?Totgesagte leben länger?

Interview mit Freenet-Chef Christoph Vilanek: ?Totgesagte leben länger?

Telecom Handel: Aber er bekäme alles aus einer Hand und hätte einen Ansprechpartner …
Vilanek: Was heißt das denn? Ich persönlich mag die Abhängigkeit von einem Anbieter nicht. Ich verhalte mich auch als Manager im Unternehmen so. Wenn es beispielsweise einmal Ärger mit der Mobilfunkabrechnung gibt und dann bedingt durch das Bündelprodukt vielleicht auch gleich der Breitbandanschluss gesperrt wird, frustriert das den Kunden deutlich mehr als im getrennten Verkauf. Im Übrigen wäre ich als Händler immer gegen Verbundprodukte.
Telecom Handel: Aber diese versprechen immerhin eine höhere Marge ...
Vilanek: Der vermeintliche Effekt, dass ich einmal mehr Geld bekomme, kannibalisiert sich dadurch, dass der Kunde zweimal kommt. Und die Bündelprovision ist zudem typischerweise schlechter als die Kombination von zwei Einzelprovisionen.
Telecom Handel: Der Handel hat es derzeit sowieso nicht leicht. Tendenziell gehen die Provisionen nach unten, zudem ist der Markt gesättigt. Wie soll ein kleiner Fachhändler da überleben?
Vilanek: Unsere Generation ist aufgewachsen mit der These, dass der Tante-Emma-Laden stirbt. Aber in den letzten zehn Jahren werden es wieder mehr. Es gibt plötzlich wieder Obstläden, es gibt Gemüseläden. Es gibt den, der spanische Produkte hat, und den, der italienische Waren verkauft. Es wird nicht der überleben, der am größten ist, sondern derjenige, der sich am besten den Gegebenheiten anpasst. Es gibt Händler, die das können, und das sind auch die, die nach wie vor im Mobilfunk Geld verdienen. Wir müssen ganz realistisch sein: Vom Wachstum werden nur die profitieren, die sich schnell weiterentwickeln und verändern.
Telecom Handel: Aber wie muss ein Händler Ihrer Meinung nach agieren, um zu den ‚Überlebenden‘ zu gehören?
Vilanek: Ich glaube, dass wir alle – und damit meine ich den Handel ebenso wie uns als Provider – gefordert sind, mehr zu begeistern als zu verkaufen. Das alte Wort, dass man Nutzen vorführt und nicht irgendeine Eigenschaft, gewinnt an Bedeutung. Voice-Kommunikation ist ja relativ naheliegend, aber bei allem anderen – ob es eine SMS ist, ob es die Nutzung von Musik und Bildern auf den Geräten ist, ob es die Verwendung von Datendiensten ist – müssen wir mehr erklären, da müssen wir mehr beibringen. Nur so lassen sich Wachstum und Kundentreue erreichen.
Telecom Handel: Wie könnte das konkret aussehen?
Vilanek: Ich habe mich kürzlich mit einem Geschäftskundenhändler unterhalten, der mir sagte, dass er noch nie ein Gerät für einen Euro verkauft hätte. Auf meine Frage, wie er das macht, hat er gesagt: Er erklärt den Leuten das Gerät und zeigt ihnen, was es kann. Er hat meinen BlackBerry genommen und mir auf Anhieb fünf Funktionen gezeigt, die ich noch nicht kannte. Da war ich total fasziniert. Als klassischer Kunde würde ich immer wieder zu diesem Händler gehen. Da tritt plötzlich die Preiswahrnehmung völlig in den Hintergrund. Das ist die Chance des Handels, und das ist unsere Chance. Aber es gibt natürlich noch andere Möglichkeiten, den Kunden für sich zu gewinnen.




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