Stoßzeiten 27.07.2016, 11:00 Uhr

Hochbetrieb am PoS: So behalten Sie die Nerven

Wenn im Laden Hochbetrieb herrscht, braucht man als Verkäufer Nerven aus Stahl. Telecom Handel gibt Tipps, wie man auch bei hohem Kundenaufkommen nicht den Überblick verliert.
(Quelle: vectorstockstoker - shutterstock)
von Thomas Bottin, Verkaufstrainer für den beratungsintensiven Verkauf
Der amerikanische Bankräuber Willie Sutton wurde einmal gefragt, warum er immer wieder Banken überfalle. Seine Antwort darauf war kurz und einleuchtend: Weil dort das Geld ist.
Diese Weisheit kann man ein wenig abgewandelt auch auf die Stoßzeiten im Handel an­wenden: Warum sind stresserprobte Verkäufer in Phasen des Hochbetriebs so wichtig? Die Antwort: Weil genau dann das Geld verdient wird. Immer wenn im Laden Hochbetrieb herrscht, erfordert das vom gesamten Verkaufsteam besondere Konzentration – und die richtige Verkaufsstrategie.
Sicherlich hat jeder von uns schon einmal als Kunde einen genervten, überforderten Verkäufer erlebt, dem der Stress in einem übervollen Laden buchstäblich ins Gesicht geschrieben stand. Obwohl jeder diese Situation nachvollziehen und verstehen kann, ist eins auch klar: Keiner kauft aus Mitleid. Der Kunde ist immer Egoist. Egal, wie voll der Laden auch ist: Der Kunde hat zwar Verständnis für gewisse Wartezeiten, aber er erwartet immer auch einen gewissen Beratungsstandard.
Gerade wenn es stressig wird, trennt sich die Spreu vom Weizen. Deswegen ist die Frage: Was macht der stresserprobte Verkäufer anders als sein überforderter Kollege? Mit welchen Strategien und Vorgehensweisen schafft er es, auch bei einem hohen Kundenaufkommen nicht den Überblick zu verlieren, Kunden angemessen zu beraten und abschlusssicher zu verkaufen?

Tipp 1: Ignorieren Sie nie Ihre Kunden

Es gibt Verkäufer, die sind zu hundert Prozent bei ihrem Kunden. Das findet der super. Allerdings nur so lange, wie er nicht derjenige ist, der auf eine Beratung von diesem Verkäufer wartet. Wenn der Verkäufer keinen Blickkontakt aufnimmt und dem Kunden damit signalisiert, dass er ihn wahrgenommen hat, wird der unruhig. Noch schlimmer wird die Unruhe, wenn er nicht allein wartet, sondern noch zwei bis drei andere Kunden neben ihm auf den richtigen Zeitpunkt harren, um den Verkäufer in Beschlag zu nehmen.
Den Gipfel der Unruhe erreicht der Kunde aber dann, wenn sich das „Konzentrationswunder in Verkäufermontur“ anschließend seelenruhig umdreht und fragt: „Wer ist der Nächste?“ Und seien Sie sicher, es gibt immer einen, der nach Ihnen kommt und trotzdem behauptet, er sei Erster. Das nervt – und genervte Kunden kaufen nicht.

Die Vier-Schritte-Technik für wartende Kunden 

Dabei lässt sich dieses Szenario mit einfachen Mitteln von Seiten des Verkäufers entspannen. Dazu sind nur vier Schritte notwendig:
  • Blickkontakt
  • Nicken
  • Lächeln
  • Der Satz: „Ich bin gleich bei Ihnen!“
Das gibt dem Kunden die Sicherheit, wahrgenommen worden zu sein. Er ist beruhigt und dadurch bereit, noch ein Weilchen zu warten.

Den Blick für die Gesamtsituation bewahren

Der Satz „Ich bin gleich bei Ihnen“ sollte allerdings auch der Wahrheit entsprechen. Wenn Sie absehen können, dass Ihr Verkaufsgespräch doch noch ein wenig dauert oder gleich mehrere Kunden auf Ihre Beratung warten, prüfen Sie kurz, ob nicht ein Kollege einen Kunden übernehmen kann. Schicken Sie aber niemals einen Kunden weg mit den Worten: „Wenden Sie sich doch bitte an meinen Kollegen, der mit den roten Haaren und dem blauen Hemd. Der muss irgendwo rumlaufen.“ Signalisieren Sie stattdessen Ihrem Kollegen, dass Sie einen Kunden zu ihm schicken. Das demonstriert Fürsorge und schafft Vertrauen.

