Bitkom-Umfrage 24.09.2019, 13:29 Uhr

Digitalisierung stellt Einzelhandel vor große Herausforderungen

Der Einzelhandel steht unter Druck - und muss sich mitunter neu erfinden, um mittelfristig zu überleben. Große Chancen bietet die Digitalisierung: Doch neue Services etablieren sich nur langsam - und Mitarbeiter mit digitalen Fachkenntnissen sind schwer zu finden.
(Quelle: PopTika/Shutterstock)
Der boomende Online-Handel und große Einkaufszentren außerhalb der Städte machen dem Einzelhandel in Deutschland zu schaffen. Dieser sieht sieht sich mit großen Herausforderungen konfrontiert – und die Digitalisierung ist eine der größten.
Mehr als 7 von 10 deutschen Handelsunternehmen (73 Prozent) halten sich beim Thema Digitalisierung für Nachzügler und nur 23 Prozent für Vorreiter und Gestalter, hat nun eine Umfrage des Branchenverbands Bitkom unter 504 stationär und online tätigen Groß- und Einzelhändlern in Deutschland ergeben. 65 Prozent der Unternehmen gaben demnach an, dass die Digitalisierung generell eine große Herausforderung für sie sei. Und 71 Prozent haben große Probleme, Mitarbeiter mit digitalen Fachkenntnissen zu finden. Immerhin sehen - trotz aller Herausforderungen - 72 Prozent der Händler in der Digitalisierung grundsätzlich eine Chance für ihr Unternehmen.
„Die Digitalisierung verändert nicht nur die Handelslandschaft massiv, sie verändert auch die Bedürfnisse der Verbraucher. Jeder kann mit seinem Smartphone einkaufen was er will, wann er will und wo er will – und sich die Waren kostenlos nach Hause liefern lassen. Der Handel muss sich auf diese Bedürfnisse einstellen. Doch das gelingt noch nicht allen“, sagt Bitkom-Präsident Achim Berg. Und weiter: „Es geht nicht nur darum, neue Services anzubieten, sondern vor allem darum, dem Kunden den Einkauf auf möglichst vielen Kanälen zu ermöglichen. Die Grenzen zwischen Online und Offline verschwinden im Handel zusehends, E-Commerce, Mobile-Commerce und mittlerweile auch Voice-Commerce erweitern das traditionelle Geschäftsmodell. Das gilt für sämtliche Bereiche von Kleidung über Elektronik bis hin zu Lebensmitteln.“

Jedes vierte Unternehmen handelt ausschließlich offline


66 Prozent der Handelsunternehmen verkaufen ihre Produkte sowohl stationär als auch online. 25 Prozent verkaufen ausschließlich stationär und 6 Prozent ausschließlich im Internet. Diejenigen Händler, die auch online verkaufen, erzielen damit erhebliche Umsätze: So geben 4 von 10 Unternehmen (41 Prozent) an, 30 bis 50 Prozent des Gesamtumsatzes stamme aus dem Internetgeschäft, 37 Prozent generieren so 10 bis 30 Prozent ihres Umsatzes und immerhin 8 Prozent der befragten Unternehmen erwirtschaften mehr als die Hälfte ihres Umsatzes online. Berg: „Wer nicht online ist, verpasst nicht nur den Anschluss – er verzichtet auch auf zusätzliche Einnahmen.“
Fast jedes Handelsunternehmen hat heute eine eigene Website (98 Prozent). Jedes dritte (35 Prozent) macht bei Verkaufsplattformen wie Amazon oder Ebay auf sich aufmerksam, jedes vierte (26 Prozent) hat eine Präsenz in sozialen Netzwerken wie Facebook, Instagram oder Twitter. 13 Prozent verfügen über einen Eintrag auf Bewertungsplattformen, mit Influencern arbeiten dagegen nur sehr wenige Händler (1 Prozent) zusammen.

