Interview mit LG-Handy-Chef Hancke 23.08.2010, 11:17 Uhr

"Wir brauchen neue Tarife!"

LG will sich verstärkt auf das boomende Smartphone-Geschäft konzentrieren und fordert günstigere Datentarife zur schnellen Erschließung des Massenmarktes. Telecom Handel sprach dazu mit Sascha Hancke, der das deutsche Handy-Geschäft beim Elektronikriesen verantwortet.
Der koreanische Elektronikriese LG war auf dem deutschen Markt im vergangenen Jahr vor allem mit Prepaid- und Einsteigermodellen erfolgreich. Jetzt soll auch das Geschäft mit Smartphones angekurbelt werden. Telecom Handel sprach darüber mit Sascha Hancke, der das deutsche Handy-Geschäft leitet.
Telecom Handel: Smartphones boomen – doch den Trend hat LG sehr spät erkannt...
Sascha Hancke: In Deutschland haben wir die Bedürfnisse des Marktes nicht rechtzeitig erkannt, da wir mit unserem bisherigen Produktportfolio sehr erfolgreich waren. In Asien und den USA sieht das anders aus, hier waren wir viel früher im Smartphone-Geschäft dabei. Die Anpassung unserer Strategie benötigt nun etwas Zeit, bis sie am Markt auch greift.
Telecom Handel: Wo liegen denn die Probleme bei diesem Geschäft?
Hancke: Ein Problem sind relativ hochpreisige Datentarife, welche jedoch auch eine starke Hardware-Subvention umfassen. Unser Android-Gerät GT540 kostet 249 Euro – mit einer Subvention ist es für einen Euro erhältlich. Diesen Euro zahlt der Kunde aber auch für ein Modell, das sonst 100 Euro mehr kostet und mehr Features bietet. Da wird sich der Kunde nicht unbedingt für unser Produkt entscheiden. Hier gibt es für uns zwei Auswege: Zum einen höherwertiger positionierte Produkte mit besonderen Features, welche wir im vierten Quartal auf den Markt einführen werden. Andererseits hoffen wir auf attraktivere Tarife.
Telecom Handel: Teure Tarife hemmen generell die Verbreitung von Smartphones?
Hancke: Unser GT540 könnten wir als subventioniertes Modell auch zu einem günstigen 30-Euro-Tarif anstatt zu einem 50-Euro-Tarif anbieten. Dadurch würden Smartphones für eine komplett neue Zielgruppe attraktiv. Damit sich Smartphones im Massenmarkt durchsetzen können, brauchen wir neue Tarife.
Telecom Handel: Bedeutet der Wechsel zu Smartphones einen grundsätzlichen Strategiewechsel von LG in Deutschland?
Hancke: Wir haben uns aus dem unteren Segment relativ stark zurückgezogen, weil der Preisverfall in der ersten Jahreshälfte sehr hoch war. Das hat uns drei Prozent Marktanteil gekostet. Im Midrange- und Handset-only-Bereich bleiben wir offensiv, denn das ist unsere bekannte Stärke – und diese werden wir sicher nicht aufgeben, auch nicht in dem nun noch stärker umkämpften Umfeld.

Eigenes Betriebssystem von LG kein Thema

Telecom Handel: Ist ein eigenes Betriebssystem ein Thema für LG?
Hancke: Wir glauben nicht, dass sich ein eigenes Betriebssystem jetzt noch erfolgreich am Markt etablieren lässt. Wir sehen eher eine Dreiteilung des Marktes für mobile Betriebssysteme: Apple, Android und Windows Phone. Wir investieren massiv in Android und holen dort gerade viel verlorene Zeit auf. Bei der nächsten Android-Version werden wir zu den Ersten gehören. Der Anteil dieses Betriebssystems nimmt stark zu und aus unserer heutigen Sicht liegt hier die Zukunft.
Telecom Handel: LG setzt daneben aber auch noch auf Microsoft…
Hancke: Wir werden zusammen mit zwei anderen Anbietern Ende Oktober einer der Launch-Partner sein. Windows Phone 7 wird aufgrund der Hardware-Anforderungen vorerst kein Massengeschäft sein. Betrachtet man die Spezifikationen für das neue Windows Phone, so erkennt man, dass es kaum möglich ist, ein Handy für unter 500 Euro zu bauen. Das ist der große Unterschied zu Android, für das jetzt schon Handys ab 149 Euro machbar sind.
Telecom Handel: Welche Rolle spielt das iPhone für den Markt?
Hancke: Viel wird davon abhängen, ob das exklusive Vertriebsmodell mit den hohen Preisen bestehen bleibt. Wenn dieses wegfällt, könnte ein Preiskampf einsetzen.
Telecom Handel: Welche technischen Highlights sind von LG zu erwarten?
Hancke: Es wird im nächsten Jahr – voraussichtlich im ersten Quartal – Handys mit 3D-Darstellung und einer 3D-Kamera von uns geben, die ohne Brille benutzbar sind. Das wird ein spannendes Thema, bei dem wir technologisch einen Vorsprung nutzen können, weil wir hier auf unser fundiertes Know-how im TV-Bereich zurückgreifen können. Weiterhin wird es von LG einen Online-Shop für Filme und Spiele für Android-Phones geben – hier sehen wir eine Lücke im aktuellen Angebot des Market Place.
Telecom Handel: Spielt denn das Thema TV-Handys für den DVB-T-Pionier LG noch eine Rolle?
Hancke: Das erste Handy HB620T hat sich in Deutschland nicht den Erwartungen entsprechend verkauft. Bei der Displaygröße und den Akkulaufzeiten gab es noch Verbesserungsbedarf. Zur diesjährigen WM haben wir über dieses Thema noch einmal intensiv nachgedacht und uns gegen ein neues Produkt entschieden. Die Risiken waren für uns einfach zu groß.

