Test Senioren-Handys
03.01.2013, 12:17 Uhr
Golden Ager machen mobil
Handys für Senioren sind eine lukrative Nische für Fachhändler. Telecom Handel hat drei aktuelle Modelle sowie das erste Smartphone für diese Zielgruppe unter die Lupe genommen. Was die Geräte taugen, verrät unser Test.
Große Tasten, ein großes Display, laute Töne und ganz wenige Funktionen – das war lange Zeit alles, was den Herstellern für Senioren-Handys einfiel. Doch inzwischen haben sich die Ansprüche der Zielgruppe gewandelt. Denn die meisten Senioren wollen nicht durch ihr auf den ersten Blick erkennbares Monster-Mobiltelefon stigmatisiert werden – sie wollen ein Produkt, das sich optisch nicht so stark von „normalen“ Modellen unterscheidet.
Die Spezialisten, die diesen Markt bedienen, haben reagiert und das Design ihrer Produkte überarbeitet, so dass manche Modelle inzwischen sogar bei jüngeren Käufern, die nur telefonieren wollen, Anklang finden. Dazu haben die Ansprüche der Nutzer an die Ausstattung stetig zugelegt: Kameras, Bluetooth oder ein mobiler Web-Zugang sind inzwischen häufiger zu finden.
Um zu testen, wie gut aktuelle Senioren-Geräte wirklich sind, haben wir zwei Klapp-Handys von Emporia und Tiptel, ein Gerät von Amplicomms in klassischer Bauweise sowie das erste Smartphone für diese Zielgruppe von Doro stellvertretend unter die Lupe genommen. Wie sich die Modelle im test geschlagen haben, erfahren Sie auf den nächsten Seiten.
Doro PhoneEasy 740
Es ist schon mutig, sich als Erster an ein Smartphone für Senioren zu wagen, und bereits das Layout zeigt, dass der schwedische Spezialist dabei eher vorsichtig vorgegangen ist. Denn der Nutzer hat die Wahl zwischen einem Touchscreen und einer Zifferntastatur, die sich unter einem Slider verbirgt. Das soll die Scheu vor Touchscreens nehmen und gelingt im Alltag so gut, dass sich so mancher Smartphone-Freak eine ähnliche physische Tastatur wünschen würde, wenn er nur mal telefonieren möchte.
Zudem lassen sich die vereinfachten Menüs auf dem Bildschirm mit der Wipptaste unter dem Display einfach vertikal bedienen. Android 2.3, das als Betriebssystem verwendet wird, ist selbst für Profis nicht mehr zu erkennen: Keine Icons oder Widgets, sondern Symbole mit klarer und großer Beschriftung – die allerdings nicht immer ganz sauber übersetzt ist – dominieren die hauseigene Benutzeroberfläche Doro Experience. Wer über den Touchscreen durch die Menüs steuern will, muss allerdings etwas Nachdruck walten lassen und sich manchmal in Geduld üben, denn der lahme Prozessor mit 650 MHz lässt sich teilweise viel Zeit bei der Arbeit.
Der mobile Web-Zugriff erfolgt dagegen dank HSDPA und WLAN recht zügig – allerdings stellt der Browser die Schrift für die Zielgruppe viel zu klein dar. Im Zuge des vereinfachten Konzepts verweigert der Hersteller leider den Zugriff auf den Play Store von Google und bietet stattdessen in seiner Oberfläche einige wenige zielgruppengerechte Apps zum Kauf oder Gratis-Download an – für manche wenig technikaffine Anwender wird das genau der richtige Weg sein, fortgeschrittenen könnten solche Einschränkungen aber zu weit gehen.
Das Telefon selbst ist solide und wirkt recht hochwertig. Die Zifferntasten sind nicht ganz so üppig dimensioniert wie bei anderen Senioren-Handys, aber immer noch schön groß. Wie in dieser Kategorie üblich gibt es auch eine Notruftaste auf der Rückseite. Wer einen solchen Hilferuf absetzt, kann im Gegensatz zu vielen Konkurrenten auch per GPS geortet werden – ein wichtiger Sicherheitsfaktor. Das Display ist mit einer Diagonale von acht Zentimetern für ein Smartphone nicht allzu groß, auch die Auflösung von 320 x 480 Pixeln ist nicht auf der Höhe der Zeit.
Die 5-Megapixel-Kamera schießt bei ausreichend Licht ordentliche Bilder, ein recht starkes Fotolicht unterstützt den Knipser. Mutig ist allerdings der Preis von 249 Euro – dafür gibt es bereits deutlich besser ausgestattete Smartphones, die sich in der Android-Version zudem ebenfalls für rund 50 Euro mit der als Software-Paket angebotenen Experience-Oberfläche von Doro ausstatten lassen. Doch das besonders einfache Konzept des PhoneEasy 740 wird den Preis für so manchen Käufer rechtfertigen.
Emporia Click
Wer es gern einfach mag, greift auf die Handys des langjährigen Spezialisten Emporia aus Österreich zurück, der aktuell noch auf ein Smartphone verzichtet. Das getestete Modell Click wird unter anderem bei Vodafone angeboten und geht mit Komfortfunktionen wie einer Kamera an den Start.
