Interview mit Telekom-Chef Obermann 22.01.2013, 11:20 Uhr

"Wir stehen erst am Anfang"

René Obermann ist seit 25 Jahren eine feste Größe in der TK-Branche. Mit Telecom Handel sprach der Telekom-Chef über Highlights und Herausforderungen dieser Zeit - und wie der Mobilfunk die Kommunikation revolutionierte.
Telekommunikation und René Obermann, das passt einfach zusammen: Noch während seines Studiums gründete Obermann das Handelsunternehmen ABC Rufsysteme, die heutige The Phone House. Seit dem Jahr 1998 ist er bei der Deutschen Telekom tätig, seit 2006 leitet er als Vorstandsvorsitzender die Geschicke des Bonner Konzerns. Mit ­Telecom Handel sprach Obermann über die Anfänge des Mobilfunks, den Smartphone-Boom sowie Fluch oder Segen von sozialen Netzwerken wie Facebook & Co.
Telecom Handel: Seit nunmehr 25 Jahren verfolgen – und gestalten – Sie den TK-Markt. Was waren für Sie persönlich die ultimativen „Highlights“ in dieser bewegten Zeit?
René Obermann: Ein Highlight rauszu­picken ist schwer. Was wiegt mehr? Die ersten verkauften Autotelefone, die ich damals noch bei der Post in Münster zur Abnahme vorführen musste, oder die ersten zehn Millionen Kunden bei T-Mobile? Oder die Einführung von Apples iPhones in Deutschland durch meine Firma?
Telecom Handel: Und welchen Entwicklungen und Erfindungen der letzten Jahre messen Sie persönlich eine besondere Bedeutung zu?
Obermann: Ganz klar dem mobilen Internet. Nur wenige Entwicklungen haben unser Leben so tief greifend verändert. Und wir stehen noch ganz am Anfang.
Telecom Handel: Sie sind noch als VWL-Student in den TK-Markt eingestiegen und haben gemeinsam mit einem Freund die ABC Rufsysteme gegründet. Was hat Sie dazu bewogen, sich gerade für diese Branche zu entscheiden?
Obermann: Mir war klar, dass das Postmonopol eines Tages fallen würde. Zunächst dachte ich gar nicht mal an Netz-Services, sondern nur an Endgeräte und Technik. Wir dürfen nicht vergessen: Mitte der Achtzigerjahre war es noch absolut üblich, Anrufbeantworter und die gerade aufkommenden Faxgeräte nur von der Bundespost oder größeren lizenzierten Fachfirmen zu kaufen. Die Geräte, die man damals kaufen konnte, waren hoffnungslos überteuert. Ein Anrufbeantworter kostete 2.000 Mark und mehr. Ich begann deshalb, auf eigene Rechnung günstigere Faxgeräte, Eurosignale und Anrufbeantworter zu vertreiben. Klassisch, aus der Studentenbude, später dann aus der Lagerhalle im Hinterhof. Dann kamen Autotelefone, mobile Funksysteme und TK-Anlagen hinzu, später wurden wir Service Provider im Mobilfunk, zeitgleich mit dessen Privatisierung. Die Chance konnten wir zwar erahnen, nicht aber die ganzen Komplikationen dieser sehr expansiven Phase. Aber wir haben es hinbekommen, unsere Kunden waren sehr zufrieden, überwiegend mittelständische Firmen.

"Es hat Spaß gemacht, als Einzelkämpfer den großen, damals noch gelben Riesen zu ärgern"

Telecom Handel: Später wurde aus der ABC Rufsysteme der Mobilfunk-Service-Provider ABC Telekom. Wie haben Sie die Anfänge des Mobilfunk-Booms erlebt?
Obermann: Es hat Spaß gemacht, als Einzelkämpfer den großen, damals noch gelben Riesen zu ärgern. Wir haben uns überlegt, wer die beste Kundengruppe ist: Mittelständler! Dann haben wir uns gefragt, was wollen die? Guten Service, kreative Werbung, günstige Preise. Und wo wir sie am besten erreichen können: samstagmorgens, wenn sie mit ihrer Familie zum Einkaufen in die Stadt fahren. Deswegen haben wir uns in Münster an die Einfahrten von Parkhäusern gestellt und Flugblätter mit dem Slogan verteilt ‚Die Alternative ist gelb (Telefonzelle) und ständig kaputt ... mit einem Autotelefon von ABC Telekom sind Sie immer erreichbar, für 99 Mark im Monat‘. Der Erfolg hat uns selber überrascht.
Telecom Handel: Eine große Rolle spielte für die Mobilfunk-Netzbetreiber seinerzeit auch die legendäre UMTS-Versteigerung – verlief sie wirklich wie ein Thriller?
Obermann: Es war die Zeit des Internet-­Hypes und Glaubens an endloses Wachstum. Entsprechend risikobereit waren viele Spieler und Kapitalgeber im Markt, auch wenn nicht alle eine gute Ausgangsposition hatten. Für uns war es die Grundlage für die erfolgreiche Zukunft unseres Unternehmens. Kein Smartphone liefe heute über unser Netz, wenn wir damals nicht auch eine Lizenz ersteigert hätten.
Telecom Handel: Sie haben den Weg der Deutschen Telekom vom Ex-Monopolisten zum international tätigen Konzern maßgeblich mitgestaltet. Wie hat sich das Unternehmen in dieser Zeit verändert?
Obermann: Das Unternehmen hat sich grundlegend geändert: Früher hieß Kundenfreundlichkeit doch vor allem, dass die Kunden freundlich zu sein hatten. Heute ist der Service bei der Telekom anerkannt gut – auch wenn wir nicht aufhören werden, uns zu verbessern. Dazu kommt, dass der Markt sich massiv verändert. Unser Geschäft ist heute viel komplexer und schnelllebiger als vor zehn Jahren. Längst befinden wir uns im Wettbewerb nicht nur mit anderen großen Konzernen, sondern auch mit Start-up-Unternehmen wie ‚WhatsApp‘. Neue Firmen entstehen dabei in kürzester Zeit quasi aus dem Nichts. Wir haben uns verhältnismäßig gut auf dieses neue Marktumfeld eingestellt, trotzdem müssen wir noch schneller, flexibler und innovativer werden, um als technologiebasierter Dienstleister im Internet-Zeitalter auf Dauer erfolgreich zu sein.

