Online-Handel 12.10.2012, 14:16 Uhr

Kaum gedacht, schon gebracht

Express-Lieferungen am selben Tag verändern den E-Commerce nachhaltig - der Druck auf den stationären Handel nimmt zu.
Online-Handel: Kaum gedacht, schon gebracht
(Quelle: DHL)
Morgens bestellt, abends geliefert“ – das könnte das Motto für den Internet-Handel der nächsten Generation sein.
Mit dem Stichwort „Same Day Delivery“ hat in den vergangenen Wochen die Auktionsplattform Ebay für Aufsehen gesorgt. Ausgewählte Beta-Tester können im Großraum San Francisco über die Smartphone-App „Ebay Now“ Produkte von Händlern, die auf dem zu Ebay gehörenden lokalen Vergleichsportal Milo.com gelistet sind, bestellen und erhalten diese idealerweise innerhalb einer Stunde zugestellt. Zu den Teilnehmern des Pilotversuchs zählen US-Retailer wie Best Buy, Macy’s oder Toys ’R’ US.
Ob und wann Ebay den Piloten ausweitet und ob es diesen Service auch in Deutschland geben wird, ist bislang noch offen. Stattdessen bietet Amazon hierzulande bereits heute einen Lieferservice am selben Tag an, allerdings nur in den Ballungsräumen. Mit dem Service „Evening-Express“ können Kunden morgens Ware bestellen und der E-Tailer sichert die Lieferung noch am selben Tag zwischen 17 und 21 Uhr zu. Beispiele, die Schule machen werden?  

Verhaltene Akzeptanz in Deutschland

 „Bislang ist die Nachfrage in Deutschland noch sehr verhalten“, erklärt Siebo Woydt, stellvertretender Leiter der Unit Payment & Risikomanagement der Fachgruppe E-Commerce im Bundesverband Digitale Wirtschaft (BVDW). Er glaubt allerdings, dass Same Day Delivery ein fester Bestandteil im E-Commerce werden wird. „Langsamer zwar als in den USA, aber in fünf Jahren ist die Lieferung am selben Tag eine feste Option bei vielen Online-Shops.“
Grund für diese Entwicklung ist vor allem die Bequemlichkeit der Kunden, die für den Einkauf ihre Wohnung möglichst nicht verlassen möchten – und keine Lust haben, auf das gekaufte Produkt lange zu warten. Voraussetzung ist allerdings, dass sie bereit sind, für diesen Service einen Aufpreis zu bezahlen. Bei Amazon kostet der Evening-Express für Prime-Mitglieder fünf Euro pro Bestellung, alle anderen Kunden zahlen einen Aufpreis von 13 Euro.
Beim Piloten von Ebay werden fünf US-Dollar fällig. Woydt glaubt deshalb, dass nur eine bestimmte Klientel diesen Service nutzen wird: „Großes Potenzial sehe ich bei technikaffinen Kunden, die ein großes Interesse an Lifestyle-Produkten haben.“ Deshalb ist er sicher, dass der Service auch beim Verkauf von Smartphones und Tablets eine gewichtige Rolle spielen wird. „Smartphones sind heute längst Lifestyle-Produkte, und bei den hochpreisigen Geräten fällt ein Aufpreis von fünf Euro nicht mehr sonderlich ins Gewicht“, erklärt er.

Neue Aufgaben für die Logistik

Doch um diese Services anbieten zu können, muss gegebenenfalls in die Logistik investiert werden. Telecom Handel sprach deshalb mit Gunnar Amedick, Head of Logistic Engineering & SCM bei Also Actebis.
„Der aktuelle Bedarf nach Express-Lieferungen am selben Tag ist gering“, sagt er. Dieser konzentriert sich im Wesentlichen auf dringend benötigte Ware, die zum Beispiel für Installationen vor Ort gebraucht wird. Solche Sendungen werden in der Regel per Kurier ausgeliefert. Same Day Deliverys im Standardprozess abzuwickeln wäre bei Also Actebis durchaus denkbar.
„Die Durchlaufzeit innerhalb des Logistikzentrums beträgt bei kleineren Bestellungen rund eineinhalb Stunden“, so Amedick. Diese Sendungen durch Kurier-Express-Paket-Dienstleister (KEP) am gleichen Tag auszuliefern ist vermutlich mit deren standardisierten Verteilnetzen nicht zu erfüllen. Eine Zustellung dürfte maximal über einen Umschlagpunkt ausgeliefert werden und müsste am frühen Nachmittag dem KEP-Dienstleister übergeben werden.
Daraus resultiert eine zusätzliche Bearbeitungslinie, und so werden Aufpreise zustande kommen, die Amedick als größte Hürde für standardisierte Express-Lieferungen am selben Tag betrachtet. Sollte sich Same Day Delivery durchsetzen, wird dies weitreichende Folgen für den stationären Handel haben: „Bieten E-Tailer die Lieferung am selben Tag an, so ist der stationäre Handel im Nachteil“, erklärt Woydt. Denn vor allem die ungeduldigen Kunden könnten häufiger Ware online kaufen, statt in den Shop zu gehen. Umso wichtiger sei es deshalb, bereits heute auf Multichannel-Konzepte zu setzen, damit Kunden online die Verfügbarkeit der Ware prüfen können und dann die Produkte an die Haustür bekommen oder abends in der Filiale abholen.