Besonders logisch und einfach ist die Bedienung allerdings nicht immer: So wird ab Werk, wenn die Notrufnummern nicht vom Anwender definiert werden, immer beim Aktivieren der Taste auf der Rückseite die „112“ angerufen, auch wenn das vom Anwender nicht vorgesehen war. Dass sich die Schriftgröße auf gigantische Dimensionen einstellen lässt, ist zwar grundsätzlich schön, doch passen die Menübezeichnungen dann in vielen Fällen nicht mehr ins Display, das nur 5,6 Zentimeter Diagonale aufweist, und sind so nicht auf einen Blick zu erkennen.
Die Anzeige selbst ist mit 176 x 220 sehr grob gepixelt. Auch die Kamera macht höchstens Schnappschüsse mit VGA-Auflösung, auf denen nur unter optimalen Bedingungen überhaupt etwas zu erkennen ist. Ein Fotolicht oder ein Blitz fehlt ebenfalls, allerdings kann die „Taschenlampe“ auf der Stirnseite für etwas zusätzliches Licht sorgen. Die Bedienung des Knipsers ist nicht immer ganz einfach, so kann man durch Druck auf die spezielle Kamerataste an der Seite nicht mehrere Bilder hintereinander schießen, sondern muss jedes Foto erst wieder per Softkey „wegklicken“.
Überzeugen kann das Design, denn das Emporia sieht mit seinem silbernen Streifen, der sich um das ganze Gehäuse zieht, richtig gut aus. Bei den Tasten stimmt zwar die Größe, die Druckpunkte sind aber nur schwer zu erahnen und die Bedienung erfordert teilweise erheblichen Druck. Schön groß und solide sind aber die seitlichen Tasten.
Trotz einer verbesserten Ausstattung mit Bluetooth und MMS gibt es noch einige Wünsche: So wollen sicher auch manche Senioren mal in die USA fahren, können dies aber mit dem Emporia-Handy mangels Triband-Funktionalität nicht. Beim Eingeben von SMS fehlt vor allem eine Software wie T9, was sehr lange Tipporgien erfordert. Am Ende bleibt der Eindruck, dass einige Elemente nicht voll durchdacht wurden, an manchen Stellen ist das Emporia nicht einfacher zu bedienen als ein Einsteiger-Handy von Samsung oder Nokia. Zumindest der Preis stimmt mit 79,90 Euro.
Tiptel Ergophone 6020+
Deutlich mehr, nämlich 119,95 Euro, verlangt Tiptel für sein Klapp-Handy Ergophone 6020+. Auf dem Papier sind die technischen Daten ähnlich wie beim Konkurrenten aus Österreich, zusätzlich gibt es einen MicroSD-Slot und ein größeres Display mit 6,2 Zentimeter Diagonale. Was die Ausstattung der Kamera, die Texteingabe und die Möglichkeiten zur Datenübertragung betrifft, ist es aber ähnlich mager ausgestattet.
Praktisch sind die vier Leuchtdioden auf der Klappe, die unter anderem verpasste Anrufe oder Nachrichten signalisieren. Auch das Tiptel hat eine Notruftaste auf der Rückseite, die fünf vordefinierte Nummern anruft. Von den Dimensionen her und mit dem Gewicht von 96 Gramm ähnelt es dem Konkurrenten, wobei die Verarbeitung etwas schlechter wirkt. Auffällig ist, dass der Markenname sehr viel dezenter erscheint und somit das Handy nicht gleich als Seniorenmodell zu erkennen ist.
Die Bedienung ist ähnlich wie beim Emporia: Große Tasten und ein großes Schriftbild erleichtern den Alltag, wobei die Tasten solider sind und klarere Druckpunkte haben. Allerdings bietet Emporia mehr direkte Zugriffe, zum Beispiel auf drei häufig genutzte Nummern. Auch die Taschenlampe fehlt dem Tiptel – dafür lässt sich seine VGA-Kamera als Lupe nutzen.
Amplicomms PowerTel M6500
Das PowerTel M6500 der Audioline-Marke Amplicomms ist ein Vertreter der vielen Senioren-Handys in klassischer Bartype-Bauweise. Mit 79,90 Euro ist es günstig. Es liegt gut in der Hand und wirkt solide, aber durch billiges Plastik weniger hochwertig als die Konkurrenten mit Klappe.
Auch hier gibt es große Tasten, die klare Druckpunkte haben, und eine recht große Darstellung im Display, die sich aber leider nicht auf alle Elemente wie zum Beispiel den Kalender erstreckt. Die sonst übliche Notruftaste wurde durch einen Schalter ersetzt, der in der „An"-Position so lange Anrufe tätigt, bis jemand erreicht wird oder der Akku leer ist. Eine Ortung ist aber mangels GPS nicht möglich.
Ohnehin ist die Ausstattung die schwächste in dem Quartett: Das Dualband-Handy hat keinen Datenbeschleuniger und auch keine Kamera. Dafür ist es mit Abstand am lautesten: Der Lautsprecher erreicht bei Klingeltönen 85 dB, rund ein Viertel mehr als etwa ein iPhone. Gut sind auch die Einstellung des Klanges nach Hoch- und Tieftönen, was Menschen mit Hörproblemen entgegenkommt, und eine Ansage von gewählten Telefonnummern.
Das trägt zu dem Eindruck bei, dass dieses Produkt dem klassischen Senioren-Handy noch am ehesten nahekommt.
Zusammenfassung
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