Die Beratungsreihenfolge beachten, wenn mehrere Kunden warten 

Bei mehreren wartenden Kunden ist es besonders wichtig, auch die Reihenfolge richtig zu erfassen. Denn wenn die Beratungsreihenfolge nicht eingehalten wird, ist Ärger vorprogrammiert. Nicht selten haben Sie aber auch die Möglichkeit, aus der Not eine Tugend zu machen und von der Einzelberatung in die Parallelbedienung zu wechseln.

Tipp 2: Arbeiten Sie mit Parallelbedienung

Bei der Parallelbedienung werden mehrere Kunden gleichzeitig beraten, die sich alle für ein spezielles Produkt interessieren. Das ist natürlich nur möglich, wenn die Kunden einverstanden sind.
Kunden wollen Smartphones oder Tablets in der Regel testen, bevor sie sich zum Kauf entschließen
Quelle: Canadapanda -Shutterstock
Beispiel: In einem Mobilfunk-Shop ist ein neues Smartphone zu einem erschwinglichen Preis frisch ins Angebot gekommen. Drei interessierte Kundenpaare haben noch ein paar Fragen zu dem Gerät. Der Verkäufer schlägt den Kunden vor, alle gemeinsam zu beraten und auf alle Fragen einzugehen.
Mit diesem kleinen Beratungskunstgriff wird dann plötzlich aus einer anonymen Schlange wartender Kunden eine Einkaufsgemeinschaft. Der Kunde fühlt sich teilweise noch umfassender beraten, weil er Antworten auf Fragen bekommt, die ihm selbst gar nicht in den Sinn gekommen sind.
Nicht selten entwickelt sich in der Gruppe auch eine ganz eigene Dynamik. Denn wenn sich ein Kunde zum Kauf entschließt, ziehen die anderen häufig nach. Vielleicht haben Sie dieses Phänomen auch schon mal auf einem Markt- oder Messestand beobachtet, an dem ein Verkäufer eine Verkaufspräsentation durchführt. Sobald der erste Kunde kauft, klingelt die Kasse, weil andere Kunden nachziehen.

So laden Sie die Kunden zur Parallelbedienung ein

Wenn Sie eine Parallelbedienung starten möchten, dann tun Sie das in der Regel in zwei Schritten:
1. Körpersprache und Position zu den Kunden: Zunächst nehmen Sie alle wartenden Kunden, wie in Tipp 1 beschrieben, durch Nicken und Lächeln wahr. Jetzt ist es wichtig, dass Sie die wartenden Kunden nicht durch Ihre Körpersprache von dem Verkaufsgespräch ausschließen. Das passiert dann, wenn Sie sich so positionieren, dass Sie wartenden Kunden den Rücken zukehren.
Stattdessen positionieren Sie sich so, dass Sie mit Ihren Kunden einen Halbkreis bilden. Idealerweise stehen Sie mit Ihren Kunden um das Produkt her­um. Wenn das nicht möglich ist, weil Sie zum Beispiel Smartphones präsentieren, die fest am Regal montiert sind, dann stellen Sie sich mit dem Rücken zum Regal. So haben Sie alle Kunden im Blick und schließen niemanden aus.
2. Einladung und Erlaubnis zur Parallelbedienung: In der Regel merken Sie schon am Aufmerksamkeitsgrad der wartenden Kunden, ob diese sich für das gleiche Produkt interessieren oder ob sie lediglich darauf warten, dass Sie mit Ihrer Beratung fertig sind. Wenn der Aufmerksamkeitsgrad hoch ist und Sie das Gefühl haben, die Kunden interessieren sich alle für das gleiche Produkt, laden Sie Ihre Kunden zur Parallelbedienung ein.
Stellen Sie dazu den wartenden Kunden folgende Frage: „Sie interessieren sich auch alle für dieses Produkt?“ Danach wenden Sie sich an Ihren aktuellen Kunden und fragen nach der Erlaubnis zur Par­allelbedienung: „Wenn es für Sie in Ordnung ist, dann können wir uns auch alle gemeinsam das Smartphone anschauen?“ Ist Ihr Kunde damit einverstanden, dann ermuntern Sie als Nächstes alle Kunden der neuen Gruppe dazu, Fragen zu stellen.

