WebRTC 04.12.2013, 09:44 Uhr

In Echtzeit über den Browser kommunizieren

Der neue WebRTC-Standard erlaubt Echtzeit-Kommunikation per Video- oder Voice-Chat direkt im Browser. Google Chrome, Mozilla Firefox und Opera Next unterstützen bereits das Open-Source-Projekt, unterdessen arbeitet aktuell eine ganze Reihe von UC-Herstellern an Lösungen auf Basis der Technologie.
Ein neues Schlagwort kursiert derzeit in der ITK-Branche: "WebRTC". Die Abkürzung steht für "Web Real Time Communication" und soll, geht es nach dem Willen der Entwickler, nichts Geringeres als die Kommunikation revolutionieren. Hinter­ dem – zugegeben etwas sperrigen Begriff – verbirgt sich die Möglichkeit, ohne Verzögerung über den Webbrowser zu kommunizieren.
Das ist zwar grundsätzlich nicht neu, mittels Flash oder zusätzlicher Browser-Plugins ist dies schon seit einigen Jahren möglich. "Aber bei WebRTC muss der Anwender nichts herunterladen, da die Kommunikation bereits Teil des Browsers ist – und darin liegt der Charme", erklärt Hans-Jürgen Jobst, Senior Product Marketing Manager bei Avaya.
Auf Basis von HTML5 und Javascript
Die Rahmenstruktur von WebRTC basiert auf HTML5-Funktionen und Javascript. "Mit dem neu eingeführten Javascript Session­ Establishment Protocol (JSEP) sind Datenverbindungen zwischen Browsern ohne weitere Software möglich", sagt Tobias Enders, Geschäftsführer der GMS Global Media Services. Konkret stellt bei einer WebRTC-Anwendung der Webserver über seine API ein Javascript-­Applet zur Verfügung, das beim Aufruf der Webseite übermittelt wird. Dieses Applet wiederum teilt dem Browser des Anwenders die erforderlichen Session-Description-Parameter mit. "Die eigentliche Signalisierung des Verbindungsaufbaus erfolgt vom Client­ über die beteiligten Webserver, der Medien­strom wiederum wird direkt zwischen den Endgeräten übermittelt", sagt Mathias Hein, Bereichsleiter Netzwerke beim Bundesverband Telekommunikation VAF.

Vielfältige Einsatzmöglichkeiten von WebRTC

Die Einsatzmöglichkeiten von WebRTC sind vielfältig, sowohl im Consumer- als auch im Business-Segment. Im Privatkundenbereich könnte WebRTC Plattformen wie Facebook, Twitter oder Xing grundlegend verändern, wenn eine direkte Kommunikation über Video und Voice stattfindet. Google+ etwa bietet bereits heute mit Hangouts eine Videochat-Funktion auf Basis von WebRTC an.
"Im B2B-Bereich wird WebRTC einen starken Einfluss auf Contact Center haben", glaubt wiederum Martin Bitzinger, VP Strategic Technology Development bei Aastra. Der Vorteil: Der Kunde kann dann über die Webseite des jeweiligen Anbieters via Audio oder Video in Kontakt treten. Auch die Anbindung von Heim­arbeitsplätzen oder Collaboration-Lösungen im Unternehmen oder mit Partnern sind mit WebRTC einfacher und vor allem günstiger zu realisieren. Allerdings gilt es, vorher noch einige Hürden zu überwinden.
Kampf der Browser-Hersteller
Denn noch befindet sich WebRTC in der Standardisierung – die zuständigen Gremien sind das World Wide Web Consortium und die Internet Engineering Task Force IETF. Wann mit einer Freigabe der Standards gerechnet werden kann, ist derzeit noch unklar. VAF-Experte Hein geht davon aus, dass vor Mitte 2014 – und wahrscheinlich sogar noch später – keine endgültigen Standards zu erwarten sind. "Bislang gibt es zudem noch keine Einigung, welche Protokolle eingesetzt werden sollen", gibt Anton Michael Döschl, Leiter Collaboration Architektur bei Cisco Deutschland, zu bedenken. Während Cisco und einige andere Anbieter H.264 bevorzugen, setzt Google eher auf VP8.
Darüber hinaus unterstützen derzeit noch nicht alle Browser die Lösung. Treibende Kraft ist Google mit Chrome; aber auch Mozillas Firefox sowie Opera Next haben sich früh zu WebRTC bekannt. Der Wettbewerber Microsoft hingegen hat mit CU-RTC (Customizable, Ubiquitous Real Time Communication)-Web einen Gegenentwurf entwickelt. Im Unterschied zu WebRTC setzt das Unternehmen dabei nicht auf eigene Codecs, sondern nutzt die bekannten MPEG- und G.7xx-Spezifikationen. "Der Einsatz klassischer Codecs wird vielen VoIP- und Video-Herstellern entgegenkommen, aber bei den Mobilfunkgeräten hat Microsoft den Markt verschlafen", sagt Hein. Die Industrie werde es sich nicht leisten können, zwei parallele Systeme zu unterstützen, "aus diesem Grund wird sich sicher die WebRTC-Variante durchsetzen", glaubt der VAF-Experte.
GMS-Geschäftsführer Enders geht deshalb davon aus, dass Microsoft über eine Schnittstelle WebRTC in Skype integrieren wird. Offen ist indes die Position von Apple,­ das Unternehmen bietet mit Safari­ ebenfalls einen Browser an, der vor allem auf den eigenen Produkten standard­mäßig installiert ist. Allerdings können Anwender sich noch weitere Browser auf mobile Endgeräte von Apple laden, "Chrome-­Installationen auf Apple-Systemen sind bereits jetzt WebRTC-fähig", sagt Enders.

