Interview mit Nokia-Chefin Hanna Sievinen 15.11.2010, 12:05 Uhr

?Nokia ist zurück?

Hanna Sievinen übernahm im Juni die deutsche Geschäftsführung von Nokia. Die Nachfolgerin von Heikki Tarvainen sprach mit Telecom Handel über die Herausforderungen für den finnischen Handy-Hersteller.
Telecom Handel: Sie sind jetzt knapp neun Monate in Deutschland. Wie sehen Sie die aktuelle Situation von Nokia auf dem deutschen Markt? 
Hanna Sievinen: In einem Satz: Nokia schlägt nicht mehr nur zurück, Nokia ist zurück. In dieser Branche ist man immer so gut wie seine Produkte. In den letzten 18 Monaten hatten wir da unsere Herausforderungen im Highend-Bereich. Aber die neuen Symbian Produkte, die gerade auf den Markt kommen, und die neuen Dienste werden vieles zum Positiven ändern. Damit können wir den Marktanteil nicht nur verteidigen, sondern ausbauen. Wir sind Marktführer in Deutschland und haben auch in dem Bereich Smartphones eine Spitzenposition.
Telecom Handel: Welche Strategie wollen Sie dabei verfolgen? 
Sievinen: Wir arbeiten hart daran, unsere gute Position zu erhalten. Im Zentrum der Maßnahmen muss immer wieder die Erfahrung des Kunden stehen. Wir erinnern uns noch an die Einführung von 3G: Die ganze Branche wollte es und war davon begeistert, aber die Kunden haben das Thema nicht so sehr angenommen. Jetzt ist 3G als Technologie ein selbstverständlicher Teil des Smartphone-Booms und ein Erfolg. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Erkenntnis, dass nicht ein Produkt für alle passt. Deshalb haben wir ein breites Smartphone-Portfolio.
Telecom Handel: Gibt es besondere Herausforderungen? 
Sievinen: Wir müssen im Dialog mit den Marktteilnehmern stehen, damit neue Konzepte ein Erfolg werden. Nicht nur müssen wir das beste und breiteste Sortiment an Endgeräten und passende Dienste anbieten. Es muss auch die passenden Datentarife seitens der Netzbetreiber geben, damit Smartphones noch mehr Menschen erreichen. Ich bin jetzt knapp neun Monate hier und denke, dass die deutschen Kunden sehr anspruchsvoll sind. Sie lieben Fakten wie Testresultate und schätzen ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis. Auch das Spektrum des Handels ist hier sehr groß, was für die Käufer gut ist. Insgesamt ist der Wettbewerb sehr intensiv, aber wir lieben Wettbewerb, denn der hält ein Unternehmen fit.

"Der Handel ist extrem wichtig"

Telecom Handel: Muss man Geräte auch über handelsferne Kanäle verkaufen, um Marktanteile zu gewinnen?
Sievinen: Wir haben eine Strategie, in deren Rahmen wir einerseits die Konsumenten auf breiter Fläche erreichen und zudem eine hohe Qualität bieten. Das Erlebnis der Möglichkeiten, die unsere Produkte bieten, können wir nur mit dem Handel erreichen. Bisher lag unsere Stärke in der Zusammenarbeit mit der „ersten Ebene“, den Netzbetreibern und Distributoren. Das bleibt weiterhin überaus wichtig, darüber hinaus haben wir begonnen, verstärkt mit dem Handel direkt zu sprechen und werden dies auch in Zukunft tun.
Telecom Handel: Welche Rolle spielt der Handel heute? 
Sievinen: Die Schlüsselbotschaft von Nokia ist, dass der Handel extrem wichtig ist. Wir haben neue Formen des Handels kommen sehen wie Ladenketten oder den Online-Handel, aber trotzdem gibt es keinen radikalen Wandel der Landschaft und auch der Distribution. Gerade für uns bei Nokia Deutschland ist diese Zusammenarbeit unsere wichtigste Aufgabe. Die Händler spielen auch eine immer wichtigere Rolle bei der Vermittlung von Apps und Diensten wie Navigation an den Kunden.
Telecom Handel: Früher ging ja der Kontakt vorwiegend über die Distributoren ... 
Sievinen: Wir suchen in letzter Zeit vermehrt den direkten Draht zum Händler, aber wir müssen auch realistisch sein, denn wir können nicht jeden Einzelnen erreichen. Deshalb führen wir parallel weiter viele Maßnahmen mit Distributoren und Netzbetreibern durch. Es ist nicht immer einfach für den Handel, die Anforderungen zu erfüllen, aber am Ende gewinnen alle Beteiligten.
Telecom Handel: Wie ist Nokias Umbau der Distributionslandschaft im letzten Jahr angekommen?
Sievinen: Wir sollten das Thema nicht überbewerten, wer in der ersten Reihe steht und wer nicht. Die Partner haben das Ganze positiv angenommen und erkennen auch, dass wir in vielen Bereichen unsere Aktivitäten verstärkt haben. Wenn wir zunehmend direkt mit dem Handel zusammenarbeiten, kommen die gestiegenen Verkäufe ja auch der Distribution zugute.
Telecom Handel: Und wie wird der Umbau im Servicebereich angenommen? 
Sievinen: Kundenservice ist ein extrem wichtiges Thema auch für den Handel, deshalb muss unser oberstes Interesse sein, hier ein hohes Niveau für den Kunden zu bieten. Die Basis ist eine hohe Qualität der Produkte. Zukünftig wollen wir zunehmend das Thema Software-Updates behandeln, außerdem nutzen immer mehr Kunden Online-Hilfen. Als Ergebnis muss stehen, dass  Kunden immer weniger Grund haben, sich zu beklagen und dafür den Service nutzen möchten. Wenn Kunden sich jedoch mit einem Problem an uns wenden, muss der Kundenservice weiterhin verlässlich helfen. 

