Fehlerhafte Provisionsabrechnungen 31.05.2010, 15:00 Uhr

Jede Menge Geld versenkt

Nur wenige Händler kontrollieren regelmäßig ihre Provisionsabrechnungen, viele Reseller kritisieren zugleich fehlende Transparenz bei den Zahlungen. Lesen Sie hier, wie der Channel zu seinem Recht kommt.
Einmal fehlt der Hardware-Bonus, dann die Basisprovision, und dann wird nach einem Jahr eine Abrechnung storniert – ohne einen nachvollziehbaren Grund“, sichtlich erbost zählt Ralf Knopp die häufigsten Fehler bei seinen Provisionsabrechnungen auf. Pro SIM-Karte nehme die Überprüfung der Abrechnung im Schnitt fünf bis zehn Minuten in Anspruch, so der Geschäftsführer der Knopp Kommunikationssysteme GmbH in Schöndorf-Lonzenburg in Rheinland-Pfalz weiter. „Bisher haben wir alle Reklamationen zu unserer Zufriedenheit regeln können, der zeitliche Aufwand steht dabei aber in keinerlei Relation“, ärgert er sich.
Dass sich der Aufwand dennoch lohnt, rechnet Alexander Bänfer vor. Er betreibt einen TK-Shop, Teleprofi Nord, in Schleswig-Holstein. Jeden Monat reklamiert er fehlerhafte Provisionen, die in der Summe zwischen 1.000 und 2.000 Euro ausmachen, er mahnt zwischen fünf und zehn Prozent der Provisionsabrechnungen an. „Aus betriebswirtschaftlicher Sicht ist die Kontrolle unumgänglich“, erklärt er.
Doch auch er fragt sich, wie diese Fehler zustande kommen. Zumal es vorkomme, dass in einigen Fällen ein Geschäftsvorfall auf bis zu acht Abrechnungen verteilt werde – teilweise dauere es eineinhalb Jahre, bis ein Vorgang zum Abschluss käme. „Demnach bearbeiten wir noch heute Provisionsforderungen aus den Anfangsmonaten des vergangenen Jahres, die noch immer nicht geklärt sind“, moniert Bänfer.
Telecom Handel hat nachgefragt, wie es zu dieser Häufung von Problemen bei den Provisionsabrechnungen kommen kann. Rainer Büter, Leiter BU Mobilfunk Dienste und Festnetz beim Distributor Eno Telecom, nennt einige Gründe. Dazu gehören unter anderem Aufträge, die durch den Monatswechsel in den Folgemonat fallen, nachträgliche Korrekturen an dem freigeschalteten Auftrag oder aber IMEI-Nachmeldungen. Mit der International Mobile Station Equipment Identity, einer 15-stelligen Seriennummer, kann jedes GSM- oder UMTS-Endgerät eindeutig identifiziert werden. Händler kritisieren zudem nicht nachvollziehbare Stornos.