Verschlüsselte Übertragung

Und dann gilt es noch, die Sicherheitsbedenken der Anwender zu überwinden, schließlich handelt es sich bei der Technologie um eine Kommunikation über das Web, und spätestens seit PRISM und Co. sind vor allem Unternehmen deutlich sensibler in Bezug auf Datenschutz geworden. "WebRTC ist eine Peer-to-Peer-Technologie, natürlich kann man durch Abhören des IP-Datenstroms auf die Inhalte zugreifen", stellt denn auch Avaya-Manager Jobst fest. Allerdings gibt es die Möglichkeit, SRTP einzusetzen. "Das Realtime Transport Protocol ermöglicht eine sichere Ende-zu-Ende-Kommunikation", so Jobst weiter.
Entwicklungsprojekte der Hersteller
Sicher ist: Trotz aller Hindernisse, die dem Einsatz von WebRTC derzeit noch im Wege stehen, arbeitet eine ganze Reihe von UC-Herstellern aktuell an Lösungen auf Basis der Technologie. Estos beispielsweise hat auf der diesjährigen CeBIT erste Showcases für eine Einbindung von WebRTC in seine UC-Lösung ProCall gezeigt. „ProCall go“ soll im ersten Halbjahr 2014 marktreif sein. Auch der Wettbewerber C4B plant, XPhone Unified Communications mit einer WebRTC-Lösung zu ergänzen. Unify (ehemals SEN) ist dabei, eine neue Kommunikationsplattform zu entwickeln, die ebenfalls auf WebRTC basiert. Im Juli kommenden Jahres soll Project Ansible dann vermarktet werden.
Verschiedene Konzepte von Avaya, Aastra und Cisco
Auch Avaya, Aastra oder Cisco haben entsprechende Projekte in der Pipeline. Aas­tra etwa möchte WebRTC-Benutzer in seine Video- und Webkonferenzlösung einbinden. Marktreif soll die Lösung im ersten Halbjahr 2014 sein. Cisco wiederum hat mit Jabber Guest eine Lösung vorgestellt, mit der Anwender in Echtzeit mit Mitarbeitern kommunizieren können. Noch im November startet das Unternehmen mit ersten Pilotkunden, die Auslieferungen sind Anfang kommenden Jahres geplant. Avaya hingegen hat nach eigenen Angaben in seinen Forschungszentren erste Prototypen für WebRTC-Lösungen vorliegen. Ziel ist, die bestehenden UCC-Lösungen des Herstellers zu ergänzen; mit der Vermarktung möchte der Hersteller indes erst beginnen, wenn die Standardisierung abgeschlossen ist.

Hersteller sind sich der Bedeutung von WebRTC bewusst

Die Beispiele zeigen: Die Hersteller nehmen WebRTC ernst und arbeiten mit Hochdruck an entsprechenden Lösungen. Ob und wann die Ankündigungen allerdings umgesetzt werden, bleibt abzuwarten.
Sicher ist, der Einsatz von WebRTC hat großen Charme: Die Technologie macht letztendlich (fast) alle Smartphones, Tablets oder PCs zum kompatiblen Endgerät für Sprache, Video und andere Applikationen. Alles, was benötigt wird, ist ein WebRTC-fähiger Browser, eine Internet-Anbindung sowie eine Standard-AV-Peripherie, die ohnehin auf den meisten Endgeräten vorhanden ist. Für die traditionellen Kommunikationshersteller birgt der Standard allerdings auch Gefahren: Denn mit WebRTC müssen Anwender beispielsweise keine Clients mehr installieren, um via Smartphone an einer Videokonferenz teilzunehmen – damit würde den Herstellern ein wichtiger Umsatzbereich wegfallen. So bleibt abzuwarten, wie WebRTC den UCC-Markt wirklich beeinflussen wird.




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