HDE-Interview
11.08.2021, 10:28 Uhr
Keine Chance mehr für Händler ohne kontaktloses Zahlen
Die Corona-Krise beschleunigt M-Payment und kontaktlose Kartenzahlungen. Ulrich Binnebößel, der Zahlungsverkehrsexperte beim Handelsverband Deutschland (HDE), spricht im Exklusiv-Interview über die aktuellen Trends.
Ulrich Binnebößel ist beim Handelsverband Deutschland in Berlin Experte für die Themen rund um die Bezahlung am PoS und Logistik
(Quelle: HDE)
von Silvia Flier
Ulrich Binnebößel, der Zahlungsverkehrsexperte beim Handelsverband Deutschland (HDE), spricht im Exklusiv-Interview über die Trends beim Payment in Pandemie-Zeiten, Karte und Kontaktlos als die klaren Krisengewinner, Hygienefragen und das zunehmende Bezahlen per Smartphone am PoS.
Telecom Handel: Corona hat unser Leben komplett verändert. Auch die Art, wie wir bezahlen?
Ulrich Binnebößel: Und wie! Schon das vergangene Jahr hat gezeigt, dass Kunden viel, viel häufiger zur Karte greifen. Selbst eingefleischte Bargeld-Fans sind auf Plastikgeld umgestiegen. Wir sehen eine massive, nie dagewesene Veränderung – weg von Cash hin zur Karte. Und das innerhalb eines einzigen Jahres. Zuvor war das ein langsamer, schleichender Prozess.
TH: Die Karte als Krisengewinner. Wie kommt das?
Binnebößel: Ausschlaggebend ist hier der Hygienefaktor – die Menschen denken jetzt in Hygiene. Das erklärt auch den enormen Anstieg kontaktloser Transaktionen, also Transaktionen durch das Heranhalten der Karte an das Bezahlterminal des Händlers. Allein das Wort ‚kontaktlos‘ ist fast schon sinnbildlich für eine Situation, in der es darum geht, Kontakte zu vermeiden oder einzuschränken.
TH: Das allein kann aber doch nicht alles sein …
Binnebößel: Hinzu kommt die offensive Aufforderung von Händlern, die ihre Läden weiter geöffnet hatten – Supermärkte, Baumärkte, Drogerien: ‚Bitte bezahlen Sie per Karte beziehungsweise kontaktlos – aus hygienischen Gründen.‘ Und das in einem Barzahlerland wie Deutschland, in dem es bisher immer hieß ‚Nur Bares ist Wahres‘ oder ‚Cash is King‘, in dem manche Geschäfte überhaupt keine Karten akzeptierten oder einen Mindesteinkaufsbetrag für Kartenzahlung verlangten. Auf einmal ging die ‚Erziehung des Kunden‘ komplett in die andere Richtung – das gelernte Verhalten war obsolet.
TH: Ist das Bargeld denn nun vom Aussterben bedroht?
Binnebößel: So weit würde ich nicht gehen. Aber der Gebrauch nimmt definitiv ab. Und ja, letztlich muss man die Frage stellen, ob ein System wie der Bargeldkreislauf irgendwann kippen kann. Denn auch die Kosten für den Umgang mit Bargeld steigen: Die Beschaffung von Wechselgeld wird immer teurer und aufwendiger, die Abgabe der Tageseinnahmen bei der Bank ebenso. ‚Bargeld lacht‘ – das war einmal.
TH: Was ist dann Ihre Empfehlung für die Telekommunikations- und Mobilfunkfachhändler?
Binnebößel: Wer heute keine Karten akzeptiert, verliert Kunden und Umsatz. Deshalb sollten Händler Scheine, Münzen und Plastikgeld als gleichwertige Bezahloptionen anbieten. Das heißt: Das Kartenterminal muss genauso prominent platziert werden wie die Kasse. Auch Mindesteinkaufsbeträge, ab denen Kartenzahlungen gestattet sind, sind kontraproduktiv, nicht mehr zeitgemäß und auch von den Gebühren her nicht mehr nötig. Das schreckt Kunden ab, und Kartenzahler fühlen sich nicht willkommen.
TH: Und dann?
Binnebößel: Wichtig ist es, den Markt zu beobachten, die eigene Kundengruppe einzuschätzen und Daten zu sammeln: Wie zahlen meine Kunden, wie wollen sie zahlen? Auch eine kleine Umfrage ist möglich. Die Kunden eines Modefilialisten zahlen sicher anders als die einer Bahnhofsbuchhandlung, die eines Gravis-Stores anders als die eines Gebrauchthandy-Shops. Wichtig ist auch, ob ich als Händler stationär, online oder auf beiden Kanälen verkaufe. Das muss ich bei der Auswahl des Zahlungsdienstleisters beachten.
TH: Lassen Sie uns noch mal über Geld sprechen. Oft ist zu hören, dass große Handelskonzerne für die Abwicklung und Autorisierung von Zahlungen viel bessere Konditionen von Banken und Payment-Providern erhalten als kleine und mittelständische Unternehmen. Was können Kleine tun?
Binnebößel: Die Masse macht’s. Wer viele Bezahlvorgänge in die Waagschale werfen kann, bekommt bessere Gebühren. Deshalb empfehle ich, mehrere Angebote einzuholen und zu vergleichen. Entweder als angeschlossener Händler über die eigene Verbundgruppe, über einen Distributor, die Hausbank oder einen Handelsverband wie den HDE. Unter www.hde-cashlesspay.de bieten wir beispielsweise einen Rahmenvertrag an. Ferner gilt es, zwischen Pauschalverträgen oder transaktionsbasierten Verträgen zu unterscheiden.
TH: Was gilt es sonst noch zu beachten, um nicht übervorteilt zu werden?
Binnebößel: Auf die Vertragslaufzeit achten! Der Markt ändert sich so stark und schnell, da ist es ratsam, nur einen 1- bis 2-Jahres-Vertrag mit einem Zahlungsdienstleister abzuschließen. Gegebenenfalls kann man dann nachverhandeln. Außerdem sollte man aufpassen, dass man ein aktuelles Kartenterminal bekommt. Die Banken haben immer wieder neue technische Anforderungen, die das Gerät erfüllen muss.
TH: Und wie bezahlen wir in Zukunft?
Binnebößel: Die klassischen Bezahlverfahren wie Bargeld, Girocard, landläufig EC-Karte genannt, sowie Kreditkarten wird es sicherlich noch eine ganze Weile geben. Aber auch mobile Bezahlvarianten per Smartphone gewinnen an Bedeutung – Apple Pay, Google Pay und Co. Das sehen wir schon heute.
Drahtlose Bezahlsysteme wie Google Pay oder Apple Pay gewinnen an Zuspruch bei den Kunden
Quelle: Google
Binnebößel: Der Bezahlprozess wird immer mehr in den Hintergrund treten, und zwar über Handy-Apps mit Online-Bezahlung – siehe Amazon Go und dessen Klone: reingehen, einkaufen, rausgehen. Auch Ansätze wie ‚Kaufe jetzt – bezahle später‘ oder Kauf auf Raten werden häufiger zu sehen sein. Alles in Echtzeit, online, stationär, kanalübergreifend, Stichwort Instant Payment. Digitale Kundenkarten mit hinterlegtem Payment werden ebenfalls mehr und mehr kommen. Bezahlen und Bonuspunkte, Payment und Mehrwerte.