Ladengeschäfte 27.04.2020, 10:00 Uhr

Kreative Konzepte von Händlern zur Wiedereröffnung

Die meisten Händler haben die Wiedereröffnung der Shops herbeigesehnt. Nun geht es darum, Mitarbeiter und Kunden zu schützen – und wieder Umsatz zu machen.
(Quelle: Fonland)
Ein wenig war sie noch zu spüren, die antrainierte Zurückhaltung der Kunden. Wochenlang musste man sich beim Einkaufen auf Brot, Milch, Eier und –  mit etwas Glück – ein paar Rollen Toilettenpapier beschränken, und dennoch fiel der Start in die neue Shopping-Freiheit nach der Wiedereröffnung der meisten Nonfood-Läden weitgehend zurückhaltend aus. „Ein ruhiger Tag“ sei der vergangene Montag gewesen, resümiert etwa „Landfunker“ Harald Schuster, und auch anderswo war die Bude noch nicht voll.
Quelle: TH
Zum Glück, möchte man sagen, denn genau das darf sie ja sowieso nicht mehr sein. Alle Landesregierungen haben den Shop-Inhabern die Ausarbeitung eines Hygiene- oder Infektionsschutzkonzepts wegen der Corona-Krise zur Auflage gemacht – und vorgeschrieben, dass sich nur eine bestimmte Zahl von Personen im Laden aufhalten darf, abhängig von der Größe des Geschäfts. In Bayern, wo die Shops erst am heutigen Montag wieder öffnen dürfen und meist besonders scharfe Regeln gelten, wird ein Kunde pro 20 Quadratmeter Verkaufsfläche zugelassen, andernorts reichen schon auch einmal ein paar Quadratmeter weniger. Für kleine Läden kann dies bedeuten, dass nur ein Kunde eintreten darf, während weitere Interessenten vor der Tür stehen – was insbesondere bei Regenwetter natürlich keinen Spaß macht.
So mancher Fachhändler war zuletzt ­intensiv damit beschäftigt, den Shop entsprechend auf Vordermann zu bringen. Telecom Handel hat hierzu rund 70 Fachhändler befragt: Ausnahmslos alle Geschäftsführer wollen zukünftig besonders darauf achten, dass sich Kunden und Mitarbeiter nicht zu nahe kommen und auch ein sicherer Abstand zwischen den Kunden eingehalten wird. 76 Prozent haben hierfür Abstandsmarkierungen am Boden vorgenommen, weitere 15 Prozent gaben an, darüber nachzudenken. Einen Spender mit Desinfektionsmittel stellen immerhin 71 Prozent auf, weitere 19 Prozent erwägen, dies zu tun. Und einen „Spuckschutz“ für den Beratungstisch oder Verkaufstresen haben 61 Prozent der Befragten fest vorgesehen, für 21 Prozent ist dies zumindest eine Option.
Einbahnstraße: Bei EP Brettschneider wird der Laufweg im Shop mit Hilfe eines Seils vorgegeben
Quelle: Brettschneider
Auch das Thema Mundschutz ist dem Handel wichtig, doch hat ihn die Entwicklung – zumindest seit der Befragung – überholt. Eigentlich hatte nur jeder zweite Händler fest vorgesehen, seine Mitarbeiter zum Tragen eines Mundschutzes zu verpflichten – mittlerweile hat die Politik die Gesichtsmaske jedoch verpflichtend eingeführt. Dass ein Mundschutz übrigens nicht nach Klinik aussehen muss, sondern den Kunden sogar ein Lächeln ins Gesicht zaubern kann, zeigt etwa das Beispiel von Fonland mit Masken mit aufgedrucktem Bart.
Gewiefte Händler können aber einige Ideen der Netzbetreiber zum Thema Infektionsschutz umsetzen. So achtet Vodafone etwa darauf, dass die Mitarbeiter den Beraterplatz nicht wechseln, Kunden den Kugelschreiber nach der Unterschrift mitnehmen und ein Gehwegreiter am Eingang über die maximal mögliche Kundenzahl im Shop informiert. Auch gibt es in den Vodafone-Shops keine Ausstellungs- und Vorführgeräte mehr.

