Test Apple iPhone 4S
20.10.2011, 17:53 Uhr
Mehr als nur Sprüche
Mit einer neuartigen Sprachsteuerung und einer verbesserten Kamera tritt das neue iPhone 4S gegen die Smartphone-Konkurrenz an. Wie es sich dabei schlägt, zeigt unser Test.
So viele Apple-Fans haben es erwartet, doch das iPhone 5 im neuen Design ist noch immer nicht erschienen. Stattdessen gibt es jetzt mit dem 4S eine aufgepeppte Version in der Hülle des aktuellen Modells. So groß konnte die Enttäuschung aber nicht gewesen sein, denn am ersten Tag bildeten sich wieder lange Schlangen vor den Apple-Stores. Laut Hersteller wurden am ersten Wochenende über vier Millionen Geräte verkauft, mehr als doppelt so viele wie beim Vorgänger im gleichen Zeitraum. Doch lohnt sich der Umstieg vom „Vierer“ auf die neue S-Klasse wirklich?
Denn zunächst ist diese nicht günstig: Apple verlangt wie beim Vorgänger 629 Euro für die kleine Version mit 16 GB, 739 Euro für 32 GB und 849 Euro für das neue Topmodell, das 64 GB hat. Zumindest ist das 4S in der Theorie breit verfügbar, unter anderem bei den Netzbetreibern Telekom, Vodafone oder Telefónica Germany. Dort gibt es auch Pakete mit Verträgen, die den Kaufpreis reduzieren. Allerdings berichten Händler bereits von Lieferengpässen.
Wegen der Optik wird kaum ein Apple-Fan umsteigen: Denn die minimalen Unterschiede an der diesmal von Anfang an in weiß oder schwarz lieferbaren Hülle erschließen sich nur im direkten Vergleich. So liegen die seitlichen Knöpfe um Bruchteile von Millimetern versetzt und der Stummschalter ist einen Millimeter nach unten gewandert, was bei manch altem Zubehör Probleme bereiten könnte.
Der Metallrahmen besteht nun aus vier statt drei Teilen. Das hat wahrscheinlich mit der Empfangsproblematik des iPhone 4 zu tun – beim neuen Modell konnten wir eine Verbesserung feststellen. Apple erklärt, dass der Empfang dank zweier Antennen optimiert wurde. Zudem funkt das neue iPhone als erstes Gerät auch in CDMA-Netzen, die in Asien und Nordamerika häufig vorhanden sind. Allerdings gibt es erste Berichte von Anwendern, die mit ihren Micro-SIM-Karten beim Wechsel der Geräte Probleme haben. Das Abschalten der PIN-Abfrage soll aber Abhilfe schaffen.
Immer noch schwer
Ansonsten hat sich das Gehäuse nicht verändert, auch das Gewicht von 140 Gramm ist fast gleich geblieben. Auch am Display hat Apple alles beim Alten gelassen, was angesichts der hohen Auflösung und des schnell ansprechen Touchscreens auch gut ist. Neu ist dagegen das Herz der S-Klasse, denn der A5-Dualcore-Prozessor bringt die doppelte Rechenleistung. Dank eines ebenfalls mit zwei Kernen versehenen Grafikchips verspricht der Hersteller sogar eine bis zu siebenmal höhere Grafikleistung als bisher. Einige Spiele, die wir ausprobieren konnten, sahen selbst bei komplexen grafischen Elementen wie Schatten tatsächlich sehr gut aus. Hier sind nun die App-Entwickler gefragt, Programme zu erstellen, die diese Möglichkeiten ausschöpfen.
Bei der Arbeit mit dem iPhone 4S sind ebenfalls keine Verzögerungen vorhanden, allerdings gehörte auch schon der Vorgänger nicht gerade zu den langsamen Smartphones, so dass die Unterschiede kaum wahrnehmbar sind.
Sichtbar wird der Temporausch allerdings in diesem Bereich: Die neue Kamera hat nicht nur mit acht statt fünf Megapixel eine höhere Auflösung, sie arbeitet auch deutlich schneller. Der Knipser hat kaum noch Auslöseverzögerung und kann Bilder im Sekundenabstand schießen. Das Aufrufen der Kamera erfolgt in wenigen Sekunden jetzt auch aus dem Sperrbildschirm per Doppelklick auf die Menütaste und ein neues Icon. Verbessert hat Apple auch die Stabilisatoren und vor allem den Lichtsensor, so dass die Bilder richtig gut aussehen und das iPhone durchaus eine einfache Digicam ersetzen kann. Neu ist auch die Möglichkeit, den Zoom per Finger auf dem Display einzustellen und so auf bestimmte Breiche zu lenken, die scharf erscheinen sollen.
