Ökostrom
26.05.2011, 12:49 Uhr
Grünes Gewissen zu Geld machen
Die Reaktorkatastrophe in Fukushima hat einen wahren Ökostrom-Boom ausgelöst, Angebot und Nachfrage steigen. Aber profitiert davon auch der TK-Fachhandel? Telecom Handel hat bei den Energievermarktern nachgehakt.
Es ist der 11. März 2011. Der Tag, an dem in Japan die Erde bebt und eine dramatische Unfallserie im Atomkraftwerk Fukushima die Welt in Atem hält. Es ist aber auch der Tag, der einen einschneidenden Wandel im deutschen Energiemarkt einläutet: Das Thema „Ökostrom“, bis dato eher eine Randnotiz im öffentlichen Diskurs, ist zum Trendthema avanciert. Und nicht nur das: Immer mehr Verbraucher entdecken ihr „grünes Gewissen“ und denken über den Wechsel in einen Öko-Tarif nach. So zeigt eine Auswertung des Verbraucherportals Stromtipp.de (PortalHaus), dass das Interesse an Ökostrom in den Tagen nach Fukushima massiv gestiegen ist.
Basis der Erhebung sind die täglichen Tarifrechnerabfragen der Stromtipp.de-Nutzer. Bei den tatsächlichen Öko-Vertragsabschlüssen bestätigt sich das Bild: „Die Zahl stieg von rund 14,5 Prozent vor der Katas-trophe auf 45 Prozent Mitte April und liegt derzeit bei rund 28 Prozent“, sagt Jens Hagel, Leiter Vertrieb und Kooperationen bei PortalHaus. Erstaunlich: Durch die Ereignisse in Nordjapan hat der gesamte Energiemarkt in Deutschland Aufwind bekommen, die zusätzlichen Öko-Verträge haben die konventionellen also nur zu einem kleinen Teil kannibalisiert, so Hagel weiter.
Diesen Trend spüren auch die anderen Energievermarkter, die Telecom Handel befragte: „Wir konnten unsere Umsätze und Vertragszahlen in den letzten Monaten verdreifachen. Der Zuspruch seitens der Endkunden und Fachhändler ist enorm. Allein unsere Händlerbasis ist in den letzten Wochen um über 120 Vertriebspartner gewachsen“, freut sich Alexander Albert, Geschäftsführer von HFO Energy.
Ökostrom boomt! Und nun?
Was aber hat der TK- beziehungsweise Mobilfunk-Fachhandel vom neuen Öko-Boom? Die Meinung von Caner Sentürk, Geschäftsführer von ICS Energie, fällt eindeutig aus: „Der Fachhandel kann ganz klar von der gestiegenen Nachfrage nach Öko-Produkten profitieren – und den Margenverlust im Mobilfunk nahezu kompensieren.“ Apropos Marge: Die Provisionen bei Ökostrom-Tarifen liegen den Angaben der befragten Unternehmen zufolge zwischen 30 und 120 Euro pro abgeschlossenem Vertrag und entsprechen damit denen bei „konventionellen“ Tarifen (siehe Tabelle). Alexander Albert sieht insbesondere in der Beratungs- und Servicequalität des Fachhandels Potenzial für die Vermarktung: „Gerade der Fachhandel bietet dem Endkunden ein hohes Maß an Fachkompetenz. Diese wird seitens der Kunden auch verlangt, denn die möchten sicher und effektiv zu einem Öko-Anbieter wechseln.“
Fachkompetenz ist auch gefragt: Das Portfolio, das Händler ihren Kunden anbieten können, wird nämlich immer größer. Vor dem Hintergrund des jüngsten Ökostrom-Booms hat etwa ICS Energie zusätzlich OptimalGrün und Lekker Energie ins Portfolio genommen, und MFE Energie ergänzt ihr Sortiment nun um NaturEnergie+. Gleichzeitig haben aber auch die Energieversorger selbst ihr Angebot ausgeweitet. Das deckt sich mit den Erfahrungen von Jens Hagel: „Es gibt mittlerweile keinen Energieversorger in unserem Portfolio, der nicht mindes-tens einen Öko-Tarif im Angebot hat. Darüber hinaus haben einige von ihnen ihr Tarifangebot zertifizieren lassen, beispielsweise 123energie mit dem ok-power-Label.“
Öko ist nicht gleich öko
Jedoch: Nicht überall, wo „öko“ draufsteht, muss auch „öko“ drin sein. Im Hinblick auf den Umweltnutzen am häufigsten empfohlen werden die Label „ok power“ und „Grüner Strom“. Ökostrom mit diesen Gütesiegeln garantiert einen tatsächlichen Ausbau der erneuerbaren Energien durch die Förderung regenerativer Anlagen. Darüber hinaus bieten der TÜV Süd und der TÜV Nord unterschiedliche Zertifikate, die sich in Umfang und Inhalt ihrer Qualitätskriterien stark unterscheiden. Umstritten sind indes die sogenannten RECS-Zertifikate.