Umstellungen im Betrieb

Quelle: TH
Während die Hygienemaßnahmen noch relativ einfach umzusetzen sind – immerhin unterstützen hierbei auch die meisten Distributoren (siehe Seite 8) –, stellt sich für viele auch die Frage nach einer eventuellen Neuausrichtung des Verkaufs. Thomas Fimpel, Inhaber von Telepoint in Ludwigsburg, setzt sein Personal beispielsweise zukünftig im Zwei-Schicht-Betrieb ein. Auch Robert Gatnar von eb24 in Dortmund passt die Einsatzzeiten der Mitarbeiter an, um eine durchgehende und längere Erreichbarkeit zu gewährleisten. Und: Der Kundenempfang erfolgt nur noch einzeln und bevorzugt auf Termin. Randy Nickel vom Optimal-Store in Dillingen hingegen platziert Zubehör nicht mehr als SB-Ware – auch bei diesem Sortiment wird man nun immer von ­einem Mitarbeiter bedient.
Laut Telecom Handel-Umfrage machten 36 Prozent der Fachhändler in den vergangenen Wochen so gut wie keinen Umsatz und weitere 39 Prozent haben mehr als die Hälfte des üblichen Umsatzes eingebüßt. Das verwundert nicht, jedoch: ­Einige Fachhändler geben an, dass die erzwungene Auszeit zwar ein finanzieller Schaden, letztlich jedoch dennoch ein Gewinn fürs Geschäft war. So etwa Randy Nickel. Er sagt: „In der Wirtschaft, der Gesellschaft und in der Psyche werden irreparable Schäden bleiben, die uns noch lange beschäftigen werden. Dennoch werte ich es als absolut positiv, dass wir alle gezwungen waren, innovativ zu werden.“ Ein anderer Händler spricht in diesem Zusammenhang von einem „absoluten Produk­tivitätsruck“, den der Rückzug ins Homeoffice für ihn und seine Mannschaft mit sich gebracht habe.
„Virenfreie Zone“ im Mobile-Shop Weyhe von Aetka-Partner Fabian Both
Quelle: Aetka
Corona als erzwungener Impulsgeber für den TK-Fachhandel? Tatsächlich haben viele Händler auf die Schnelle diverse Maßnahmen getroffen, um ihr Überleben zu sichern, und das durchaus mit Erfolg. So berichten etwa 39 Prozent der befragten Fachhändler, dass sie – zum Teil auch ohne eigenen Web-Shop – ihren Online-Umsatz steigern konnten. Auf der anderen Seite haben 36 Prozent der Händler gar nicht erst versucht, das Internet entsprechend für sich zu nutzen. 29 Prozent geben an, dass sich ein verstärkter Kundenangang via Telefon positiv ausgewirkt hätte, und 24 Prozent berichten von Erfolgen durch Social-Media-Aktionen. Zwölf Prozent der Befragten haben von vermehrten Installationen und Services finanziell profitiert.

