Handy-Giganten aus China 17.11.2011, 13:08 Uhr

Im Jahr des Drachen

Die chinesischen Hersteller Huawei und ZTE blasen auf dem europäischen Handy-Markt zur Attacke. Wenn alles läuft wie geplant, könnte ihnen 2012 der große Durchbruch gelingen.
Vom Hasen zum Drachen, so sieht der chinesische Kalender den Jahreswechsel von 2011 auf 2012. Der Drache symbolisiert dabei die Veränderung, und darin könnte man auch ein Omen für die Offensive der chinesischen Hersteller auf dem internationalen Handy- und Smartphone-Markt erblicken. Schon seit einigen Jahren kommt die Mehrzahl der weltweit verkauften Mobiltelefone aus dem Reich der Mitte, vor allem, weil große Namen wie Nokia, Sony Ericsson und Apple dort von Auftragsfirmen ihre Geräte fertigen lassen. Diese sogenannten OEMs (Original Equipment Manufacturers), wie der iPhone-Hersteller Foxconn oder Arima, bleiben selbst inkognito und geraten höchstens mal wie Foxconn in die Schlagzeilen, wenn es Probleme mit den Arbeitsbedingungen in den Fabriken gibt.
Allerdings gibt es in China bisher noch kaum international bekannte Brands, eine der wenigen Ausnahmen ist der PC-Riese Lenovo. Doch das soll sich bald ändern, denn mit Huawei und ZTE bewerben sich zwei Telekommunikationsfirmen sehr selbstbewusst um die Rolle des industriellen Aushängeschilds einer Nation, die an die Spitze der Weltwirtschaft strebt. Dieses Jahr haben beide Firmen bereits Europa ins Visier genommen und erste Erfolge auf dem Markt für Handys, Smartphones und Tablets verbuchen können. 2012 könnte nach Meinung vieler Analysten auch auf dem schwierigen deutschen Markt der Durchbruch gelingen.

Huawei und ZTE sind im Kommen

Denn obwohl Huawei und auch ZTE in der Markenbekanntheit weit abgeschlagen zurückliegen und kaum ein Käufer von ihnen gehört haben dürfte, startet das Duo nicht bei null. Beide Firmen verfügen über jahrelange Erfahrung, was die Technik für Mobilfunknetzwerke angeht, und können als Lieferanten auf erstklassige Kontakte zu den europäischen Netzbetreibern bauen. Zudem haben sie als OEM-Anbieter Netzbetreiber wie Vodafone, die Telekom oder E-Plus bereits mit Geräten beliefert. Ein aktuelles Beispiel für diese Lieferbeziehungen sind die Lutea-Smartphones und das Tablet der E-Plus-Marke Base, die von ZTE kommen. Auch viele der günstigeren Prepaid-Geräte bei Vodafone stammen von den beiden Herstellern aus China.
Wie groß ZTE bereits im Handy-Business ist, zeigen die Marktzahlen: Im zweiten Quartal 2011 errang man dort mit 16,6 Millionen Geräten immerhin Platz fünf auf dem Weltmarkt und rangierte deutlich vor Traditionsanbietern wie Motorola oder Sony Ericsson. Für das gesamte Jahr wird ein Absatz von 80 Millionen Mobiltelefonen angepeilt, davon sollen 12 Millionen Smartphones sein. Deren Anteil soll weiter steigen, etwa indem man Produkte sowohl für Android wie auch für Windows Phone entwickelt. In Deutschland kooperiert ZTE intensiv mit dem Carrier E-Plus.

Huawei

Nicht ganz so hoch wie bei ZTE fällt der Anteil von Huawei am Handy-Markt aus. Doch auch dieses Unternehmen, das bei Netzwerken sowie Datenmodems für den Mobilfunk führend ist, baut sein Endkundengeschäft aus und rangiert bereits unter den weltweiten „Top Ten“. Ziel für das Jahr 2011 sind rund 60 Millionen verkaufte Geräte. Vor allem über ein reizvolles Preis-Leistungs-Verhältnis will sich Huawei mit Smartphones wie dem Ideos X5 oder Tablets wie dem MediaPad in Deutschland etablieren. „Wir sind aber kein Niedrigpreisanbieter“, betont Lars-Christian Weisswange, der das Handy-Geschäft der Chinesen in Westeuropa verantwortet. Dennoch wählte man das Smartphone Ideos X3, das unter anderem bei Fonic und Lidl zum Kampfpreis von 99 Euro angeboten wird, für die Deutschland-Premiere der Marke und hat dieses offenbar auch gut verkauft. Inzwischen hat Huawei eine ganze Reihe von Modellen angekündigt, die zum Teil auch höhere Preissegmente erschließen sollen.
Für Beobachter besonders spannend ist die Frage, ob sich Huawei und ZTE ganz ohne den „Kenn ich“-Effekt bei Europas Handy-Kunden durchsetzen können, mit einem niedrigen Kaufpreis als einzigem Türöffner. Das Erfolgsbeispiel des Smartphone-Spezialisten HTC aus Taiwan, der innerhalb weniger Jahre aus dem Nichts eine positiv besetzte Marke etablieren konnte, dürfte beiden Newcomern aus Fernost Mut machen. Allerdings würde so ein Senkrechtstart eine konsequente Strategie und eine gelungene Modellpolitik voraussetzen.

Know-how aus China

Technisch beherrschen die Chinesen den Bau von Handys und Smartphones mit aktuellen Komponenten zweifellos. Zudem sind sie in der Lage, in puncto Kosten mit jedem anderen Hersteller mitzuhalten – wenn nicht gar ihn deutlich zu unterbieten. Die Löhne sind in China noch immer niedrig und es gibt ein großes Potenzial an Arbeitskräften.
Doch vor allem Design und Vermarktung waren in der Vergangenheit hohe Hürden für chinesische Unternehmen, die teilweise einfach nur Erfolgsmuster aus dem Westen kopierten. Um das zu ändern, werden in diesen Bereichen zunehmend lokale Kräfte angeheuert und auch die optische Gestaltung der Produkte erfolgt weitgehend in externen Designstudios. Die neuen Geräte wie das Huawei-Tablet präsentieren sich entsprechend hochwertig und durchaus gefällig.
Huawei und ZTE sind wohl die aussichtsreichsten Kandidaten aus China; sie verfügen auch über die Ressourcen, eine breite Marktpräsenz zu erreichen und die schwierige Anfangsphase zu überstehen. Ein weiterer Player mit einer recht kleinen Präsenz auf dem deutschen Markt ist TCT Mobile mit seiner Marke Alcatel, der zum Elektronikkozern TCL gehört. Eine Rolle im Smartphone-Geschäft könnte zukünftig der PC-Gigant Lenovo spielen, der in China bereits ein Gerät verkauft. Durch den Kauf des deutschen Computeranbieters Medion stärkt Lenovo seine Präsenz hierzulande und könnte die Palette ausweiten.
Während Lenovo in der chinesischen Hauptstadt Beijing beheimatet ist, haben Huawei und ZTE ihren Firmensitz in Shenzhen: Die dynamische Metropole im Perlflussdelta entstand erst Ende der 70er-Jahre als günstiger Produktionsstandort an der Grenze zu Hongkong und hat heute mehr als zehn Millionen Einwohner. Der viertwichtigste Wirtschaftsstandort Chinas hat das höchste Durchschnittseinkommen des Landes und einen der größten Häfen der Welt. Unter den dortigen Werktätigen sind immer mehr und besser geschulte Ingenieure, die Chinas Firmen technologisch vorantreiben: Mit diesem Potenzial setzt der Drache zu seinem nächsten Sprung an.




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