Fehlerhafte Provisionsabrechnungen: Jede Menge Geld versenkt

Ein Beispiel: Ein Kunde, der am PoS einen DSL-Vertrag unterzeichnet und anschließend beim Carrier anfragt, um sich nach dem Freischalt-Termin zu erkundigen, wird danach als direkter Kunde des Carriers gelistet, der Händler verliert die Abschlussprovision. Außerdem: „Gerade in Zeiten der Umstellung von Tarifen und Optionen treten höhere Fehlerquoten auf“, berichtet Frank Lüttjohann, Vorstand Vertrieb Handel bei der Brodos AG.
Zwar sei das Verfahren weitgehend automatisiert, Distributoren übernehmen die Originaldaten der Netzbetreiber und stellen diese dem Händler zur Verfügung. „Doch natürlich kommt es auch bei den Distributoren aufgrund der Masse der zu pflegenden Daten in Einzelfällen einmal vor, dass ein Fehler gemacht wird“, räumt Lüttjohann ein. Wenn dies der Fall ist, dann heißt es schnell reagieren.
Drei Jahre Zeit für Reklamationen
Denn die Distributoren und auch die Carrier setzen unterschiedliche Fristen für die Reklamationen an. Bei Herweck beträgt diese beispielsweise offiziell nur 14 Tage. „Da wir täglich abrechnen, sollte dies kein Problem sein“, begründet Vertriebsleiter Hans-Jürgen Witfeld die Vorgabe des Distributors aus Kirkel. Außerdem müsse sich Herweck auch an den Regelungen der Netzbetreiber orientieren, so Witfeld weiter. Diese sind allerdings deutlich großzügiger angesetzt: Vodafone räumt seinen Händlern beispielsweise eine Frist von drei Monaten ein. Erhebt der Händler bis dahin keine Einwände gegen eine Abrechnung, so gilt sie als anerkannt.
Telefónica O2 Germany akzeptiert Reklamationen rückwirkend für einen Zeitraum von bis zu drei Jahren, und die Telekom gibt an, sich an die gesetzlichen Regelungen zu halten. Mit Ausnahme von E-Plus, wo man bei der Anfrage der Redaktion auf die Distributoren verwies, haben alle Netzbetreiber angegeben, dass ältere Fälle nicht grundsätzlich abgelehnt würden.

Fehlerhafte Provisionsabrechnungen: Jede Menge Geld versenkt

Telecom Handel hat bei der Münchner Kanzlei Dr. Bistritzki, Brügel & Partner nachgehakt, was der Gesetzgeber in diesem Fall vorsieht. „Es gibt keine gesetzlichen Fristen, innerhalb derer Reklamationen von Provisionsabrechnungen vorgetragen werden müssen. Etwaige vertraglich vereinbarte Fristen wären unwirksam“, erklärt Wolfgang P. Brügel und stützt sich dabei auf § 87c Absatz 5 HGB.
Und was heißt das für den Handel? „Für etwaige Nachzahlungsansprüche aus ungenügenden Provisionsansprüchen gilt lediglich die allgemeine Verjährungsfrist nach § 195 des Bürgerlichen Gesetzbuches. Diese beträgt drei Jahre und beginnt mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Vermittler von den dem Anspruch genügenden Umständen wie zum Beispiel einem Fehler in der Abrechnung Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erlangen müssen“, so Brügel weiter.
Anders formuliert: Fristen von 14 Tagen oder drei Monaten sind unwirksam. Auf Nachfrage der Redaktion erklärte Herweck im Übrigen, natürlich halte man sich an die gesetzliche Vorgabe von drei Jahren, allerdings wolle man mit der zweiwöchigen Frist die Händler animieren, die Abrechnungen möglichst schnell zu prüfen.

