Marktreport Mobilfunk-Discounter 20.05.2010, 11:24 Uhr

Angriff auf den Markt

In fünf Jahren haben sich die Discounter eine beachtliche Kundenbasis erarbeitet - auch das lukrative Thema Mobile Data rückt immer mehr in den Fokus der Billiganbieter. Wie sich der Markt weiter entwickeln wird, lesen Sie in unserem großen Marktreport.
Fünf Jahre sind im TK-Geschäft eine halbe Ewigkeit. In fünf Jahren entwickelten sich beispielsweise Smartphones von reinen Business-Maschinen zu einem wahren Massenprodukt mit ständig steigenden Marktanteilen. Auf eine ähnlich erfolgreiche Geschichte können auch die Mobilfunk-Discounter zurückblicken. Als der Pionier in diesem Bereich, Simyo, im Mai 2005 an den Start ging, waren die Reaktionen geteilt. Während die Endkunden den Tarif von 19 Cent in alle Netze und rund um die Uhr verständlicherweise begrüßten, versuchten die Netzbetreiber dem neuen Konkurrenten erst einmal jegliche Chance auf ein längeres Bestehen am Markt abzusprechen.
Vor allem der reine Online-Vertrieb wurde als Hindernis für eine größere Verbreitung bei den Kunden gesehen. Dieser benötige bei einem Mobilfunkangebot eine entsprechend ausführliche Beratung. Vor diesem Hintergrund wurden die etablierten Anbieter nicht müde, auf die Vorzüge des stationären Handels zu verweisen.
Heute – fünf Jahre später – haben die Carrier ausnahmslos die zuvor kritisierten Online-Tarife selbst im Programm und betreiben einen eigenen Discounter. Simyo nutzt das E-Plus-Netz und ist gleichzeitig eine hundertprozentige Tochter der Düsseldorfer, Fonic ist unter dem Dach von Telefónica O2 zu Hause, und die Telekom bietet unter dem Label Congstar sogar Festnetz im Discount an. Und schließlich hat Vodafone kürzlich als letzter der Netzbetreiber ein eigenes Discount-Produkt gestartet und dazu die Marke Otelo wiederbelebt.
Den Anbieter Simyo gibt es nach den fünf Jahren immer noch, und viele sind seinem Beispiel gefolgt. Die Kundenzahlen von Blau.de, Aldi Talk, Fonic & Co. gehen längst in die Millionen, die Unternehmen selbst schätzen den erreichbaren Marktanteil auf satte 30 Prozent. „Wir können jetzt noch nicht sagen, was in zwei Jahren sein wird“, so Nicolas Biagosch, neuer Geschäftsführer von Simyo, „aber das Segment wird weiter dynamisch wachsen und so an zusätzlicher Relevanz gewinnen.“ Sein Amtskollege von Fonic, Kai Czeschlik, verweist bei seiner Zukunftsprognose auf die skandinavischen Länder: „Dort hat das Discount-Segment einen Anteil von 30 bis 40 Prozent am Mobilfunkmarkt erreicht. Die bisherige Marktentwicklung in Deutschland zeigt, dass eine solche Größenordnung auch hier möglich ist.“