Mehr Erfolg mit B2B

Quelle: TH
Entscheidend war auch, auf welches Produktsegment man sich in den letzten Wochen fokussiert hat. So berichten Händler von deutlichen Steigerungen bei Festnetz-Upgrades, Routern, Notebooks, Webcams und Headsets, während Zubehör kaum nachgefragt wurde. Wer im B2B-Segment unterwegs ist, konnte ebenfalls profitieren. Bei immerhin 21 Prozent aller befragten Händler (darunter sind auch reine B2C-Reseller) hat eine Ausweitung des B2B-Geschäfts zu mehr Umsatz in diesem Segment geführt.
Harald Schuster hat schon Konsequenzen für sein Ladengeschäft gezogen: „Es hat sich gezeigt, dass meine Kunden den Heimservice lieben, und das wird zu drastischen Änderungen führen.“ Künftig soll der Laden nur noch als Anlaufstelle dienen. „Beratungen werden auf Shop, Telefon und Wohnung des Kunden verteilt und finden künftig ausschließlich auf Terminbasis statt“, so der Landfunker. Stefan Maus von WI-communication Maus zieht aus der Corona-Krise hingegen den Schluss, den E-Commerce zu forcieren. „Ich habe mein Geschäft während der Shop-Schließung stark auf den Online-Handel umgeswitcht, wodurch ich deutschlandweit ­einige Kunden gewonnen habe. Das werde ich in den nächsten Wochen weiter ausbauen“, so Maus. Und Thomas Fimpel ergänzt: „Wir sprechen seit Jahren von Digitalisierung sowie der Verzahnung von Online und Offline. Man sollte zumindest einen Teil seines Umsatzes auf alternativen Wegen erwirtschaften können. Wer Ideen hat, übersteht solche Krisen.“
Quelle: TH
Positiv vermerkt haben mehrere Händler den Zusammenhalt in den vergangegen Wochen. „Die Händlerschaft ist ohne Konkurrenzdenken zusammengewachsen. Jeder hatte einen Tipp für den anderen, und wir waren absolut kollegial“, freut sich Aydin Kütük von Audio Kom in Horb. Wenn dies so bleibt, wäre das sicherlich für alle ein Gewinn – denn so schnell wird die volle Normalität nicht zurückkehren. „Wir werden noch mindestens sechs bis zwölf Monate akute Auswirkungen haben“, glaubt Robert Gatnar, denn noch hätten ja erst zwei Prozent der Deutschen das Virus überwunden. Er hofft auf eine langfristige Unterstützung seitens des Staates: Die Politik müsse nun echte Maßnahmen ergreifen, etwa durch Zuschüsse im Bereich der Digitalisierung, damit in den nächsten 24 Monaten die Mehrheit der Händler nicht in Konkurs geht.

Weitere Händlerstimmen

Die von der Distribution verteilten Social-Media-Vorlagen waren allesamt unbrauchbar, weil psychologisch völlig falsch ausgerichtet. Wir haben alle Maßnahmen selbst geplant und durchgeführt, der Erfolg in Facebook gibt uns Recht. Zur Ladenöffnung: In den letzten gut vier Wochen haben wir viel dazugelernt, indem wir unsere Kunden befragt haben. Ergebnis: Kunden lieben Heimservice! Das wird zu drastischen Änderungen im Umgang miteinander führen. Künftig ist der Laden einfach besetzt und dient als Anlaufstelle, die Beratungen werden auf Shop, Telefon und die Wohnung des Kunden verteilt und finden künftig ausschließlich auf Terminbasis statt. 
Harald Schuster, Der Landfunk 

Eine Unterstützung durch unsere Distributoren war kaum vorhanden. Etwas beratend, aber oft waren wir schon schneller. Die Politik war oft nicht nachvollziehbar und regional teilweise sehr unpräzise, was die Beschlüsse anging. Die staatliche Hilfe jedoch kam zumindest bei uns im Saarland schnell und unbürokratisch. Auch das Thema Kurzarbeit hat erstaunlich gut geklappt, auch wenn noch keine Gelder geflossen sind. Alles in Allem herrschten viel Panik, wenig gesicherte Erkenntnis und große Zukunftssorgen in der Zeit des Lockdowns. Ich erwarte auch nicht, dass wir schnell zur vollen Normalität zurückkehren. Es werden in der Wirtschaft, in der Gesellschaft und in der Psyche irreparable Schäden bleiben, die uns noch die nächsten Jahre beschäftigen werden. Positiv: Wir waren alle gezwungen innovativ zu werden. Mal sehen, was davon im Alltag in Zukunft übrig bleibt. 
Randy Nickel, Optimal-Store 

