Neue Geschäftsideen 20.08.2012, 11:52 Uhr

Hinterm Horizont gehts weiter...

Mobilfunkwelt im Umbruch: Die Netzbetreiber wollen zukünftig neue Einnahmequellen jenseits des Geschäfts mit Telefonie und Internet erschließen - zu den Zukunftsthemen zählen Gesundheit, Finanzdienste, Unterhaltung und Werbung.
(Quelle: iStock - Andrew Rich)
Eigentlich sollten die Zahlen Laune machen: 8,6 Prozent Umsatzplus bei Telefónica Germany, 4,9 Prozent bei Vodafone und 3,0 Prozent bei E-Plus meldeten die Mobilfunk-Netzbetreiber in ihren aktuellen Quartalsberichten. Das Geschäft mit den mobilen Daten boomt und entwickelt sich zum Massenmarkt, auch das Firmenkundensegment läuft bei den meisten Anbietern prächtig, und der LTE-Ausbau verspricht weiteres Wachstum.
Alles eitel Sonnenschein also? Ein Blick über den Mobilfunk-Tellerrand liefert ein anderes Bild: Europaweit kämpfen die Telefongesellschaften mit schrumpfenden Umsätzen im klassischen TK-Geschäft; die Aktienkurse fast aller Konzerne befinden sich seit Jahren im Sinkflug. Bis 2016 erwarten Analysten weltweit gar einen Umsatzrückgang von rund vier Prozent pro Jahr.
Angesichts dieser Perspektive setzen die Netzbetreiber zunehmend auf neue Geschäftsfelder, um die Abhängigkeit von Telefonie und Internet zu verringern. ?Es  ist wichtig und folgerichtig, Innovationsfelder jenseits vom klassischen Netzanschluss zu besetzen. Es geht im Kern darum, Kommunikations-, Transaktions-, Unterhaltungs- und IT-Dienstleistungen für unsere Kunden auf Basis einer hochmodernen Infrastruktur anzubieten?, sagt René Obermann, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Telekom.
Das Bonner Unternehmen peilt bis 2015 konzernweit einen Umsatz von rund einer Milliarde Euro an ­? und das allein in den vier Bereichen Energie, Gesundheit, Auto und Medien.

Ehrgeizige Pläne

Auch die spanische Telefónica hat ehrgeizige Ziele: So sollen in weniger als drei Jahren rund fünf Milliarden Euro mit neuen Geschäften wie Telemedizin oder dem Zahlen mit dem Handy erwirtschaftet werden. ?In diesem Jahr werden wir bereits 20 Prozent Wachstum schaffen und bis 2015 mit dieser Rate weiterwachsen?, kündigt Matthew Key an.
Key ist Chef der Sparte Telefónica Digital, die mit 2.500 Mitarbeitern von London aus Innovationen und Produkte zukünftiger Wachstumsfelder vorantreibt. Sein Bestreben: ?Wir haben die Vision, Telefónica zum Marktführer im Bereich neuer Dienste jenseits der Kommunikation zu machen.?
Doch auch der Wettbewerb bemüht sich intensiv um eine neue Weichenstellung. Bei der Telekom arbeiten im neu ausgerichteten Produkt- und Innovationsbereich sogar knapp 4.000 Mitarbeiter an den Projekten der Zukunft, angeleitet vom Chief Product & Innovation Officer Thomas Kiessling. Dort konzentriert man sich insbesondere auf sechs Geschäftsfelder: Kommunikationsdienste, Medien/Unterhaltung, Cloud-Dienste, Werbung, Anzeigengeschäfte und Bezahldienste. Zusätzlich beschäftigt sich die Konzernsparte T-Systems mit Netzlösungen für die Branchen Automobil, Energie und Gesundheit.

