Aktuelle Entwicklungen 04.07.2018, 11:04 Uhr

Mobile Payment: Überlebenschance in der Nische

Die einen glauben noch immer an den Durchbruch, die anderen haben Mobile Payment schon abgehakt. Ein Blick auf die aktuellen Entwicklungen in diesem zähen Markt.
(Quelle: shutterstock.com/Paisit Teeraphatsakool)
Ende Juni gab Google bekannt: Der mobile Bezahldienst Google Pay startet offiziell in Deutschland. Eine Informationsseite bei der Comdirect-Bank war zuvor unter anderem als Indiz gewertet worden, dass der Internet-Konzern seinem Wett­bewerber Apple zuvorkommt und das mobile Bezahlsystem hierzulande auf den Markt bringt. Im Februar erst hatte Google seinen virtuellen Geldbeutel, die Google Wallet, mit seinem mobilen Bezahlverfahren An­droid Pay unter der Bezeichnung Google Pay vereint.

Warten auf Apple Pay

Mit dem Schritt ist Google seinem Wettbewerber Apple deutlich voraus. Hier halten Beobachter immer noch fleißig Ausschau nach Indizien, die auf den schon seit Jahren erwarteten Start von Apple Pay hinweisen könnten, immer wieder ploppen Gerüchte auf, die Einführung stehe ­unmittelbar bevor. Bisher aber meidet Apple Deutschland, was mobiles Bezahlen angeht, konsequent.
Die Gründe dafür sind vielfältig - zwei wesentliche sind wohl, dass Apple und die deutschen Banken sich nicht über die Verteilung der Einnahmen einigen können ­sowie die mangelnde Akzeptanz der Verbraucher. Die sehen noch immer ­wenig Mehrwert darin, mit dem Smartphone zu bezahlen - zumal sie mittlerweile mit kontaktlosen Giro- und Kreditkarten an vielen Akzeptanzstellen eine Alternative zur Verfügung ­haben, falls sie das je wünschen.
Auch in anderen Märkten musste Apple diese Erfahrung machen. So ist die Nutzung beispielsweise in den USA und auch in der Schweiz - einem Land mit hoher iPhone-Durchdringung - eher verhalten. Einer Studie des Vergleichsdienstes Comparis zufolge nutzen rund zwei Drittel der Schweizer das Handy nie zum ­Bezahlen. Nur 1,2 Prozent der im Februar Befragten bevorzugen beim Bezahlen an der Ladenkasse Mobile Payment.

T-Mobile, O2 und Vodafone haben aufgegeben

Während also einer der großen, sehnsüchtig auf dem deutschen Markt erwarteter Player keine Anstalten macht, sein ­mobiles Bezahlsystem nach Deutschland zu bringen, haben sich andere Anbieter daran bereits die Zähne ausgebissen und streichen - zumindest  vorerst - die Segel. So hat Vodafone unlängst angekündigt, seine mobile Geldbörse "Vodafone Wallet" Ende Juni nach nur knapp eineinhalb Jahren wieder einzustellen. Grund ist allem Anschein nach auch hier die fehlende Nutzerakzeptanz. Daran änderte auch die Kooperation mit PayPal nichts, über die Nutzer ihr PayPal-Konto als Zahlungsquelle für die Vodafone Wallet verwenden konnten.
Und Vodafone steht mit diesem Schritt nicht allein da: Die Mobilfunk-Wettbewerber T-Mobile und Telefónica O2 haben ihre Wallets bereits vor rund zwei Jahren vom Markt genommen. Auch Unternehmen wie die Otto-Gruppe oder Daimler tun sich schwer mit dem mobilen ­Bezahlen: Seinen mobilen Bezahldienst Yapital hat Otto Anfang 2016 nach knapp fünf Jahren eingestellt, von Plänen der ­Otto-Tochter Sheego für Mobile Payment ist nichts mehr zu hören. Um "Mercedes Pay", ein mobiles Bezahlsystem, das der Autobauer nach der Übernahme des Payment-Anbieters Paycash Europe ­Anfang 2017 angekündigt hatte, ist es ebenfalls auffallend still geworden.

Lohnende Nischen und Durchhaltevermögen

Auf der anderen Seite fallen beim Blick auf den Mobile-Payment-Markt zwei Dinge ins Auge: Zum einen scheint es Nischen zu geben, in denen Nutzer durchaus gern das Smartphone zum Bezahlen zücken, zum anderen geben viele Player den Markt allen Unkenrufen zum Trotz noch nicht auf.
Eine solche Nische hat beispielsweise Starbucks besetzt. Die US-Kaffeekette hat eine App entwickelt, über die Kunden in den USA bereits seit 2011 ihre Getränke mobil bezahlen können. Seit 2014 ist der Service auch hierzulande verfügbar.

Starbucks Payment hängt die Großen ab

Für den US-Markt hat das Marktforschungsunternehmen Emarketer im Mai erneut beachtliche Zahlen vorgelegt. Bis zum Jahresende wird ein Viertel der über 14-jährigen Smartphone-Nutzer in den USA - das sind 55 Millionen Menschen - eine mobile Zahlung in einem Laden getätigt haben. 40 Prozent davon werden dafür die Starbucks-App verwenden. Bis Jahresende soll Starbucks den Analysten zufolge mehr als 23 Millionen Kunden haben, die im Laufe der vergangenen sechs Monate mobil im Starbucks-Laden bezahlt haben. 
Damit liegt die Bezahlfunktion von Starbucks Emarketer zufolge deutlich vor den anderen drei Top-Payment-Apps in den USA, nämlich Apple Pay, Google Pay und Samsung Pay. Hinter diesem Erfolg vermuten die Forscher vier Gründe: die frühe Einführung des Services, die loyale Kundenbasis, das ansprechende Prämienprogramm und die einfache Nutzung.
Um die Bezahlfunktion nutzen zu können, muss der Kunde die App installieren und ein Kundenkonto mit wenigstens ­einer hinterlegten Kreditkarte anlegen. Für den eigentlichen Bezahlvorgang muss er die App öffnen und die Karte auswählen. Dann erhält er einen Barcode in der App, der an der Kasse gescannt wird. Bekommt der Kunde Bonuspunkte, werden diese automatisch in der App gesammelt. Mobile Payment hat also durchaus eine Chance - wenn die wichtigsten Kriterien erfüllt sind: Nutzerfreundlichkeit, der vielbeschworene Mehrwert und die nötige Kundenbasis, für die das Leben dadurch fühlbar angenehmer wird. 

