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03.11.2022, 10:15 Uhr
Google Pixel Watch: Solide Premiere nach spätem Start
Lange Jahre hat sich Google bei Smartwatches um die Software gekümmert und die Hardware Partnern wie Motorola, Fossil oder Samsung überlassen. Doch jetzt steigt Google mit der Pixel Watch in den Ring.
Anprobe sinnvoll: Im Vergleich zu anderen Smartwatches kann die Pixel Watch je nach Handgelenk relativ zierlich erscheinen.
(Quelle: Bernd Diekjobst/dpa-tmn)
Im September 2014 kam die erste Apple Watch auf den Markt und setzte sich in Windeseile an die Spitzen der Verkaufsliste - bis heute. 2014 ist aber auch das Jahr, in dem Google eine erste Version eines Betriebssystems für Smartwatches vorstellte, damals noch unter dem Namen Android Wear.
Die Liste der Computeruhren-Hersteller, die mit der Google-Software ihr Glück versuchten, ist lang. Sie reicht von Asus über Fossil und HTC bis hin zu Samsung oder Huawei. Den Siegeszug der Apple Watch konnte aber niemand stoppen, auch nicht der Schweizer Uhrenpionier TAG Heuer, der sich 2015 an einer Android-Smartwatch versuchte.
Google selbst hat in all den Jahren keine einzige Smartwatch gebaut. Doch seit Anfang Oktober ist die allererste Google Pixel Watch zu haben. Wir haben sie zwei Wochen lang im Alltag getestet:
Am Erscheinungsbild der ersten Smartwatch von Google scheiden sich die Geister. Die einen erinnert die klassisch runde Form der Pixel Watch mit ihrem gewölbten Uhrenglas an die elegante Bauhaus-Armbanduhr, die der Schweizer Designer Max Bill ab 1961 für Junghans entworfen hat. Die anderen attestieren der Pixel Watch dagegen ein langweiliges Design, gerade weil sie so sehr nach herkömmlicher Armbanduhr aussieht.
Design-Urteil mit Uhr in der Hand bilden
Man sollte sein eigenes Urteil nicht alleine von Fotos abhängig machen, denn wenn man die Pixel Watch in der Hand hält, erscheint sie sehr elegant und hochwertig, nicht wie eine "Uhr aus dem Kaugummiautomaten", wie etwa auf Twitter zu lesen war.
Im Vergleich zur Apple Watch oder auch zur Samsung Galaxy Watch kommt die Pixel-Uhr aber zierlich daher. Google bietet sie nur in einer Version mit 41 Millimetern Durchmesser an. Am Handgelenk eines Menschen mit kräftigem Unterarm mag das zu klein sein.
Der runde Bildschirm hat einen Nachteil gegenüber einem rechteckigen Display wie bei der Apple Watch. Längere Nachrichten lassen sich deutlich schlechter lesen. Und eine virtuelle Tastatur hat auf dem Rund so wenig Platz, dass man Schwierigkeiten hat, mit dem Finger den richtigen Buchstaben zu treffen.
Das ist bei der Pixel Watch auch deshalb eine Herausforderung, weil das runde 1,6-Zoll-Display mit 384 mal 384 Pixeln auch noch über einen vergleichsweise dicken, schwarzen Rand verfügt. Die Lösung von Google: Eine Sprachbedienung, die hervorragend funktioniert. Außerdem ist das AMOLED-Display mit 1000 Nits so schön hell, dass man auch im Sonnenlicht die Inhalte auf der Uhr gut erkennen kann.
Dunkler Hintergrund kaschiert Displayrand
Die von Google zur Verfügung gestellten, digitalen Zifferblätter (Watchfaces) haben fast alle einen dunklen Hintergrund. Das spart zum einen Strom und kaschiert außerdem den schwarzen Bildschirmrand. Besonders gelungen fanden wir die Zifferblätter "Konzentrisch", "Klassisch" und "Pilot Bold". Dabei bietet jedes Watchface viele Anpassungsmöglichkeiten.
Bei "Klassisch" beispielsweise kann man zwischen arabischen Ziffern, römischen Ziffern oder unbeschrifteten Strichen auswählen. Außerdem kann man festlegen, was jede der vier Komplikationen anzeigt, etwa das aktuelle Wetter, die absolvierte Schrittzahl oder den Batteriestand der Uhr. Des Weiteren kann man die Akzentfarbe jedes Zifferblatts den eigenen Vorlieben anpassen.
Die Krone der Uhr dient als Scrollrad und Home-Taste. Außerdem kann man mit ihr Google Pay aufrufen, um etwa an der Supermarktkasse ohne Portemonnaie oder Smartphone in der Tasche bezahlen zu können. Die Verwendung von Paypal wird in der Google Wallet auf Smartwatches allerdings nicht unterstützt, obwohl das auf Android-Smartphones gut funktioniert.
