Marktreport Einsteiger-Handys
19.08.2010, 12:08 Uhr
Für eine Handvoll Euro
Die Masse der Handy-Verkäufe findet in Deutschland nicht etwa in der boomenden gehobenen Smartphone-Klasse statt, sondern im Bereich unter 150 Euro ohne Vertrag. Grund genug, einen genaueren Blick auf das hart umkämpfte Einsteiger-Segment zu werfen.
Touchscreens, GPS, 12-Megapixel-Kamera und vieles mehr: Die Geräte der Smartphone-Oberklasse sind wahre Multitalente und der Traum vieler Kunden. Doch die Masse der Verkäufe findet in Deutschland nicht in der 500-Euro-Kategorie statt, sondern bei günstigen Preisen unter 150 Euro ohne Vertrag. Vor einigen Jahren galt dies ausschließlich für den Prepaid-Bereich mit SIM-Lock-Handys, Geräteverkäufe ohne Vertrag waren eher die Ausnahme.
Heute ist alles anders: Nur T-Mobile und Vodafone schnüren überhaupt noch klassische Prepaid-Bundles mit SIM-Lock. Die beiden anderen Carrier kombinieren lediglich die normale Hardware mit entsprechenden Tarifoptionen oder Finanzierungsmodellen. Dafür hat der Verkauf von Handys ohne Vertrag stark zugenommen: Immer mehr Kunden erwerben diese Produkte zu Discounter-SIM-Karten oder als Ersatz, wenn das Vertrags-Handy nicht mehr subventioniert wird. Für Händler ergeben sich dabei durch Beratung und die Zusammenstellung eigener Bundles durchaus Verdienstmöglichkeiten.
Allerdings spielt sich ein großer Teil des Geschäfts der Klasse unter 100 Euro inzwischen in Discountmärkten und im Onlineverkauf ab. Der Kampf um die Marktführerschaft zwischen Nokia und Samsung wird zu einem großen Teil im Einsteigersegment ausgetragen – wer die Discounter nicht nutzt, um große Stückzahlen abzusetzen, bekommt hier Probleme. Das zeigte sich in den letzten Monaten, als Samsung-Geräte wie das C3300 für 77,99 Euro bei Aldi oder das E1150 für 30 Euro bei Norma im Angebot auftauchten. Auch Nokia-Handys bei Aldi waren vor einigen Jahren noch undenkbar, sind heute aber fast schon normal. So gab es in letzter Zeit das 2200 Slide für 49,90 Euro und das 1662 für 29,99 Euro.
Kleiner Preis, solide Ausstattung
Solche Billigangebote betreffen meist eher einfachere Modelle. Doch generell gilt auch im Einsteigersegment: Die Zeiten extrem schmaler Ausstattungen ohne Kameras und mit monochromen Displays sind längst vorbei. Selbst die günstigsten Handys haben eine farbige Anzeige und auch eine VGA-Kamera. Sogar Touchscreen-Telefone haben in den letzten Monaten den Sprung in die Einsteigerklasse unter 100 Euro geschafft, genau wie Mode-Handys, QWERTZ-Tastaturen oder Outdoor-Telefone.
Um den Abstand zur Oberklasse zu wahren, sind die Ausstattungsmerkmale zwar vorhanden, werden aber weniger opulent ausgeführt. So haben die Kameras meist eine Auflösung von höchstens zwei Megapixeln. Selbst VGA-Knipser, die nur Schnappschussniveau erreichen, gibt es noch in vielen Modellen. Die Displays bieten auch deutlich weniger Auflösung und die Touchscreens der wenigen in dieser Klasse verfügbaren Geräte sind nur resistiv, also am besten per Stift zu bedienen.
Gespart wird aber auch an der Datenübertragung: UMTS, HSDPA und WLAN sind kaum zu finden, meist müssen die Telefone mit GPRS und EDGE auskommen. Immerhin setzt sich Bluetooth zunehmend auch in der Einsteigerklasse durch – ein wichtiges Feature für den Verkauf von Zubehör durch den Handel.
Speichererweiterung problematisch
Gern zum Mobiltelefon verkauft werden auch Speicherkarten, doch einen MicroSD-Slot haben nicht alle Modelle der Einsteigerklasse. Der interne Speicher ist meist klein dimensioniert, was aber angesichts mangelnder Multimedia-Fähigkeiten nicht weiter ins Gewicht fällt. GPS hat seinen Weg in die untere Preisklasse ebenfalls noch nicht gefunden. Das könnte sich ändern, wenn Hersteller bald Smartphones für weniger als 150 Euro anbieten werden. Bereits jetzt gibt es das LG GT540 mit Android bei Vodafone für 149 Euro im Prepaid-Paket.
Auch das Nokia 5230 ist ein relativ günstiges Gerät mit Touchscreen und Symbian-Betriebssystem für 139 Euro. Wer dagegen auf ein offenes Betriebssystem verzichten kann, sollte einen Blick auf das Touchscreen-Gerät GS290 Cookie Fresh von LG oder das Samsung Corby S3370 werfen, die im Prepaid-Paket für weniger als 100 Euro angeboten werden und dabei schon eine erstaunlich gute Ausstattung mitbringen. Das LG hat die bessere Kamera, während das Samsung als eines von wenigen Prepaid-Geräten überhaupt UMTS mitbringt.
Exoten und Billigheimer
Selbst die Suche nach Exoten lohnt sich inzwischen im unteren Segment. So gibt es mit dem Samsung B2100 ein solides Outdoor-Handy im Prepaid-Paket für weniger als 100 Euro. Wer es dagegen ausgefallen mag, könnte einen Blick auf das OT-808 von Alcatel werfen, das mit seinem quadratischen Klapp-Design und der glänzenden Hülle an eine Schminkdose erinnert und für 99,99 Euro ohne Vertrag sogar eine kleine QWERTZ-Tastatur mitbringt. Wer in einem weniger auffälligen Gehäuse eine vollwertige Tastatur will – etwa um soziale Communities zu nutzen –, hat in dieser Preisklasse wenig Auswahl.
Immerhin gibt es das LG KS360, das allerdings kein ganz frisches Modell mehr ist, bei The Phone House im CallYa-Paket für 59,99 Euro und das B3410 von Samsung, das immerhin 119,90 Euro im Vodafone-Bundle kostet. Eine Besonderheit im QWERTZ-Segment ist das IXI Ogo 2 im Look eines Mikro-Laptops, das nicht als Handy, sondern als Instant-Messaging-Maschine bei Vodafone antritt.
Wer weniger Geld anlegen will, bekommt bereits in der untersten Preisklasse Telefone für 30 Euro und manchmal auch weniger. Zu den billigsten Angeboten gehört etwa das Vodafone 246, das im Prepaid-Paket 24,95 Euro kostet. Das Einfachst-Handy in Bartype-Bauweise wird von ZTE in China gebaut und bietet nur die nötigen Grundfunktionen zum Telefonieren.
Bei T-Mobile starten die Prepaid-Pakete mit 33 Euro für das technisch ebenfalls höchst mager bestückte Samsung E1150. Telefonieren und SMS senden kann der Kunde selbst mit solchen Geräten, und dem Handel bleibt zumindest die Hoffnung, dass er irgendwann mit wachsenden Ansprüchen doch beim Smartphone landet und mehr als eine Handvoll Euro über den Tresen gehen lässt.