M2M als Geschäft der Zukunft

Auch Vodafone ist alles andere als untätig: Beispiele für das Engagement der Düsseldorfer in neuen Märkten sind unter anderem M2M-(Machine-to-Machine)-Projekte zur Fernabfrage von Zählerständen, Übermittlung von Warenbeständen von Automaten oder zur Notrufübertragung aus Fahrzeugen ? hier gelang es Vodafone kürzlich, einen Vertrag mit dem Automobilbauer BMW abzuschließen. Die geplante Regelung der EU, ab 2015 alle Neuwagen mit einem Alarmsystem inklusive SIM-Chip (?eCall?) auszustatten, spielt den Mobilfunk-Carriern natürlich in die Hände.
Auch beim Thema Smart Metering, also der Installation intelligenter Stromzähler, ist Vodafone ? ähnlich wie der Wettbewerb ? aktiv: Mit insgesamt 24.000 Smart Meter, die alle 15 Minuten den Stromverbrauch messen und via Datennetz weitergeben, hat der Netzbetreiber seine eigenen Standorte und Filialen ausgestattet, um den Einsatz dieser Technologie zu erlernen und zu testen.
Letztlich geht es auch hier um viel: Die EU-Kommission will ihre Klimaziele bis zum Jahr 2025 unter anderem durch den Einsatz von 35 Millionen Smart Meter erreichen ? ein gigantischer Markt für die Mobilfunk-Netzbetreiber.
Mobile Advertising via SMS und E-Mail
Ein bislang etwas weniger beachtetes, aber ebenfalls höchst interessantes Geschäftsfeld der Zukunft ist dagegen der Bereich Mobile Advertising. Dabei sorgt der Mobilfunkanbieter für eine zielgenaue und individuelle Kundenansprache per SMS, MMS oder E-Mail. Ein Beispiel: Telefónica führte eine Advertising-Kampagne für die Audi-Modelle A6 und A7 durch, bei der die Kundenansprache gezielt auf das Profil der gewünschten Zielgruppe ausgerichtet war.
Während Telekom, Vodafone und Telefónica mit Siebenmeilenstiefeln in die Zukunft spurten, ist der selbst ernannte ?Smart Follower? E-Plus etwas bedächtiger unterwegs: ?Wir konzentrieren uns auf Leistungen mit Bezug zu unserem Kerngeschäft. Wir sind weder die besseren Content-Produzenten noch die besseren Heimvernetzer?, sagt Ulrich Coenen, CIO der E-Plus-Gruppe. Von den ?neuen? Themen beschäftigt sich E-Plus daher bislang nur mit M2M sowie Mobile Payment.

Inkubatoren: Starthilfe für Startups

Neue Ideen sind gefragt ? doch diese müssen nicht zwangsläufig aus dem Unternehmen selbst stammen. Daher haben die Deutsche Telekom und Telefónica eigene ?Inkubator-Programme? für Start-ups aufgelegt.
?Damit fördern wir innovative Geschäftsideen und unterstützen die Gründer, etwa durch Zugang zu unseren Entwicklungsplattformen oder bei der Startfinanzierung?, so Telekom-Chef Obermann. Den Entrepreneuren stehen Büroräume mit entsprechender Infrastruktur zur Verfügung, zudem werden sie von erfahrenen Mentoren beraten.
Natürlich ist die Starthilfe nicht ganz uneigennützig: ?Die Beteiligung an diesen Unternehmen beschleunigt nicht nur das Geschäft der jungen Hightech-Firmen, sondern auch unser eigenes?, sagt René Schuster, CEO von Telefónica Germany. Bei der Telekom nennt sich die Startup-Initiative ?hub:raum?. Pro Jahr haben 10 bis 15 junge Unternehmen die Chance, in das Programm aufgenommen zu werden. Diese erhalten eine Seed-Finanzierung von bis zu 300.000 Euro; eine Minderheitsbeteiligung der Telekom ist vorgesehen.
Bei der ?Wayra?-Initiative von Telefónica wählt eine Jury bis zu zehn Startups aus, die dann für sechs Monate in die Wayra-Akademie nach München ziehen. Bei einer erfolgreichen Anschlussfinanzierung erhält Telefónica eine zehnprozentige Beteiligung sowie das Vorkaufsrecht für die Produkte.




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