„Die jetzige Lockerung 
empfinde ich als einen Fehler. Nur etwa zwei Prozent haben das Corona-Virus in Deutschland überwunden, 98 Prozent fehlen nochWir können die Mindestabstände im Shop niemals einhalten. Die Leute werden sauer vorbeigehen, wenn die Tür zu bleiben muss oder der Kunde draußen lange warten muss. Jetzt in den Normalzustand überzugehen wird uns alle in eine noch größere Krise bringen. Es wird deutlich schwerer, alle wieder zum Stay@Home zu bewegen, wenn die Epidemie wieder Fahrt aufnimmt, als es jetzt noch dabei zu belassen. Wir werden noch mindestens sechs bis zwölf Monate akute Auswirkungen haben. Die Entwicklung eines Medikaments dauert ohne Testphase mindestens 18 Monate, normalerweise mehrere Jahre. Die Politik muss echte Maßnahmen ergreifen, damit die Mehrheit der Händler in den nächsten 24 Monaten nicht Konkurs geht.“ 
Robert Gatnar, eb24 

Mich nervt das Gejammer. Wir befinden uns alle in einer Ausnahmesituation für vier Wochen. Wer es nicht schafft, vier Wochen ohne fremde Hilfe zu überleben, hat in den letzten Jahren einiges falsch gemacht. Wir sprechen seit Jahren von Digitalisierung und der Verzahnung von Online und OfflineMan sollte zumindest einen Teil des Umsatzes auf alternativen Wegen erwirtschaften können. Viele positive Beispiele wurden in den Medien gezeigt. Wer Ideen hat und für seinen Job lebt und kämpft, übersteht die Krise. Wenn es zwei bis drei Monate dauern sollte, wird es im stationären Handel sehr eng. Die Distribution ist auch ins kalte Wasser geworfen worden und stand am Anfang ohne Plan da. Dann kamen die Informationen und Online-Seminare. Jetzt kommen viele neue Ideen, auch zur Wiedereröffnung. Danke dafür! Die Distributoren können mehr als nur Pakete versenden. Tief enttäuscht haben mich die ganzen lokalen Portale, bei denen ich mich angemeldet habe. Bis jetzt hat sich noch kein Neukunde über diese Portale gewinnen lassen. 
Thomas FimpelTelePoint 

Unterstützung in einer Sache, die keiner vorher kannte, ist natürlich sehr schwer. Aber da waren wir mit unserem Distributor ganz zufrieden. Bevor ein Impfstoff gefunden ist, wird es keine Normalität geben. Alle müssen nun füreinander da sein. Die Krise zeigt ganz deutlich auf, dass die Kleinen, die Unterbezahlten, die Karre aus dem Dreck ziehen müssen und den Motor am Laufen lassen.“ 
Herbert Jordan, ONE telecom Frankenberg 

Wir hoffen, dass durch die Ladenöffnung langsam wieder Normalität eintritt. Jedoch wird dies wohl ohne Impfstoff in nächster Zeit nicht passieren, da die Angst vor Ansteckung zu groß ist. Von der Industrie und vom Netzbetreiber wünschen wir uns weiterhin die größtmögliche Unterstützung. Denn nur durch Solidarität und Zusammenhalt lässt sich die Krise mit geringstmöglichen Schaden überstehen. 
Hassan Hamdaoui, All4Mobiles 

Wir sind der Überzeugung, dass durch den Shutdown viele unserer Kunden entweder wegbleiben werden, weil Sie sich anderweitig eingedeckt haben, oder sehr zögerlich wieder bei uns eintreffen werden. Es wird seine Zeit brauchen, bis wir das Niveau von davor erreicht haben werden. Die Netzbetreiber haben Ihr Bestes getan, um uns Händler zu unterstützen. Von der Politik hätten wir uns allerdings schnellere Reaktionszeiten gewünscht und keine Panikmacherei. 
Aydin Kütük, Audio Kom




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