Über der Krone befindet sich zusätzlich eine Hardware-Taste, mit der man sich die zuletzt verwendeten Apps aufs Display holen kann. Ein langes Drücken bereitet die Uhr darauf vor, einen Sprachbefehl zu erhalten. Das Bedienkonzept ist stimmig und funktioniert im Alltag gut.
Betagter Chip mit Turbo
Bei der Lektüre des technischen Datenblatts fällt auf, dass Google im Innern der Pixel Watch einen ziemlich betagten Systemchip von Samsung verwendet, den Exynos 9110. Der wurde bereits vor vier Jahren vorgestellt und kam schon in der ersten Generation der Samsung Galaxy Watch 2018 zum Einsatz. Mit aktuellen Systemchips wie dem Snapdragon W5+ Gen 1 von Qualcomm kann er nicht mithalten.
Google hat aber in die Trickkiste gegriffen und dem Chip-Oldie einen Coprozessor (Cortex M33) zur Seite gestellt. Das Ergebnis ist verblüffend. Alles läuft schnell und flüssig, nichts hakt oder stockt. Zur guten Performance trotz des altersschwachen Hauptchips dürften auch die zwei Gigabyte (GB) Arbeitsspeicher (RAM) beitragen. Auch die 32 GB Massenspeicher für Apps und Daten sind üppig.
Wie bei der normalen Apple Watch hält der Akku der Pixel Watch gut einem Tag durch, kommt aber an die Laufzeiten der Apple Watch Ultra nicht heran, die man bis zu drei Tage lang am Stück nutzen kann. Die besten Spezial-Smartwatches für Sportler spielen ohnehin in einer anderen Liga. So kommt die Garmin Epix 2 mit einem Always-on-Display auf sechs Tage.
In die Pixel Watch sind etliche Funktionen der Tracker und Smartwatches des Fitness-Spezialisten Fitbit - seit vergangenem Jahr von Google gekauft - eingeflossen. Mit dem Fitbit-Know-how kann Google aus dem Stand 40 Trainingstypen und Sportarten unterstützen. Im Vergleichstest mit einer Fitbit-Smartwatch wurden allerdings nicht die gleichen Trainingsresultate angezeigt.
Fitbit-Verwirrung bei Kalorien
Die Pixel Watch wies den Kalorienverbrauch um rund 30 Prozent höher aus als die Sense 2 von Fitbit. Sportarten wie Aerobic, Crossfit oder Laufen müssen von Hand gestartet werden, damit das Tracking präzise erfolgt. Beim Joggen waren dann aber auch die Pixel Watch und die Sense 2 einer Meinung über die zurückgelegte Strecke.
Die Pixel Watch wird mit einem sechsmonatigen Fitbit-Premium-Abo geliefert: Für 9 Euro im Monat oder 80 Euro im Jahr erhält man zusätzlich unter anderen eine Schlafberatung und geführte Trainingsprogramme. Man kann sich aber auch einen Tagesform-Index berechnen und erweiterte Stressanalysen vornehmen lassen. Das ähnelt Apples Fitness-Plus-Programm, das ebenfalls 80 Euro im Jahr kostet. Allerdings versteckt Apple bei seinen Uhren nicht so viele Gesundheitsanalysen hinter einer Bezahlschranke wie Google.
Lästig ist bei Google, dass Fitness-Freunde mit zwei Accounts hantieren müssen. Zum Einrichten der Uhr braucht man einen Google-Account. Um die Uhr auch umfangreich beim Sport nutzen zu können, ist dann noch der separate Fitbit-Account und die Installation einer weiteren App notwendig.
Fazit: Unter dem Strich haben uns viele Dinge bei der Pixel Watch gut gefallen. Das Display reagiert flott, Gesundheitsdaten wie die Herzfrequenzmessung werden präzise erfasst. Mit den Fitbit-Funktionen werden viele Sportarten unterstützt und eine präzise Schlafanalyse ermöglicht, auch wenn hier das Ergebnis vorhersehbar ist: Früh ins Bett gehen und lange schlafen ist gut.
Beim Design gehen die Geschmäcker auseinander: Wer eine Smartwatch sucht, die nicht auf den ersten Blick nach Smartwatch aussieht, erhält mit der Pixel Watch einen eleganten Zeitmesser. Google sollte sich überlegen, ob nicht auch eine XL-Version für kräftigere Handgelenke sinnvoll sein könnte.
Google drückt die Pixel Watch nicht mit einem Kampfpreis in den Markt: Die Version mit Bluetooth und WLAN kostet 379 Euro, mit zusätzlicher Mobilfunk-Option landet man bei 429 Euro. Leider schränkt Google seinen Absatzmarkt unnötig ein: Während Smartwatches von Fitbit auch mit Apples iPhones zusammenspielen, bedient die Pixel Watch ausschließlich das Android-Lager (ab Version 8).