Jedoch: Nicht überall, wo „öko“ draufsteht, muss auch „öko“ drin sein. Im Hinblick auf den Umweltnutzen am häufigsten empfohlen werden die Label „ok power“ und „Grüner Strom“. Ökostrom mit diesen Gütesiegeln garantiert einen tatsächlichen Ausbau der erneuerbaren Energien durch die Förderung regenerativer Anlagen. Darüber hinaus bieten der TÜV Süd und der TÜV Nord unterschiedliche Zertifikate, die sich in Umfang und Inhalt ihrer Qualitätskriterien stark unterscheiden. Umstritten sind indes die sogenannten RECS-Zertifikate.
Ökostromtarife im Preischeck
Dass aber zertifizierte Ökostrom-Tarife per se teurer sind als konventionelle, ist ein Irrglaube, wie eine Analyse des Verbraucherportals TopTarif.de ergeben hat. Demnach kostet der ok-power-Ökostrom bei den drei günstigsten Anbietern für einen vierköpfigen Haushalt durchschnittlich 911 Euro im Jahr, Ökostrom mit dem Label „Grüner Strom“ im Mittel etwa 987 Euro im Jahr und Ökostrom-Produkte mit TÜV-Siegel im Schnitt rund 835 Euro. Zum Vergleich: Der Grundversorgungstarif schlägt durchschnittlich mit 1.023 Euro pro Jahr zu Buche, der Wahltarif des örtlichen Versorgers immerhin noch mit rund 946 Euro pro Jahr. Jens Hagel kann dem nur beipflichten: „Es gibt diverse Öko-Tarife, die zu den günstigsten Tarifen zählen – selbst der Unterschied zu Discountern ist gering. Wer einen ,reinen‘ Ökostrom-Anbieter wählt, muss etwas mehr zahlen, wobei es auch hier diverse Tarife gibt, die günstiger als der Grundversorgertarif sind.“
Wie man den Kunden überzeugt ...
Bezogen auf einen Jahresverbrauch von 4.000 Kilowattstunden bieten laut Verivox die Stadtwerke Flensburg den günstigsten Tarif mit einem Durchschnittspreis von 897 Euro, gefolgt von 123energie mit 905 und Vattenfall mit 911 Euro pro Jahr.
Bezogen auf einen Jahresverbrauch von 4.000 Kilowattstunden bieten laut Verivox die Stadtwerke Flensburg den günstigsten Tarif mit einem Durchschnittspreis von 897 Euro, gefolgt von 123energie mit 905 und Vattenfall mit 911 Euro pro Jahr.
Die Tatsache, dass Ökostrom nicht zwangsläufig teurer sein muss als Strom aus Kernkraft, Kohle oder Erdöl, ist wiederum ein schlagendes Argument, die Kunden zu einem Wechsel zu bewegen. „Der Hauptgrund für Kunden, den Tarif oder Anbieter zu wechseln, ist und bleibt die Kostenersparnis. Daher sollten Händler nur Öko-Tarife vermarkten, die günstiger sind als die Tarife Grundversorgers“, so Hagel. Daher empfiehlt er Händlern eine Positionierung nach dem Motto „grün und günstig“.
Matthias Felder, Geschäftsführer von MFE Energie, ist da anderer Ansicht: „Wie unsere Erfahrungen zeigen, steht der finanzielle Aspekt bei vielen Kunden nicht im Vordergrund.“ Und so rät er Resellern, ganz klar auf die Themen Nachhaltigkeit und die Sauberkeit bei der Stromerzeugung zu setzen: „Wichtig in der Kommunikation ist: Jeder Einzelne kann helfen, den Strom sauberer zu machen, denn: Je höher die Nachfrage nach Ökostrom ist, desto weniger Strom wird in das Stromnetz von Atom-, Öl- und Kohlekraftwerken eingespeist. Jeder einzelne ,grüne‘ Stromvertrag hilft, die Umwelt zu schonen und eventuelle Gefahren einzudämmen.“
Interview
Paul-Vincent Abs, Geschäftsführer der E wie Einfach Strom & Gas GmbH
Telecom Handel: Im Zuge der Ereignisse in Fukushima hört man viel über den neuen Wechselwillen der Deutschen hin zu Ökostrom. Können Sie das aus eigener Erfahrung bestätigen?