Nokia hält an Symbian fest

Telecom Handel: Spüren Sie die Folgen der Werksschließung in Bochum noch? 
Sievinen: Wir haben eine sehr gute Marke. Wir müssen klarmachen, dass Deutschland auch ohne direkte Produktion für Nokia kein bloßer Absatzmarkt ist. In Deutschland haben wir über 1.100 Beschäftigte an mehreren Standorten, die wichtige Tätigkeiten im weltweiten Verbund haben. So setzen wir vermehrt auf das Internet-Know-how in Berlin, bei dem es vor allem um Location Based Services und Navigation geht. 
Telecom Handel: Eines der neuen Produkte ist das N8. Damit kommt ja auch das neue Symbian-Betriebssystem, auch wenn das nicht jeder auf Anhieb zu merken scheint... 
Sievinen: Das N8 ist für uns ein ganz wichtiges Produkt. Ein positiver Aspekt am neuen Symbian neben 250 Verbesserungen ist, dass es nicht komplett neu aussieht, sondern dass die Anwender ihr gewohntes Betriebssystem wieder erkennen können. Aber wir haben bereits vor einigen Jahren erkannt, dass wir etwas verändern müssen, und das haben wir getan, vor allem was die Benutzung angeht.
Telecom Handel: Etwas überraschend war kürzlich die Ankündigung, dass es kein Symbian 4 im klassischen Sinne geben werde ...
Sievinen: Symbian wird kontinuierlich weiterentwickelt, die Verbesserungen werden aber ständig einfließen, anstatt an einem bestimmten Tag ein komplett neues System auf den Markt zu bringen.
Telecom Handel: Warum halten Sie überhaupt an diesem Betriebssystem fest? 
Sievinen: Es gibt Millionen zufriedene Symbian-Nutzer, in Westeuropa hatte es laut comScore im zweiten Quartal bei den mobilen Betriebssystemen einen Marktanteil von über 50 Prozent. Damit gibt es eine große Basis, für die wir Symbian verbessert haben. Das neue Symbian ist schneller, besser zu bedienen und einfacher für Entwickler. Es ist auch das Mittel, mit dem wir Smartphones zu neuen, günstigeren Preispunkten bringen können.
Telecom Handel: Welche Rolle spielen die anderen Neuheiten?
Sievinen: Neben dem C7, von dem ich glaube, dass es ein neuer Klassiker wird und dem C6, das besonders bei Frauen gut ankommen wird, gibt es  noch das E7, das wir auch den neuen Communicator nennen. Ich vergleiche dieses für uns sehr wichtige Gerät immer mit einem deutschen Auto: Es hat eine sehr hohe Qualität, ein klassisches Design und ist sehr benutzerfreundlich.

"Wir spezialisieren uns nicht auf eine Nische"

Telecom Handel: Viele hätten für dieses Gerät MeeGo als logische Wahl des Betriebssystems gesehen ...
Sievinen: Das wird eher ein Betriebssystem für Produkte, die jenseits des Smartphones angesiedelt sein werden. Unser CEO hat es jetzt als Thema für 2011 auf die Agenda gesetzt. Symbian passt aber auch gut, da Symbian bei vielen professionellen Anwendern einen guten Ruf hat und wir die Office-Funktionen durch unsere Microsoft-Kooperation weiter ausbauen. Außerdem zielt das E7 ja nicht nur auf professionelle Anwender, das Konzept kommt auch bei anderen Nutzern gut an.
Telecom Handel: Gibt es den klassischen Markt für Business-Nutzer überhaupt noch?
Sievinen: Wir sehen die Trennung nicht mehr so strikt wie früher. Es gibt viele Anwender, die ihre Geräte für mehrere Zwecke nutzen, und darin liegt eine große Chance von Symbian. Dennoch ist das Business-Segment für uns sehr wichtig, und wir arbeiten weiterhin daran, unseren Absatz in dieser Zielgruppe zu steigern.
Telecom Handel: Wie kommt das Touch-and-Type-Konzept für einfachere Handys an?
Sievinen: Sehr gut. Gerade in Deutschland. Viele Kunden wollen nicht gleich von ihrem alten Handy auf eine komplette Touchscreen-Bedienung wechseln. Da ist ein solches Produkt ein logischer nächster Schritt.
Telecom Handel: Das sind insgesamt viele Betriebssysteme und Konzepte ...
Sievinen: Wir spezialisieren uns nicht auf eine Nische im Markt, sondern wollen ein breites Sortiment von Produkten weltweit in allen Preissegmenten anbieten. Das unterscheidet uns vom Wettbewerb. Mit Series 40 können wir niedrige Preise bieten, mit Symbian echte Smartphones zu attraktiven Preisen und mit MeeGo High-end-Produkte aus dem Computing-Bereich, bei denen die Leistung im Vordergrund steht.
Telecom Handel: Wie werden die Ovi-Dienste angenommen?
Sievinen: Mitte September hatten wir weltweit zwei Millionen Downloads am Tag im Ovi Store. Ende Oktober waren es bereits 2,7 Millionen, das ist sehr erfolgreich. In Deutschland haben wir die für Kunden wichtige Abrechnung durch die Netzbetreiber eingeführt, da hierzulande die Verbreitung von Kreditkarten relativ gering ist. Wir wollen auch vermehrt heimische Entwickler dafür gewinnen, lokal-relevante Inhalte für unsere Kunden bereitzustellen.




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