Schneller Versand wird zum Standard

Bei den Services im Online-Handel ist vor allem der schnelle Versand weit verbreitet: Mehr als jede zweite Handelsunternehmen (56 Prozent), das im Netz Geschäfte macht, bietet einen Versand am gleichen Tag an, 17 Prozent sogar innerhalb von einer oder zwei Stunden. Click & Collect, also das Abholen einer Online-Bestellung in einer Filiale, ist bei 53 Prozent der Händler verfügbar. Um den Kunden ein möglichst genaues Bild der Produkte zu vermitteln, setzt jeder Zehnte (12 Prozent) auf Bilder und Bewertungen anderer Käufer. 7 Prozent tun dies bereits mit Hilfe von Augmented Reality oder Big Data. Jeder fünfte Händler (19 Prozent) gibt an, den Einsatz dieser Technologien in der nächsten Zeit zu planen oder zumindest intern zu diskutieren.
Im stationären Einzelhandel wiederum ist das bargeldlose Bezahlen mit Karte mit 98 Prozent fast überall möglich. 7 von 10 Geschäften (70 Prozent) bieten außerdem WLAN für die Kunden an. 22 Prozent haben eine App mit einem Bonusprogramm, weitere 20 Prozent informieren über Tablet-PCs in ihrem Laden über Produkte und Sonderangebote. Kaum verbreitet sind hingegen Virtual-Reality-Brillen (1 Prozent). Allerdings planen oder diskutieren 4 Prozent deren Anschaffung, 3 Prozent der stationären Händler denken außerdem über die Einführung von Service-Robotern nach.

45 Prozent der Unternehmen wollen 2019 mehr in Digitalisierung investieren

Online wie offline wollen viele Handelsunternehmen außerdem weiter in die Digitalisierung investieren: 19 Prozent sagen, die Investitionen in diesem Bereich werden 2019 im Vergleich zu 2018 stark zunehmen. 26 Prozent sagen, die Investitionen nehmen eher zu. Nur 8 Prozent investieren weniger, bei 42 Prozent bleibt die Summe 2019 gleich hoch wie im Vorjahr.
„Umso mehr Wege die Händler nutzen, ihre Kunden anzusprechen und umso bessere Services sie anbieten, desto eher können sie auf dem umkämpften Markt bestehen – das gilt für den Online-Handel ebenso wie für Ladengeschäfte“, sagt Berg. So sind auch 62 Prozent aller befragten Händler der Meinung, der Handel in den Innenstädten müsse sich neu erfinden. 81 Prozent sind sich sicher, dass On- und Offline-Handel miteinander verschmelzen werden. 86 Prozent befürchten jedoch auch, dass die Digitalisierung insgesamt das Händlersterben beschleunigen wird. „Umso wichtiger ist nun, dass die Unternehmen kreativ werden und auf die veränderten Kundenbedürfnisse reagieren“, so Berg.

Handel sucht Fachkräfte mit Digitalkompetenz

Viele Unternehmen wollen für die Digitalisierung neue Mitarbeiter einstellen, wie aus der Umfrage weiter hervorgeht. Konkret wollen 28 Prozent ihren IT-Bereich in den kommenden fünf Jahren personell aufstocken, 21 Prozent stellen im Verkauf und 10 Prozent im Bereich Logistik neu ein. In der Verwaltung sind am ehesten Einschnitte zu erwarten: 19 Prozent der Unternehmen sagen, hier bis 2024 Mitarbeiter entlassen zu wollen.
Das Hauptproblem: 71 Prozent der Unternehmen sagen, sie hätten große Probleme, Mitarbeiter mit digitalen Fachkenntnissen zu finden - dieses wird als noch größere Herausforderung wahrgenommen als die Digitalisierung an sich (65 Prozent). Schwierigkeiten bereiten ebenfalls die Suche nach Fachkräften und Mitarbeitern mit nicht-digitalen Kompetenzen (59 Prozent), die steigenden Ausgaben für die Miete (53 Prozent) oder die Konkurrenz durch andere Wettbewerber (29 Prozent).
Abschreckend wirken für viele die Datenschutzvorgaben. 98 Prozent sagen, der Aufwand hierfür sei der größte Nachteil, den die Digitalisierung mit sich bringe. 86 Prozent der Unternehmen bemängeln außerdem hohe Investitionskosten, 64 Prozent befürchten den Verlust des persönlichen Kontakts zum Kunden.

Die Kasse ist ein Auslaufmodell

In die Zukunft schaut der Handel jedoch insgesamt optimistisch, und er sieht zahlreiche Innovationen kommen: So glauben 19 Prozent, dass im Jahr 2030 Verkaufsroboter durch Geschäfte führen werden. 39 Prozent halten dann Warenlieferungen per Drohne für verbreitet und jeder Zweite (50 Prozent) geht davon aus, dass Geschäfte 24 Stunden am Tag, sieben Tage pro Woche geöffnet haben.
Fast 8 von 10 Händlern (77 Prozent) sehen den Abschied von der Kasse gekommen: Sie gehen davon aus, dass das Bezahlen in vielen Geschäften automatisch abläuft. „Die Händler sehen, dass ihnen die Digitalisierung enorme Chancen bietet“, bilanziert Berg. „Digitale Technologien und Lösungen gibt es nicht nur für den E-Commerce – sie können auch klassische, traditionelle Geschäfte beleben und ihnen den Weg in eine erfolgreiche Zukunft ebnen.“




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