Paul-Vincent Abs: Ökostrom wird in der Tat momentan sehr stark nachgefragt. Wir sehen das auch bei uns: Seit Fukushima hat sich die Nachfrage beziehungsweise die Zahl der Vertragsabschlüsse im Ökostrom- und -gasbereich verdreifacht.
Paul-Vincent Abs: Ökostrom wird in der Tat momentan sehr stark nachgefragt. Wir sehen das auch bei uns: Seit Fukushima hat sich die Nachfrage beziehungsweise die Zahl der Vertragsabschlüsse im Ökostrom- und -gasbereich verdreifacht.
Telecom Handel: Handelt es sich dabei Ihrer Meinung nach um einen kurzfristigen Hype oder um einen langfristigen Trend? Die Deutschen gelten beim Thema Energie eher als wechselunwillig ...
Abs: Der Trend ist ganz klar erkennbar, auch wenn sich der Hype von heute sicher nicht auf Dauer aufrechterhalten lassen wird. Aber schauen Sie sich die Lebensmittelbranche an: Hier ist es für jeden Händler heute selbstverständlich, auch ein Öko-Obstregal im Laden aufzustellen.
Abs: Der Trend ist ganz klar erkennbar, auch wenn sich der Hype von heute sicher nicht auf Dauer aufrechterhalten lassen wird. Aber schauen Sie sich die Lebensmittelbranche an: Hier ist es für jeden Händler heute selbstverständlich, auch ein Öko-Obstregal im Laden aufzustellen.
Telecom Handel: Ist denn bei der Entscheidung des Kunden, den Energieversorger zu wechseln, nicht letzten Endes doch der Preis und nicht das „grüne Gewissen“ entscheidend?
Abs: Ich denke, dass es immer Kunden geben wird, die als Erstes auf den Preis schauen. Aber auch da muss ,Öko‘ kein K.o.-Kriterium sein. Wir haben beispielsweise schon seit rund einem Jahr einen Ökostrom- und Ökogas-Tarif auf dem Markt – wie bei allen unseren Tarifen ohne Grundgebühr und mit einer 1-Jahr-Preisgarantie.
Abs: Ich denke, dass es immer Kunden geben wird, die als Erstes auf den Preis schauen. Aber auch da muss ,Öko‘ kein K.o.-Kriterium sein. Wir haben beispielsweise schon seit rund einem Jahr einen Ökostrom- und Ökogas-Tarif auf dem Markt – wie bei allen unseren Tarifen ohne Grundgebühr und mit einer 1-Jahr-Preisgarantie.
Telecom Handel: Adressieren Sie denn auch den Telekommunikations- beziehungsweise Mobilfunk-Fachhandel mit diesen Produkten?
Abs: Bislang noch nicht. Aber wir planen die Zusammenarbeit mit einem großen Telekommunikationsunternehmen, das eine hohe Markenbekanntheit hat.
Abs: Bislang noch nicht. Aber wir planen die Zusammenarbeit mit einem großen Telekommunikationsunternehmen, das eine hohe Markenbekanntheit hat.
Telecom Handel: Was versprechen Sie sich von der Kooperation?
Abs: Wie Sie sich vorstellen können, sind eigene stationäre Shops mit einem hohen Invest verbunden. Viele TK-Anbieter besitzen wiederum Ladengeschäfte in attraktiven Stadtlagen. Darüber hinaus sind sowohl Energie- als auch TK-Produkte erklärungsbedürftig, außerdem gibt es die Möglichkeit, die Produkte auch im Bundle zu verkaufen. Im Prinzip passt das alles sehr gut zusammen.
Abs: Wie Sie sich vorstellen können, sind eigene stationäre Shops mit einem hohen Invest verbunden. Viele TK-Anbieter besitzen wiederum Ladengeschäfte in attraktiven Stadtlagen. Darüber hinaus sind sowohl Energie- als auch TK-Produkte erklärungsbedürftig, außerdem gibt es die Möglichkeit, die Produkte auch im Bundle zu verkaufen. Im Prinzip passt das alles sehr gut zusammen.