Fehlerhafte Provisionsabrechnungen: Jede Menge Geld versenkt

In der Tat sind Händler gut beraten, Provisionsabrechnungen so schnell wie möglich unter die Lupe zu nehmen, denn je länger ein Abschluss zurückliegt, desto schwieriger kann es sein, seine Ansprüche an den Distributor oder Carrier zu belegen. Erschwerend kommt hinzu: Wegen der Datenschutzskandale in den vergangenen Jahren haben einige Netzbetreiber ihre Händler aufgefordert, Kundendaten nach Vertragsabschluss zu löschen. Eine Kontrolle der Provisionsabrechnungen ist damit letztlich unmöglich, so die Kritik aus dem Channel.
Hier gibt es allerdings einen relativ einfachen Trick – der zudem vollkommen legal ist: Händler sollten bei Vertragsabschluss ihren Kunden eine Datennutzungserklärung zur Unterschrift vorlegen. „Damit schlagen sie zwei Fliegen mit einer Klappe“, erklärt Herweck-Vertriebsleiter Witfeld. Denn so haben sie einerseits die Möglichkeit, ihre Provisionen ordentlich zu überprüfen und bei Reklamationen alles entsprechend dokumentiert – zudem sichern sie sich damit die Möglichkeit, auch Vertragsverlängerungen anzubieten.
Und wenn gar nichts mehr hilft und weder der Distributor noch der Carrier auf die Reklamationen reagieren? Dann gibt es noch immer den in § 87c Absatz 2 HGB festgelegten Anspruch auf Erteilung eines sogenannten Buchauszuges.
Letzte Chance: Buchauszug
Dieser gibt dem Händler die Möglichkeit, seine Provisionsabrechnungen zu überprüfen und so über die ihm zustehenden Provisionen Klarheit zu gewinnen. „Ein Buchauszug muss eine aus sich selbst heraus verständliche Übersicht sämtlicher Geschäfte darstellen, die für die Provisionsabrechnung maßgeblich sein können“, erklärt Anwalt Brügel. Wichtig dabei ist: Der Antrag muss beim Vertragspartner, also dem Distributor oder dem Netzbetreiber, eingereicht werden. Laut Brügel müssen Händler ihre Forderung auf Erteilung eines Buchauszuges zudem nicht begründen.
Distributoren oder Netzbetreiber wiederum können das Erstellen eines Buchauszuges nicht einfach verweigern, beispielsweise indem sie auf die damit verbundenen Kosten verweisen. Darüber hinaus haben Händler nach § 84c
Absatz 3 HGB einen umfassenden Auskunftsanspruch und können gemäß § 84c Absatz 4 HGB bei Verweigerung des Buchauszuges oder dem Bestehen begründeter Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Abrechnung oder des Buchauszuges verlangen, dass einem Wirtschaftsprüfer oder einem vereidigten Buchsachverständigen Einsicht in die Unterlagen
gewährt wird, um die Ansprüche des Händlers zu überprüfen.
Allerdings: Der Antrag auf einen Buchauszug sollte wirklich nur das letzte Mittel sein, um seine Forderungen geltend zu machen, denn ist dieser einmal gestellt, so ist das Verhältnis zum Partner – in vielen Fällen – zumindest angeknackst.

Interview mit Alexander Bänfer, Inhaber des TK-Shops Teleprofi Nord in Eutin

Alexander Bänfer, Inhaber des TK-Shops Teleprofi Nord in Eutin (Schleswig Holstein) prüft jeden Monat seine Provisionsabrechnungen.
Telecom Handel: Herr Bänfer, die Kontrolle der Provisionsabrechnungen ist aufwendig, kostet Zeit und Geld. Warum nehmen Sie dennoch die Mühe auf sich?
Alexander Bänfer: Weil es aus betriebswirtschaftlicher Sicht unabdingbar ist. Bei uns betragen die Nachforderungen im Durchschnitt zwischen 1.000 und 2.000 Euro pro Monat, diese Summe kann man nicht einfach ignorieren.
Einige Netzbetreiber verlangen seit geraumer Zeit von ihren Händlern, Kundendaten zu löschen. Welche Auswirkung hat das auf Ihre Provisionskontrollen?
Bänfer: Ja, das ist ein großes Problem für den Handel, das uns die Kontrolle der Provisionen deutlich erschwert. Das ist aber nicht das einzige Problem.
Was kommt noch dazu?
Bänfer: Schwierig ist auch die Kontrolle von Airtime-Provisionen. Wir haben keinen Zugriff auf die Telefonrechnungen der Kunden, das macht eine Überprüfung schlicht unmöglich.
Welche Konsequenzen hat das für Sie als unabhängiger Händler?
Bänfer: Uns macht vor allem die mangelnde Planungssicherheit Sorgen. Es geht ja nicht allein um fehlerhafte Provisionsabrechnungen, viele Händler haben auch Zielvereinbarungen mit ihren Distributoren oder direkt mit den Carriern. Stimmen die Provisionsabrechnungen nicht, kann es sein, dass ein Händler auch seine Ziele nicht erreicht und damit doppelt Geld – beispielsweise Zielprovisionen – verliert.
Was raten Sie Ihren Kollegen, was sollten Händler vor diesem Hintergrund unbedingt beachten?
Bänfer: Der größte Fehler, den ein Händler machen kann, ist, die Provisionen nicht zu kontrollieren. Auch wenn der Aufwand beträchtlich ist, ist er doch auf jeden Fall die Mühe wert.