicherlich die mangelnde Bereitschaft der Deutschen, für TV-Inhalte zu zahlen, da das Free-TV-Angebot hierzulande bereits weit über 100 Sender umfasst. Um ihre Produkte an den Kunden zu bringen, müssen die Marketingstrategen der Anbieter also andere Features hervorheben. Das ist in erster Linie Videoon-Demand, also der direkte Abruf von Filmen oder Serien übers Internet. Dies soll den Gang zur Videothek ersparen, allerdings sind die Preise pro Film in den meisten Fällen deutlich höher, speziell wenn man sich für HD-Inhalte entscheidet.
Viele Möglichkeiten
Anders als bei den buchbaren Spartenkanälen, wie sie neben der Telekom, Vodafone und Telefónica auch Sky sowie die Kabel- und Satellitenanbieter im Programm haben, stehen die Filme direkt nach Bezahlung zur Verfügung. Der Kunde muss je nach Bandbreite nur eine gewisse Zeit für die Zwischenspeicherung einplanen. Während die Telekom mit mehr als 10.000 Filmen ein sehr großes Angebot präsentiert, stehen bei Vodafone mit 3.000 und Telefónica mit 2.000 deutlich weniger Titel zum Abruf bereit. Jedoch: Ein Alleinstellungsmerkmal ist dies nicht, denn neben Maxdome oder Xbox Live steht auch über einige Kabelanbieter wie seit kurzem Kabel Deutschland echtes Video-on-Demand zur Verfügung. Lediglich das TV-Archiv der Telekom hebt sich da ab, der Nutzer kann darüber verpasste Sendungen ansehen, sofern sie der Sender bereitstellt.
Die Möglichkeiten der Interaktivität, die sich durch die Internet-Verbindung ergeben, werden bislang allerdings kaum genutzt. So könnten Fernsehzuschauer über die Fernbedienung beispielsweise an Abstimmungen in einer Talkshow teilnehmen oder Zusatzinfos zum gerade laufenden Blockbuster abrufen und ins TV-Bild einblenden. Der Wandel von der passiv konsumierenden Couch-Potato zum interaktiven Zuschauer hat also gerade erst begonnen.