Zusatzgeschäft für TK-Händler: 3D-TV

Telecom Handel: Wie sehen Sie die Preisentwicklung im Hardware-Geschäft?
Hancke: Im mittleren und oberen Segment ist sie noch relativ stabil. Im unteren Segment verbessert sich die Lage langsam wieder. Jedoch müssen wir gegen aggressive Konkurrenten mit einem starken Brand kämpfen, die nun ganz neue Preispunkte setzen. Hier entsteht die Gefahr einer Preisspirale.
Telecom Handel: Muss LG dann weg vom einem gewissen Billig-Image?
Hancke: Wir arbeiten aktiv an einer veränderten Wahrnehmung unseres Brands. Unser Ziel ist es, dass der Verbraucher LG als Marke wahrnimmt, die für innovative Produkte von hoher Qualität steht. Im Moment spielt der Preis noch eine sehr große Rolle bei einer Entscheidung für LG. Der nächste Schritt ist jedoch, in den Köpfen der Verkäufer am PoS zu verankern, dass wir überhaupt Smartphones anbieten.
Telecom Handel: Stichwort PoS: Wie sollten sich Fachhändler Ihrer Meinung nach für die Zukunft rüsten?
Hancke: Händler sollten auf ein zusätzliches Thema wie TV setzen, gerade jetzt, wo 3D stark kommt. Der Händler muss ja nicht gleich eine Wand mit vielen Geräten aufstellen, er kann das Thema auch mit wenigen Fokusprodukten darstellen. Heimvernetzung und Storage sind weitere wichtige Gebiete, die sich lohnen können. Wer heute nur TK-Produkte im Portfolio hat, wird es nicht einfach haben, denn das Wachstum ist bei den Verträgen vorbei.
Telecom Handel: Steigt auch der Druck auf die Distributoren?
Hancke: Ich komme ja aus dem IT-Bereich, dort gab es in den 80er-Jahren die große Party mit Traummargen und dann folgte der Kater. Das wiederholt sich im TK-Bereich, wo die Margen kleiner werden und die Konkurrenz immer härter wird.

"Discount-Markt wächst dramatisch"

Telecom Handel: Aktionen, etwa bei Discountern, gab es in der Vergangenheit auch von LG…
Hancke: Wenn wir eine Aktion beim Discounter umsetzen, wollen wir die Händler in die Lage versetzen, gleichzuziehen. Das gelang uns in der Vergangenheit leider nicht immer. Es ist zudem schwer, alle Warenflüsse im internationalen Markt zu kontrollieren. Das ist jedoch ein generelles Problem der Branche. Es gibt ja scheinbar auch den einen oder anderen, der seine Marktanteile über Export in die Höhe treibt.
Telecom Handel: Werden denn immer mehr Geräte ohne Vertrag verkauft?
Hancke: Bei den Netzbetreibern gibt es sicher zurzeit noch kein stark steigendes Geschäft dieser Art. Aber der Discount-Markt wächst dramatisch – und wir müssen da auch mitmachen, um unseren Marktanteil zu halten. Im Bereich unter 100 Euro werden die Verkäufe über Discounter einen zweistelligen Prozentanteil des Marktes erreichen.
Telecom Handel: Wie eingeschränkt ist die Subventionierung inzwischen?
Hancke: Es gibt jetzt unter anderem Hardware-ohne-Vertrag-Angebote der Netzbetreiber in der Preisklasse um 100 Euro, denn sie wollen und müssen wieder mehr Kunden in ihre Shops bringen – die mangelnde Frequenz ist für alle ein großes Problem. Mit Blick auf die Subventionierung schwanken die Investments quartalsweise je nach Marktlage und akquirierter Kundenqualität, mit interessanter Spreizung beispielsweise bei den Datentarifen. Einen klaren Abwärtstrend sehen wir hier nicht, insbesondere wegen der starken Zunahme von Smartphone-Absätzen.




Das könnte Sie auch interessieren