Das erste Handy von René Obermann: ein AEG AT 450C

Telecom Handel: Der Smartphone-Boom hat das Kommunikationsverhalten maßgeblich verändert. Facebook, Twitter und E-Mail sind rund um die Uhr verfügbar. Wie viel Fluch und wie viel Segen steckt Ihrer Ansicht nach in der Technologie? Und nutzen Sie diese auch selbst?
Obermann: Ich nutze vieles selbst und probiere Neues aus. Gerade erst komme ich von einer Reise ins Silicon Valley zurück, wo ich mich mit jungen, kreativen Unternehmern und Investoren getroffen habe. Mein Eindruck ist, dass die Innovationszyklen im mobilen Internet immer kürzer werden und sich am Ende die Produkte und Services durchsetzen, die echten Kundennutzen bringen. Ich vertraue auf die Fähigkeit von Menschen, das Wichtige und Nützliche zu erkennen und alles andere auf Dauer wieder fallen zu lassen, deshalb überwiegt eindeutig der Segen.
Telecom Handel: Können Sie den Hype rund um die neuesten und schicksten Smartphones nachvollziehen?
Obermann: Natürlich. Es ist doch absolut faszinierend, mit welcher Geschwindigkeit hier Innovationen entwickelt werden. Ich erinnere mich an Kellerpartys, zu denen man quadratische Koffer mit seinen LPs mitgenommen hat. Hätte mir damals einer erzählt, dass ich irgendwann mal ein Ding in der Hand halte, das kleiner als eine Tafel Schokolade ist und mit dem ich jederzeit und überall auf 18 Millionen Musiktitel zugreifen kann, ich hätte ihn für verrückt erklärt. Heute kann ich das dank Streaming-Diensten wie Spotify ohne Probleme tun … oder ich habe das Wissen der Welt per ­Smartphone jederzeit im Zugriff. Kein Wunder, dass die Entwicklung die Menschen fasziniert. Am Ende geht es doch um das Wichtigste im Leben: die Kommunikation zwischen Menschen und den Zugang zu allem, was einem wichtig ist, überall und zu jeder Zeit.
Telecom Handel: Welches war Ihr erstes Mobiltelefon?
Obermann: Ein AEG AT 450C – damals noch analog, ein C-Netz-Telefon. Die Ausmaße waren ungefähr die eines Aktenkoffers plus Bedienhörer und Kabelstrang – und es kostete 10.000 D-Mark. Später ein Pocky, auch ein C-Netz-Gerät. Es war schon deutlich kleiner, aber von den Ausmaßen und vom Gewicht erinnerte es eher an einen Backstein. Ach ja, und dann die starre Riesenantenne (lacht).
Telecom Handel: Wie wird sich der TK-Markt aus Ihrer Sicht weiterentwickeln?
Obermann: Es muss sich dringend was ändern, und so wie es ausschaut, tut sich auch was. Spät, aber hoffentlich nicht zu spät. Der ruinöse Preiswettbewerb ist gut für den Verbraucher, aber er lähmt die Investitionsbereitschaft in zukunftsträchtige Infrastruktur. Glasfaserausbau ist teuer, aber für eine Industrienation wie Deutschland unverzichtbar. Deswegen brauchen Firmen, die bereit sind zu investieren, auch die Sicherheit, ihr eingesetztes Geld zurückverdienen zu können. Das war bisher nicht der Fall und deswegen hinken wir in Europa in Sachen Glasfaserausbau hinterher. Aber die jüngsten Signale aus Brüssel geben Anlass zur Hoffnung. Wir stehen bereit – sobald die Vorgaben aus Brüssel in deutsche Regulierungsvorgaben umgesetzt sind, rüsten wir die Anschlüsse auf 100 MBit/s mit Vectoring auf.




Das könnte Sie auch interessieren