Marktreport Mobilfunk-Discounter: Angriff auf den Markt

Das Geheimnis ihres Erfolges
Ein wesentlicher Punkt, weshalb die Discounter auch ohne stationären Vertrieb sehr schnell viele Kunden gewonnen haben, liegt sicherlich im aggressiven Minutenpreis. Dieser hat sich seit etwa zwei Jahren bei acht bis neun Cent eingependelt und wird in erster Linie von den Terminierungsentgelten bestimmt, die die Bundesnetzagentur für die Weiterleitung von Telefonaten in andere Netze bestimmt. Die Kalkulation der Anbieter ist entsprechend knapp, „aktuell sehen wir keinen Spielraum für eine neue Preisrunde“, sagt auch Blau.de-Chef Martin Ostermayer.
Nicht zuletzt kommt es den Discountern sehr entgegen, dass die Netzbetreiber und die großen Service-Provider die Subventionierung für Endgeräte in den letzten Jahren sehr stark zurückgefahren haben. War es bis vor wenigen Jahren noch selbstverständlich, alle zwei Jahre zum Handy-Vertrag auch ein neues Gerät – oft zum symbolischen Preis von einem Euro – zu bekommen, so erkennen die Verbraucher jetzt nach und nach, dass es mitunter günstiger ist, sich das Gerät im freien Handel zu kaufen. In Ländern mit einem traditionell hohen Prepaid-Anteil wie etwa Italien war die besagte Gratis-Mentalität nie so stark ausgeprägt wie hierzulande.
Entsprechend hart trifft es nun manche deutschen Kunden, dass sie das Gerät selbst bezahlen müssen. Zumindest der Anreiz des neuen Handys ist bei den Laufzeitverträgen also nicht mehr gegeben, so dass sich viele Kunden nach einer Alternative umsehen.
Und darin sieht Ostermayer von Blau.de auch einen Vorteil für den Handel, dem die Discountangebote mit ihren vergleichsweise geringen Margen seit jeher ein Dorn im Auge sind. Die erhöhte Nachfrage der Discount-Kunden nach SIM-Lock-freien Handys könne auch der stationäre Handel nutzen. Den stationären Handel als Vertriebskanal haben indes nur wenige Anbieter gewählt, unter anderem sind Blau.de, Fonic und Klarmobil hier tätig.
Um den durchschnittlichen Umsatz pro Kunde (ARPU) nach oben zu treiben, setzen die Discounter seit einiger Zeit neben der Sprachübermittlung auf ein anderes Pferd. Mobiles Internet ist längst nicht mehr nur ein Feature, das von Business-Usern nachgefragt wird, spätestens seit dem oben erwähnten Smartphone-Boom wollen viele Kunden das Web in der Westentasche nicht mehr missen. „Das Internet gehört heute für immer mehr Menschen zum Leben dazu – sie trennen nicht mehr zwischen stationärem Internet via PC und dem mobil genutzten Internet“, sagt Nicolas Biagosch von Simyo. „Gerade das Thema Mobiles Internet bietet aufgrund des erhöhten Beratungsbedarfs eine Chance für den stationären und kompetenten Fachhandel“, ist man sich zudem bei Drillisch sicher.

Marktreport Mobilfunk-Discounter: Angriff auf den Markt

Datennutzung zum Discount-Tarif
Meistens sind die Discounter mit 24 bis 49 Cent pro Megabyte ohnehin günstiger als die Standardangebote der Carrier und Provider, zusätzlich finden sich in den Tarifportfolios aber auch immer mehr spezielle Datenoptionen. So hat etwa Fonic vor rund eineinhalb Jahren die erste Tages-Flatrate für Laptop-Nutzer im Discount-Segment eingeführt. Mittlerweile gibt es bei fast allen Anbietern für meist um die zehn Euro im Monat ein Gigabyte Datenvolumen zum Versurfen, ab 14,90 Euro (Aldi Talk) werden sogar komplette Flatrates angeboten.
Wie sehr die Discounter auf das Thema Mobile Data hoffen, haben unlängst Simyo und Fonic unter Beweis gestellt. So kündigten beide bereits deutlich vor dem Verkaufsstart des iPad von Apple in Deutschland an, die dafür erforderlichen Micro-SIM-Karten anzubieten.
Während im Bereich der Service-Provider in den vergangenen Jahren eine starke Konsolidierung einsetzte und Unternehmen um Unternehmen von der Bildfläche verschwand, tauchen auch fünf Jahre nach dem Start von Simyo immer neue Discount-Angebote auf dem Markt auf.
Dahinter stecken meist dieselben Anbieter, so hat allein die Drillisch AG mit Simply, Maxxim, McSIM, ja mobil und etlichen anderen Marken eine Vielzahl von Angeboten im Programm. Die Angebote eines großen Unternehmens unterscheiden sich dabei meist nur minimal in der Preisgestaltung und im stellenweise verfügbaren Community-Tarif. Auch für die Zukunft wird nicht mit einer Konsolidierung gerechnet, aufgrund der Online-Struktur lässt sich ein neuer Discounter relativ leicht aus der Taufe heben, das finanzielle Risiko dahinter ist eher gering.
Vollkommen unbegrenzt ist das Wachstum der Billiganbieter aber nicht, die Zeiten, als die Netzbetreiber den Angeboten der Discounter eher machtlos gegenüberstanden, sind vorüber. Telefónica O2 Germany hat mit dem Start von O2 o vor genau einem Jahr zwar keinen neuen Preispunkt gesetzt, aber die deutschlandweite Werbekampagne in Verbindung mit der fehlenden Grundgebühr und dem verlockenden Kosten-Airbag dürften etliche potenzielle Discount-Kunden zu dem Münchner Netzbetreiber gebracht haben. Und auch Mein Base vom Wettbewerber E-Plus zielt mit null Euro Grundgebühr sowie Gratis-SMS und Gratisminuten teilweise auf die Discount-Kundschaft.
Mit Sicherheit haben die Discounter die Tariflandschaft in Deutschland in den letzten fünf Jahren stark verändert und die Netzbetreiber zum Reagieren gezwungen. Und wer weiß, vielleicht herrschen in weiteren fünf Jahren tatsächlich die von Kai Czeschlik vorhergesagten skandinavischen Verhältnisse.




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