Tipp 3: Nutzen Sie freie Zeit für Mehrfachbedienung

In den Ferien oder samstags zieht es besonders viele Kunden in die Einkaufstempel ihrer Stadt
Quelle: IR Stone - Shutterstock
Wenn viel los ist, greifen versierte Verkäufer gerne auf die Methode der Mehrfachbedienung zurück. Ähnlich wie bei der Par­allelbedienung kümmern sie sich bei der Mehrfachbedienung gleichzeitig um mehrere Kunden. Anders als bei der Parallelbedienung werden bei der Mehrfachbedienung allerdings mehrere Kunden abwechselnd beraten.
Natürlich ist diese Art der Verkaufsberatung nur möglich, wenn der Kunde die Zwischenzeit sinnvoll nutzen kann, in der Sie bei dem anderen Kunden sind. In der Bekleidungsabteilung ist es zum Beispiel recht gängig, dass Verkäufer die Kunden beraten und in der Zeit, in der die Kleidung anprobiert wird, kurz zu einem anderen Kunden wechseln. Das Gleiche gilt für die Zeit, in der der Kunde die Funktionen eines Smartphones testet.
Teilen Sie dem Kunden aber auf jeden Fall mit, dass Sie sich kurz um andere Kunden kümmern, während er beschäftigt ist. Weisen Sie auch den neuen Kunden darauf hin, dass Sie gerade mehrere Kundengespräche führen. In der Regel haben Kunden dafür Verständnis und nehmen kürzere Wartezeiten ohne Probleme in Kauf.

Tipp 4: Setzen Sie Prioritäten mit Filterfragen

Besonders wenn im Laden viel los ist, wird es wichtig, als Verkäufer mit der eigenen Zeit verantwortlich umzugehen und Prioritäten zu setzen. Das bedeutet, die Beratung des Kunden so lange wie nötig und so kurz wie möglich zu halten. Nichts ist fataler, als einem Kunden, der nur mal vorbeischaut, weil er immer schon mal das neueste Highend-Smartphone anschauen  wollte, ausführlichst zu beraten, während sich drei echte Kaufinteressenten gleichzeitig die Beine in den Bauch stehen. Wahrscheinlich gehen dann zwei von diesen dreien sowieso zur Konkurrenz, weil sie sich einfach nicht wertgeschätzt fühlen. Um das zu verhindern, macht es Sinn, sich noch vor der Beratung erste Hinweise über die Verkaufschancen abzuholen.
Wenn Sie wissen, dass Sie mit hoher Wahrscheinlichkeit keinen „Kaufkunden“, sondern nur einen „Sehkunden“ haben, können Sie entscheiden, die Beratung möglichst kurz zu halten. Aber wie finden Sie das heraus? Schließlich können Sie ja nicht als Erstes fragen: „Na und, wollen Sie was kaufen oder sind Sie nur ein ‚Sehkunde‘?“ Da muss schon eleganter gearbeitet werden, und zwar mit ganz speziellen Fragen. Hier kommen die Sprachmuster für diese Unterscheidungsfragen:
Frage 1: „Ist das Produkt für Sie selbst?“ Wenn die Antwort auf diese Frage lautet „Nein, ich schaue nur für einen Freund“, dann ist klar, dass es sich um einen „Sehkunden“ handelt, denn es fehlt der Freund, der als Entscheider, Bezahler und Nutzer den Kauf perfekt machen könnte. Häufig treten diese drei Rollen in Personalunion auf.
Frage 2: „Was ist denn mit Ihrem alten Produkt passiert?“ Mit dieser Frage erkundigen Sie sich geschickt nach dem Kaufgrund. Sie setzen einfach mal voraus, dass Ihr Kunde bereits ein Altprodukt besitzt. Im Mobilfunkhandel würde die Frage lauten „Und was ist mit Ihrem alten Smartphone passiert?“ Wenn als Antwort kommt „Das ist geklaut worden“, dann wissen Sie, es handelt sich um eine dringende Ersatzbeschaffung – die Kaufwahrscheinlichkeit ist hoch. Lautet die Antwort aber „Na ja, das geht noch, aber der Akku gibt langsam seinen Geist auf“, dann handelt es sich um eine vorgezogene Ersatzbeschaffung mit einer geringeren Dringlichkeit.
Frage 3: „Wann wollen Sie mit Ihrem neuen Produkt starten?“ Endgültige Klarheit über Ihre Verkaufschancen erhalten Sie mit der Antwort auf die dritte Unterscheidungsfrage. Bleiben wir beim Beispiel Smartphone-Kauf. Sie merken, es macht einen großen Unterschied, ob Ihr Kunde antwortet: „Na ja, noch geht mein altes Smartphone ja, aber spätestens wenn es den Geist aufgibt, brauche ich ein neues.“ Oder ob er sagt: „Wenn Sie was Ordentliches dahaben, dann …“
Nur Mut, besonders wenn es hoch hergeht, können die Filterfragen echte Umsatzbringer beziehungsweise auch Umsatzretter werden.

