Samsung-Interview 24.03.2010, 10:09 Uhr

Nach der Handy-Revolution

Für Samsung war 2009 ein erfolgreiches Jahr. Telecom Handel sprach mit Martin Börner, Leiter des deutschen Handy-Geschäfts von Samsung, über die Rolle des Fachhandels und der Distributoren.
Samsung konnte im letzten Jahr erstmals in Deutschland den Marktführer Nokia herausfordern. Der Leiter des deutschen Handy-Geschäfts, Martin Börner, erläutert die Faktoren für den Erfolg und die Pläne des Herstellers für das Jahr 2010.
Telecom Handel: In Deutschland konnte Samsung Ende des letzten Jahres Nokia zeitweise an der Spitze des Handy-Marktes ablösen. Wie ist die aktuelle Situation?
Martin Börner: Wir hatten 2009 ein relativ gutes Jahr trotz der Krise, doch wir fangen jetzt nicht an, unrealistisch zu werden. Wir glauben, dass die Wirtschaftskrise noch nicht vorbei ist. Uns geht es aber weniger darum, ob wir Nummer eins oder Nummer zwei auf dem Markt sind – das ist schön, aber für den Handel und den Endkunden spielt das keine Rolle.
Telecom Handel: Die Entwicklung hierzulande ist damit besser als auf dem Weltmarkt?
Börner: Ja, weltweit sind wir die Nummer zwei, und wir haben natürlich langfristig auch Ambitionen nach oben. In meinen 16 Jahren im deutschen Markt habe ich noch nie so eine Veränderung gesehen wie im letzten Jahr – das war eine Revolution.
Telecom Handel: Könnte der Wechsel an der Spitze dauerhaft sein?
Börner: Wenn ein Wechsel an der Spitze als Ergebnis einer Strategie erfolgt, ist das gut, aber ansonsten wie beim Bergsteigen: Je weiter man nach oben kommt, desto dünner wird die Luft. Auch mit einer guten zweiten Position kann man leben, ohne krampfhaft Erster werden zu wollen.
Telecom Handel: Ist Wachstum im deutschen Markt ohne Verdrängung überhaupt noch möglich?
Börner: Die Zahlen für 2009 zeigen, dass der Gesamtmarkt geschrumpft ist, aber Wachstum bei Smartphones möglich ist. Hier haben wir mit den Touchscreens auf das richtige Pferd gesetzt. Das Thema Smartphone steht auch bei uns in der Prioritätenliste ganz oben.
Telecom Handel: Ihre Bestseller kamen auch aus dem Touchscreen-Segment?
Börner: Ja, aber wir haben das nie aus der Perspektive des ‚I-Phone-Killers‘ gesehen. Wir sind sogar froh, dass Apple den Markt für dieses Thema geöffnet hat. Unsere Strategie ist eine breite Produktpalette für jeden Bedarf. Vom SGH-F480 haben wir über eine Million Geräte verkauft, das hat die Erwartungen übertroffen. Aktuell ist das S5230 einer der Bestseller.
Telecom Handel: Ist das Touchscreen-Thema der Hauptgrund für die Verschiebungen im Markt?
Börner: Das spielt sicher eine große Rolle, aber es gibt auch noch andere Faktoren. So haben wir das Portfolio stark ausgeweitet. Wir beobachten den Markt sehr genau im Hinblick auf das, was gefragt wird. Wir bedienen auch neue Bereiche, wie Outdoor-Handys, in denen wir erfolgreich sind.

Samsung: Nach der Handy-Revolution

Telecom Handel: Wie wichtig ist denn noch das unterste Segment im Markt?
Börner: Dieser Bereich wird von den Herstellern nicht wirklich geliebt, aber inzwischen spielen selbst dort Marken eine wichtige Rolle. Wichtig ist für uns, dass auch hier unsere Mindeststandards bei der Qualität gelten, und das ist uns gelungen. Minderwertige Qualität käme uns auch im Service viel zu teuer. Andere haben da einfach Produkte aus Asien billig gekauft und ihren Namen draufgeklebt.
Telecom Handel: Verdient man an einem Handy für 15 Euro denn noch was?
Börner: Wir haben unsere Produktion sehr kostengünstig aufgestellt, aber solche Preise können nur über Mischkalkulationen erzielt werden. Manchmal müssen auch Fabriken ausgelastet werden …
Telecom Handel: Welche Rolle spielt der Verkauf von Handys ohne Vertrag?
Börner: Eine immer größere: Der Markt ist gesättigt mit über 90 Millionen SIM-Karten im Umlauf, jetzt wechseln Kunden meist nur noch die Hardware. Traditionell waren das eher hochpreisige Geräte, doch inzwischen sehen wir die ganze Palette in diesem Markt. Der Fachhandel muss ein gewisses Portfolio bereithalten und darüber Bescheid wissen. Die Empfehlung für ein Produkt erfolgt auf dem letzten Meter am PoS.
Telecom Handel: Trotzdem laufen solche Verkäufe auch über fachhandelsfremde Kanäle …
Börner: Das ist eine alte Diskussion, schon zu meinen Zeiten bei Sendo war der Verkauf bei Aldi ein Thema. Es gibt eine bestimmte Käufergruppe, die aus Prinzip bei Food-Discountern kauft, und die kann man nicht ignorieren. Das ist aber nicht wirklich eine Konkurrenz für den Fachhandel.
Telecom Handel: Verändert die reduzierte Subventionierung die Wahrnehmung des Wertes der Produkte?
Börner: Auf jeden Fall. Wir haben immer mit einem weinenden Auge auf Märkte wie Italien geschaut, wo die Kunden ganz normal 300 oder 400 Euro für ein Handy bezahlt haben. Bei uns ließ die 1-Euro-Falle eine Differenzierung sehr schwer erscheinen. Die Leute müssen wieder das Gefühl bekommen, dass sie ein hochwertiges Hightech-Gerät kaufen, wie das in anderen Bereichen ja ganz normal ist.
Telecom Handel: Gibt es einen technischen Trend, der die Branche treibt?
Börner: Display-Technologien sind sehr wichtig, im letzten Jahr war das AMOLED, dieses Jahr ist es Super-AMOLED. Die Entwicklung ist sehr schnell, wir müssen das ja auch im Handel kommunizieren. Es gibt sicher immer neue Technologien, mit denen man spielen kann, aber sie müssen auch erst massenmarktfähig werden.