Eine weitere Funktion erlaubt das sofortige Bearbeiten der Fotos, etwa indem rote Augen automatisch korrigiert werden. Videos sind jetzt zudem mit der hohen 1.080p-Auflösung möglich. Dank eines Bildstabilisators erscheinen sie viel weniger verwackelt als bei anderen Smartphones, sodass Apple sich auch hier ganz vorne platzieren kann.
Sprich mit ?Siri?
Die größte Neuheit ist aber wohl „Siri“: Die Spracherkennung ist ein erster Schritt zur kompletten Steuerung des Smartphones per Sprache. Im Moment ist diese – auf Deutsch – auf die Interaktion mit einigen Apps wie dem Kalender oder dem Telefonbuch beschränkt. So kann der Anwender etwa mit einem langen Druck auf die Menütaste und den Worten „Morgen früh um 9 Uhr Termin mit Klaus“ einen Termin in den Kalender eintragen. Siri sucht automatisch in den Kontakten nach „Klaus“ und fragt vor dem Eintrag, ob alles korrekt ist.
Die Frage „Wie wird das Wetter morgen in Berlin?“ wird mit dem Aufruf der entsprechenden Website beantwortet. Das Einstellen des Weckers oder das Anwählen eines Musiktitels vom Player geht mit Siri zum Beispiel viel schneller als über die Menüs. Vor allem in der englischen Version merkt man den Programmierern auch ihren Spaß an, etwa, wenn Siri nach dem Sinn des Lebens gefragt wird.
Es funktioniert aber nicht alles, zumal Apples Behauptung, der Anwender könne einfach Alltagssprache verwenden, in der Realität öfter für Rückfragen oder Missverständnisse sorgt. Auch die Diktierfunktion für Nachrichten oder Kalendernotizen lässt bei der Umsetzung von Sprache in Text noch zu wünschen übrig.
Zunächst ist Siri nur in Englisch, Deutsch oder Französisch verfügbar und arbeitet nur mit einer beschränkten Zahl an vorinstallierten Apps. So funktioniert die Navigation zum Beispiel noch nicht. Apple könnte die Funktionen später aber auch Fremdentwicklern freigeben, was ganz neue Möglichkeiten erschließen würde. Und schließlich braucht Siri eine Netzanbindung, was gerade im Ausland für heftige Roaming-Gebühren sorgen könnte. Doch insgesamt ist Siri sehr innovativ und die Möglichkeiten werden sich wohl mit weiteren Optimierungen erst richtig erschließen, zum Beispiel bei der Sprachsteuerung des Telefons im Auto.
Damit gibt es durchaus interessante Neuigkeiten beim iPhone 4S. Sie rechtfertigen nicht unbedingt den Umstieg vom „Vierer“, machen das Produkt aber für Neukäufer attraktiver.
Das geht mit iOS 5
Das iPhone 4S nutzt iOS 5, die neue Version des Apple-Betriebssystems. Kostenlos updatebar sind auch iPads, iPhones ab 3GS und der iPod touch ab der 3. Generation. Durch das Update stehen laut Apple über 200 neue Funktionen zur Verfügung. Besonders hervorzuheben ist der neue „iCloud“-Dienst, mit dem sich Musik, Apps, Bücher, Fotos, Kalendereinträge, E-Mails, Kontakte und Dokumente über das Internet synchronisieren lassen. Dies funktioniert auf Apple- und Windows-Geräten, wobei auch gängige Programme wie Outlook unterstützt werden.
Apple stellt 5 GB Speicherplatz „in der Cloud“ kostenlos zur Verfügung, mehr Speicher ist gegen eine Gebühr von 16 bis 80 Euro pro Jahr erhältlich. Auch die Aktivierung und Konfiguration der mobilen Apple-Geräte gelingt jetzt völlig ohne stationären PC oder Mac. Eine weitere Neuerung ist die Mitteilungszentrale. Ähnlich wie beim Google-Betriebssystem Android zeigt sie nach einem Wisch von oben nach unten beispielsweise Termine, entgangene Anrufe, den Wetterbericht oder Börsenkurse an.