Endstation Burn-out-Syndrom 11.06.2012, 18:00 Uhr

Es kann jeden treffen

Ausgebrannt, unmotiviert, verzweifelt - Immer mehr Arbeitnehmer sind vom Burn-out-Syndrom betroffen. Professionelle Hilfe ist unabdingbar, doch oft werden die Anzeichen ignoriert oder gar nicht erst erkannt. Telecom Handel gibt Tipps zur rechtzeitigen Erkennung und zeigt, wie Betroffene am besten reagieren sollten.
(Quelle: Detailblick (Fotolia))
Früher war man überarbeitet, heute „hat man einen Burn-out“. Der Begriff taucht zwar schon in den 1960er-Jahren in diesem Zusammenhang auf, aber erst in den letzten Jahren ist er zu einem regelrechten Modewort geworden.Dazu trugen auch prominente Fälle wie die von Sänger Robbie Williams, TV-Koch Tim Mälzer, Schauspielerin Renée Zellweger oder Fußballstar Sebastian Deisler bei. Sie alle mussten sich irgendwann eingestehen, dass der Akku leer war und sich nicht mehr voll aufladen ließ. Mittlerweile hat fast jeder schon einmal vom Burn-out-Syndrom gehört, doch die wenigsten glauben, dass sie selbst einmal davon betroffen sein könnten.
Bei Künstlern wie Musikern oder Schauspielern wird der Burn-out oft pauschal als Phase fehlender Kreativität abgetan, im Berufsleben sind ohnehin nur Manager anfällig, so die weitverbreitete Meinung.
Es kann jeden treffen
Doch tatsächlich kann es jeden treffen – egal ob Geschäftsführer oder einfacher Angestellter. „Burn-out hat keine konkrete Ursache“, sagt auch Thomas Wolter-Roessler, Inhaber der Unternehmensberatung twr-Coaching. „Es lässt sich nicht sagen, dass zum Beispiel alles, was über eine Arbeitszeit von 80 Stunden pro Woche hinausgeht, automatisch zu Burn-out führt.“
Wolter-Roessler spricht aus eigener Erfahrung. Bis zum Jahr 2010 lief er mehr als 100 Ultra-Marathons und legte 2009 beim Transeurope-Footrace von Süditalien zum Nordkap 4.500 Kilometer in 64 Tagen zurück. Doch dann kam der Burn-out, und der heute 33-Jährige musste sein Leben von Grund auf neu ordnen. 

Streben nach Leistung

Die Ursachen seines eigenen Absturzes ließen sich ohne Weiteres auf andere Burn-out-Fälle übertragen, so Wolter-Roessler. An erster Stelle nennt er dabei das immer stärkere Streben nach Leistung, Geld oder Anerkennung. Dieses Streben kann zum einen vom Betroffenen selbst ausgehen, wie in Wolter-Roesslers Fall, in den meisten Fällen ist es jedoch aufgezwungen, durch den Job im Allgemeinen oder den Vorgesetzten im Speziellen. „Burn-out ist eigentlich ein Problem der Arbeitswelt“, heißt es denn auch in einem entsprechenden Fachartikel des Deutschen Ärzteblatts vom April 2012.
„Die häufigste Ursache ist eine längerfristige Stressbelastung durch andauernd überhöhten Arbeitsaufwand“, erklärt der Arzt Ulrich Palm von der Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität im Gespräch mit Telecom Handel. Die Ruhe- und Urlaubszeiten reichten dann nicht mehr aus, das erhöhte Anspannungsniveau abzubauen, so Palm weiter.
Dieser dauernden Anspannung sehen sich auch immer mehr TK-Reseller ausgesetzt, beispielsweise wenn sie trotz anhaltender Kundenflaute strenge Zielvorgaben erfüllen müssen, um ihren Partnerstatus beim Distributor oder Hersteller nicht zu verlieren.  Die Gefahr eines Burn-out geht in diesem Fall nicht von zu langen Arbeitszeiten aus, sondern vielmehr von dem Gefühl, die gesteckten Ziele nicht erreichen zu können. Vielfach wird dieses Gefühl auch mit nach Hause „geschleppt“, die Betroffenen können nicht richtig abschalten. Die ständige Erreichbarkeit durch Telefon, Mail oder Social Media tut ihr Übriges dazu, dass die sogenannte Work-Life-Balance, also das gesunde Verhältnis zwischen Arbeit und Freizeit, nicht mehr hergestellt werden kann.

Bin ich gefährdet?