Samsung: Nach der Handy-Revolution

Telecom Handel: Das Thema Kamera ist ziemlich ausgereizt?
Börner: Wir sind ja schon auf dem Niveau echter Kameras. Im Alltag hat das Handy auf Schnappschussniveau Digicams schon oft abgelöst, einfach weil es immer dabei ist. Die Pixelzahl pendelt sich derzeit bei fünf bis acht ein. Wir hatten zwar zwölf Megapixel im Pixon, aber die Verkaufszahlen haben gezeigt, dass das doch eine Nische ist.
Telecom Handel: Welche Rolle spielt das Betriebssystem von Smartphones?
Börner: Für den Consumer ist das nicht die wichtigste Frage. Er wählt nicht ein Gerät, weil es ein bestimmtes System hat, sondern weil er bestimmte Leistungen oder ein Produkt wie ein Samsung-Smartphone will.
Telecom Handel: Trotzdem kommt mit Bada von Samsung noch ein System?
Börner: Die Frage, ob das sinnvoll ist, erscheint berechtigt. Bada ist die Möglichkeit, einen Massenmarkt für Smartphones zu erschließen und Kosten zu reduzieren. Unser Präsident spricht von der ‚Demokratisierung des Smartphones‘. Zudem können wir eine Entwickler-Community aufbauen. Wir sind dabei global so groß, dass sich das auch lohnt. Wir haben aber nicht das Ziel, Bada um jeden Preis schnell auf hohe Marktanteile zu bringen, das wird eher ein langfristiges Projekt.
Telecom Handel: Die anderen Systeme bleiben aber im Programm?
Börner: Ja, wir setzen weiterhin auf mehrere Betriebssysteme. Diese Offenheit ist ein Bestandteil unseres Erfolges in der Vergangenheit, denn die Endkunden und Netzbetreiber schätzen das breite Angebot.
Telecom Handel: Wie günstig können Smartphones im Massenmarkt sein?
Börner: Natürlich muss die Hardware leistungsfähig sein, dazu kommen die Lizenzkosten für das Betriebssystem. Durch Bada können wir Letztere möglicherweise halbieren. Wir haben zudem Skaleneffekte und viele eigene Komponenten wie Prozessoren und Displays, was uns bei den Preisen sehr konkurrenzfähig macht.

Samsung: Nach der Handy-Revolution

Telecom Handel: Bei Business-Geräten ist Samsung aber eher schwach ...
Börner: Natürlich haben wir uns in der Vergangenheit stark auf das Consumer-Segment konzentriert und dort unsere Erfolge erzielt. Das haben wir im Griff, und wir bleiben auch dran. Mittlerweile spielt B2B eine immer stärkere Rolle. Dort müssen wir unser Portfolio stärker anpassen, denn die schnellen Produktzyklen passen da nicht. Die Kunden wollen das gleiche Gerät auch nach drei Jahren noch kaufen können, was in unserer Industrie eine lange Zeit ist. Wir legen uns nicht Produkte auf Halde, um sie langsam abzuverkaufen. Wir haben in anderen Abteilungen Business-Produkte im Haus, daher kennen wir die Anforderungen.
Telecom Handel: Welche Rolle spielt der TK-Fachhandel für Samsung?
Börner: Die Handy-Welt ist komplexer geworden, und die Kunden wollen entsprechend beraten werden. Das geschieht im Fachhandel. Auf diesen haben wir uns abgestimmt. Natürlich gibt es jüngere Käuferschichten, die genau wissen, was sie suchen, und das dann online kaufen, aber die sind nicht die Mehrheit. Gerade mit zunehmendem Alter wollen Kunden ihre Ansprechpartner, und keine anonymen Geschäfte machen.
Telecom Handel: Wie gut ist Samsung im stationären Fachhandel vertreten?
Börner: Inzwischen gut. Das hat einige Überzeugungsarbeit gekostet, bis Händler auch unsere Displays aufgestellt haben, mittlerweile haben wir hier ausgefeilte Lösungen, die den Verkäufer unterstützen. Heute wollen wir auch die Anwendung und die Bedienung demonstrieren und stellen entsprechende Live-Geräte am PoS bereit. Am besten ist es natürlich noch, wenn der Händler selbst ein Samsung-Handy benutzt und davon begeistert ist.
Telecom Handel: Andere Hersteller haben die Zahl ihrer Distributoren verringert. Ist das für Sie ein Thema?
Börner: Wir gehen eher in die andere Richtung. Wir wollen starke Partner haben, denn der deutsche Markt ist so groß und vielfältig, dass wir nicht alle direkt bedienen können. Wir wollen eher die Distribution öffnen und nehmen gerne neue Partner auf, wenn sie die Palette sinnvoll ergänzen. Vor allem eine Spezialisierung – zum Beispiel regional oder auf bestimmte Kundengruppen – ist hilfreich.




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