Recht
31.05.2023, 09:20 Uhr
Kennzeichnen, recyceln, dokumentieren
Einige Elemente des „Green Deal“ der Europäischen Union haben deutliche Auswirkungen auf Industrie und Handel.
Dem großen Ziel, die CO2-Emissionen drastisch zu senken, muss sich auch die Elektronikbranche verpflichten.
(Quelle: Tomas Ragina/Shutterstock)
Ursula von der Leyen hat ambitionierte Ziele: Bis 2050, so der Plan der EU-Kommissionspräsidentin, soll Europa als erster Kontinent klimaneutral werden. Doch der EU-Kommission geht es um mehr als die bloße Senkung von CO2-Emissionen. Das hat auch Folgen für den TK-Handel.
Der EU Green Deal manifestiert sich für den Handel in immer neuen Gesetzen, die einschneidende Auswirkungen auf die betriebliche Praxis haben. Dabei sollte man sich von den zum Teil jahrelangen Übergangsfristen vor Inkrafttreten der neuen Richtlinien und Verordnungen nicht täuschen lassen. Auch die DSGVO trat 2018 mit zweijähriger Karenzzeit in Kraft – und überforderte dennoch Handel und Behörden.
Neue Vorgaben für Gerätebatterien
Bei der EU-Batterieverordnung könnte zumindest für die TK-Branche Ähnliches drohen. Sie soll noch in diesem Jahr verabschiedet werden und ihre volle Wirkung bis 2030 entfalten. Sie betrifft alle Hersteller und Inverkehrbringer von Batterien und Akkus sowie von Geräten, die diese enthalten. Für den TK-Handel besonders interessant sind die geplanten Vorgaben für die sogenannten Gerätebatterien.
Dies sind die wichtigsten Eckpunkte:
- Kennzeichnung: Alle Batterien müssen so gekennzeichnet werden, dass Verbraucher Informationen zu Kapazität, Performance, Lebensdauer und chemischer Zusammensetzung der Batterien erhalten. Dies soll sowohl über Labels als auch über QR-Codes möglich sein.
- Austausch: Spätestens 3,5 Jahre nach Inkrafttreten der Verordnung müssen Batterien in Elektrogeräten so gestaltet sein, dass Verbraucher sie selbstständig entfernen und wieder einsetzen können. Dies gilt auf jeden Fall für handelsübliche AA- und AAA-Primärzellen. Wie genau die Verordnung fest verbaute Akkus in Smartphones, Tablets, Wearables und anderen Geräten einstuft, ist noch offen.
- Rücknahme: Die Rücknahmequote von leichten Gerätebatterien soll von 45 Prozent im Jahr 2023 schrittweise bis auf 73 Prozent im Jahr 2030 gesteigert werden. In Deutschland wird die 2023er-Quote heute schon überschritten. Zu erwarten sind in den nächsten Jahren zusätzliche Vorgaben.
- Recycling: Die EU-Verordnung sieht bei Batterien, die Kobalt, Blei, Lithium oder Nickel enthalten, eine Mindest-Rezyklatquote vor. So muss etwa das Lithium in Lithium-Akkus in Zukunft zu mindestens sechs Prozent aus dem Recycling stammen.
Nachhaltigkeitsbericht auch für kleinere Unternehmen
Bereits ab 2025 müssen Großunternehmen einen Nachhaltigkeitsbericht gemäß der EU Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) für das Geschäftsjahr 2024 vorlegen, kleinere Unternehmen haben etwas länger Zeit. Börsennotierte KMU könnten sich sogar bis 2028 von der Berichtspflicht befreien lassen. Dennoch spricht vor allem für IT-Systemhäuser viel dafür, sich bereits heute um eine Erfassung und Dokumentation ihrer CO2-Emissionen gemäß dem GHG-Protokoll (Greenhouse Gas Protocol) zu kümmern.
Das GHG-Protokoll teilt CO2-Emissionen in drei sogenannte Scopes ein:
- Scope 1 – direkte Emissionen: Dazu zählen die Emissionen durch die Gebäudeheizung oder die Abgase des eigenen Fuhrparks.
- Scope 2 – indirekte Emissionen aus eingekaufter Energie: Das betrifft beispielsweise den Strom aus der Steckdose oder die Heizung via Fernwärme.
- Scope 3 – indirekte Emissionen innerhalb der Wertschöpfungskette: Dieser Scope umfasst die Emissionen, die zwar im Zusammenhang mit der Produktion entstehen, aber vom Unternehmen selbst nicht kontrolliert werden.
Derzeit sieht das GHG-Protokoll eine Berichtspflicht nur für Emissionen aus Scope 1 und 2 vor. Allerdings halten Umweltexperten auch die Berücksichtigung von Scope 3 für eine ganzheitliche Betrachtung der Nachhaltigkeitsbemühungen eines Unternehmens für unerlässlich.
KMU, die einen Nachhaltigkeitsbericht veröffentlichen wollen, sollten sich über die damit verbundenen Ziele im Klaren sein. So nennt eine Studie des Marktforschungsinstituts IDC aus dem Jahr 2022 die Nachfrage von Kunden als stärksten externen Treiber für Nachhaltigkeitsbemühungen. Torsten Purle, Geschäftsführer des Telekommunikationsausrüsters Ansit-com, registriert im Moment noch nicht viele Anfragen zu Nachhaltigkeit und Klimaschutz: „Wenn überhaupt, kommt das von öffentlicher Seite im Rahmen von Ausschreibungen mal vor oder von größeren Unternehmen, die ihre Lieferketten offenlegen müssen beziehungsweise im Rahmen ihrer eigenen Nachhaltigkeitsberichterstattung ihre Zulieferer befragen.“ Für die Zukunft erwartet Purle jedoch mehr Anfragen, wenn ESG-Richtlinien (Environmental, Social, Governance) bei Unternehmen verstärkt in den Fokus geraten.
EU-Lieferkettengesetz mit erweiterten Pflichten
Bereits seit Anfang 2023 in Kraft ist das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG), es soll Verletzungen der Menschenrechte und Schädigungen der Umwelt bei der Herstellung von Produkten vermeiden und gilt für alle Unternehmen mit Hauptsitz in Deutschland und mit mehr als 3.000 Beschäftigten. Ab dem 1. Januar 2024 sinkt die Grenze auf 1.000 Beschäftigte. Das LkGS formuliert konkrete Verpflichtungen, um eine nachhaltige Produktion auch bei Dienstleistern und Zulieferern sicherzustellen. Vom Gesetz betroffene Unternehmen müssen ein Risikomanagement einführen, Präventionsmaßnahmen sowohl für ihr eigenes Unternehmen als auch für Zulieferer verankern und ein Beschwerdeverfahren etablieren. Auch hier erforderlich: eine genaue Dokumentation der Maßnahmen.
Über den Rahmen des LkSG hinaus geht eine geplante Richtlinie der EU. Nach ihr werden bereits Unternehmen ab 500 Mitarbeitern und mindestens 150 Millionen Euro Jahresumsatz zum Handeln verpflichtet. Der Anforderungskatalog soll deutlich erweitert werden. So müssten betroffene Unternehmen auch auf den Erhalt der biologischen Vielfalt achten und sich in ihrer Geschäftsstrategie der Einhaltung des 1,5-Grad-Klimaziels verpflichten. In der Verantwortung sieht die EU jeweils die Geschäftsleitung der betroffenen Unternehmen, die auch verwaltungs- und zivilrechtlich haftbar gemacht werden. Nimmt man den Sanktionsrahmen des LkSG als Maßstab, können Verstöße das Management teuer zu stehen kommen.