Erste Anzeichen
Doch wie erkennt man, ob man Burn-out-gefährdet ist? „Zunächst zeigen sich Angespanntheit, Schlafstörungen, Erschöpfungsgefühl und häufig eine zynische Einstellung und Verbitterung gegenüber Arbeit und Kunden“, erklärt Palm. Auf den Verkäufer bezogen bedeutet dies unter anderem, dass er sich nicht mehr in seine Kunden hineinversetzen will oder kann und entsprechend die Beratungsqualität leidet. Kundenanfragen werden nur noch „mechanisch“ abgearbeitet, die fehlende Begeisterung für den Job ist deutlich spürbar.
Weitere Warnsignale sind andauernde Müdigkeit, mangelnde Konzentrationsfähigkeit und geringere Leistungsfähigkeit. Vor allem bei anhaltenden depressiven Symp­tomen wie Traurigkeit, Niedergeschlagenheit, Gefühlsleere oder Hoffnungslosigkeit sollten die Alarmglocken schrillen. „Verschwinden all diese Symptome wieder in den Ruhezeiten, liegt noch kein Burn-out vor“, erklärt der Arzt. „Zeigen sie sich bei anhaltender Arbeitsbelastung über Wochen und Monate, droht ein Burn-out.“ Aber: Aufgrund der schleichenden Entwicklung beim Burn-out-Syndrom fallen all diese Symptome meist Außenstehenden wie Freunden, Kollegen oder Verwandten zuerst auf, während der Betroffene sie selbst noch nicht als so gravierend wahrnimmt.
Bin ich persönlich betroffen?
Was tun, wenn sich die Zeichen für ein Burn-out-Syndrom mehren? Wer kann mir verlässlich sagen, dass ich betroffen bin und nicht einfach nur gestresst? Viele werden zunächst im Web nach Antworten suchen, Google spuckt mehr als 14 Millionen deutschsprachige Treffer zu dem Stichwort lang_1de&lr=lang_de&sa=X&ei=ysTVT4fiA4m3hAe03YjIAw&ved=0CK0BEKcFKAE&bav=on.2,or.r_gc.r_pw.r_cp.r_qf.,cf.osb&fp=eb6791b9f603fe6&ion=1&biw=1920&bih=961:„Burn-out“ aus. An erster Stelle finden sich auch etliche Tests, meist jedoch von eher geringer Aussagekraft. Als erste Orientierung können sie dennoch dienen, wie etwa der Test auf www.psychomeda.de. Mit rund 100 Fragen und einer Dauer von etwa 20 Minuten ist er vergleichsweise umfassend.
Grundsätzlich gilt aber: Keine Web­site kann den Gang zum Therapeuten, Arzt oder Berater ersetzen. „Das Wichtigste ist, unbedingt professionelle Hilfe einzuholen“, sagt auch Bernd Müller, Partner bei der Unternehmensberatung Agindo und ehemaliger Geschäftsführer der Strax GmbH. „Man sollte nicht versuchen, alles alleine in den Griff zu bekommen, denn das ist alleine schon ein Teil des bestehenden Problems“, so der Berater, der die Auswirkungen des Burn-out-Syndroms selbst erfahren musste und nun Unternehmen bei der Prävention und der Betreuung von Mitarbeitern hilft. 

Professionelle Hilfe

Wellness allein reicht nicht
Und wer vom Burn-out-Syndrom betroffen ist, braucht diese Hilfe in jedem Fall. Denn meist sind die eigenen Energiereserven schon derart niedrig, dass man es aus eigenem Antrieb nicht mehr schafft, das Ruder herumzureißen. Richtig gefährlich kann es werden, wenn man auf das Halbwissen von Freunden oder Bekannten zurückgreift oder sich gar mit Tipps aus dem Web selbst zu heilen versucht. „Wellness-Behandlungen reichen bei einem Burn-out niemals aus“, warnt Ulrich Palm. Diese würden zwar die Arbeitsfähigkeit kurzfristig wieder herstellen, die auslösenden Faktoren ließen sich aber damit nicht beseitigen.
Und: Das Burn-out ist schlimmstenfalls noch nicht die letzte Stufe. Wird es nicht fachkundig behandelt, drohen Folgeerkrankungen wie Depressionen oder Angsterkrankungen. „Auf keinen Fall sollte man für sechs Wochen in Kur gehen, um dann wieder in die gleiche Tretmühle einzusteigen, der man gerade entkommen ist“, sagt auch die Heilpraktikerin Tanja Hindelang aus Rosenheim. 
Wer vom Burn-out-Syndrom betroffen ist, muss sich darüber im Klaren sein, dass er sein Leben komplett umkrempeln muss. Wenn man es schon nicht im Vorfeld getan hat, sollte man sich nun auf jeden Fall mit dem Arbeitgeber zusammensetzen und Änderungen im Arbeitsablauf vereinbaren. Es geht also um eine langfristige Veränderung der Situation am Arbeitsplatz und um eine Überprüfung der eigenen Ziele und Wertvorstellungen.
„Neben der ärztlichen Behandlung der akuten Symptome, gegebenenfalls durch Psychopharmaka oder auch in Form eines Klinikaufenthalts, empfehle ich allen Betroffenen, sich auf den Weg zu den Ursachen ihrer Erkrankung zu machen“, rät Wolter-Roessler. Und diese liegen meist auf beiden Seiten. Zum einen beim Arbeitgeber, der immer mehr Arbeit in kürzerer Zeit von immer weniger Angestellten erledigt haben will. Zum anderen beim perfektionistischen Angestellten, der sich immer mehr Verantwortung auflädt oder aufladen lässt, ohne seine Belastungsgrenze zu kennen. „Viele haben einfach nicht den Mut, dem Arbeitgeber zu sagen, dass der Druck zu groß ist“, so Hindelang.
Ein schwieriger Weg zurück
Theoretisch kann jeder in die Burn-out-Falle tappen, da die Vorzeichen oft ignoriert oder nicht erkannt werden. Nur mit professioneller Hilfe und dem Willen, etwas zu verändern, schafft man den Weg zurück in ein normales Arbeits- und Privatleben.