Payback besetzt eine Nische in Deutschland

Auch in Deutschland gibt es solch einen Nischenanbieter: Der Bonusprogramm-Anbieter Payback hat vor zwei Jahren über seine App ein Mobile Payment gestartet, das mittlerweile bei neun großen Händlerketten wie Alnatura, Real, Rewe, Penny, Thalia, dem Drogeriemarkt DM und ­Galeria Kaufhof einsetzbar ist. Damit ­akzeptieren derzeit rund 10.500 Filialen Payback Pay. Etwa sechs Millionen der insgesamt 30 Millionen Payback-Kunden nutzen die Payback-App aktiv, mehrere 100.000 davon auch die Bezahlfunktion. Ihre Zahl verdoppelt sich nach Angaben von Carolin Thomass, Director Mobile Payment bei Payback, alle zwölf Monate. Im Schnitt bezahlen die Nutzer 3,5 Mal im ­Monat über die App, also fast einmal pro Woche.
Unter dem Strich heißt das: Die Kunden, die die Bezahlfunktion verwenden, tun dies sehr regel­mäßig - und ihre Zahl wächst stetig, auch wenn hier noch großes Potenzial in der Payback-Gesamtkundschaft verborgen liegt. "Mobile Payment alleine löst keine Probleme", erklärt Thomass, "der Erfolg der Payback App und von Payback Pay basiert auf dem Servicebündel aus Punktesammeln, Coupons ­aktivieren und bezahlen." Und das funktioniert ähnlich wie bei Starbucks. Ist die App installiert und sind die Bankdaten für die Lastschrift hinterlegt, kann der Kunde über NFC oder QR-Code bezahlen.

Etliche Händler und Banken beackern den Markt weiter

Daneben gibt es eine breite Palette von Anbietern, die weiterhin an Mobile Payment glauben. So baut der Payment-Technologieanbieter Wirecard sein mobiles Bezahlsystem "Boon" stetig aus. In der Wallet können kontaktlose, also NFC-­fähige Kreditkarten hinterlegt werden, über die dann die Zahlungen via Handy abgewickelt werden. "Boon" ist unabhängig von Mobilfunkbetreibern, Handy­herstellern oder Händlern an allen Kassenterminals nutzbar, die kontaktlose Zahlungen ermöglichen. 
Die Supermarktketten Marktkauf, Edeka und Netto dagegen halten an eigenen, pro­prietären Bezahl-Apps fest. Diese sind aber immerhin untereinander kompatibel, bieten Zusatzfunktionen wie das Speichern ­digitaler Kassenzettel und werden weiter ausgebaut. Auch die Banken geben noch nicht auf. So hat etwa die Postbank im vergangenen Herbst eine Mobile App mit Payment-Funk­tion gestartet, und auch die Deutsche Bank hat seit April vergangenen Jahres eine ­mobile Bezahlfunktion.
Als großer Player ist auch PayPal in dem Markt aktiv. Neben einer Kooperation mit Shell, über die Autofahrer mit der "Smart Pay"-Funktion der Shell-App direkt an der Zapfsäule bezahlen können, hat der Payment-Riese Mitte Mai die Übernahme der US-Firma iZettle angekündigt. iZettle bietet in elf Ländern, darunter Deutschland, eine Plattform an, über die kleine Händler, mobile Zahlungen und Kartentransaktionen abwickeln können. Damit spricht PayPal nicht die Verbraucher an, sondern verschafft sich auf Händlerseite ein Standbein im stationären Umfeld - um dort mitzuverdienen, falls sich Mobile Payment doch durchsetzt.

Messenger wie Whatsapp könnten alles verändern

Momentan ist nicht abzusehen, wie sich das Geschäft mit dem Bezahlen via Smartphone weiter entwickeln wird. Möglicherweise überholen Technologien wie das ­Bezahlen über ein Messenger-System oder über Sprachsteuerung alle Bemühungen rund um NFC und kontaktlose Datenübertragung. Der chinesische Messaging-Dienst Wechat und sein Wettbewerber Alipay machen vor, wie es geht, und sind damit auch schon in Deutschland präsent.
Alipay beispielsweise ist über seinen Partner Wirecard bei mehr als 3.000 Einzelhändlern hierzulande akzeptiert - ­darunter Rossmann, Zwilling, The North Face und Timberland. Und falls Facebook seinen Messaging-Dienst Whatsapp weltweit mit einer Payment-Funktion ausstatten sollte, könnte dies den Markt nachhaltig  verändern - insbesondere weil Whatsapp eine so hohe Reichweite hat. Mehr als 80 Prozent der deutschen Web-Nutzer verwenden einer Erhebung des Bitkom zufolge Whatsapp, weltweit hat der Dienst 1,5 Milliarden Nutzer. In Indien jedenfalls testet Whatsapp seit Februar dieses Jahres das Bezahlen via Smartphone - möglicherweise die Keimzelle für eine neue Dimension im Mobile Payment.




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