Tipp 5: Erkennen und nutzen Sie Kaufsignale

Es gibt da draußen Verkäufer, die brauchen für einen Verkaufsabschluss nur halb so lange wie ihre Kollegen. Diese Fähigkeit ist natürlich besonders gefragt bei Hochbetrieb. Was ist also das Geheimnis dieser „Schnellabschließer“? Ganz einfach, sie haben das perfekte Timing im Verkaufsgespräch. Sie wissen, wann sie nach dem Abschluss fragen müssen. Und sie wissen das deshalb, weil sie in der Lage sind, Kaufsignale zu erkennen und zu nutzen. Kaufsignale sind verbale oder nonverbale Hinweise, die ein Kunde Ihnen gibt, wenn er bereit ist, den nächsten Schritt zu machen.
Weil man ja nie weiß, wann der Kunde abschlussbereit ist, muss man ständig damit rechnen, dass der Kunde Kaufsignale gibt. Die amerikanischen Verkäufer haben eine Redensart: „ABC – always be closing.“ Übersetzt bedeutet das ungefähr: „Sei immer abschlussbereit.“
Achten Sie also besonders in stressigen Situationen auf typische Kauf­signale:
  • Der Kunde fragt nach Zubehör oder Ersatzteilen.
  • Der Kunde fragt nach Zahlungsbedingungen.
  • Der Kunde spricht über den Kauf in der Vergangenheit.
  • Der Kunde trifft positive Detailentscheidungen.
  • Der Kunde fragt nach Empfehlung oder Referenzen.
  • Der Kunden fragt nach Nachlass oder Rabatt.

Tipp 6: Verkaufen Sie abschlusssicher

Wenn viel los ist, kommt dem Abschluss eine besondere Bedeutung zu. Wer bei Hochbetrieb in seinen Verkaufsgesprächen keine aktiven Abschlusstechniken einsetzt und den Kunden im Gespräch fragt, ob er kaufen möchte, macht seinen Job nur zur Hälfte. Ein leerer Laden verzeiht diesen Fehler vielleicht, weil ich Zeit genug habe, mich so lange um den Kunden zu kümmern, bis er von sich aus den Sack zumacht. In einem vollen Laden fehlt dafür aber die Zeit. Deswegen helfen Sie Ihren Kunden dabei, sich zu entscheiden.
Viele Kunden brauchen noch einen letzten Impuls, um Ja zu sagen. Formulieren Sie Ihre Fragen so, dass der Abschluss vorausgesetzt wird. Gehen Sie am Ende des Verkaufsgesprächs einfach davon aus, dass Ihr Kunde kaufen möchte, dann strahlen Sie automatisch die notwendige Sicherheit aus. Verkomplizieren Sie diesen Punkt nicht, sondern seien Sie direkt. Eine einfache, direkte, aber wirkungsvolle Technik ist die „Nur oder auch“-Abschlusstechnik. Sobald Sie gegen Ende des Verkaufsgesprächs ein Kaufsignal wahrnehmen, können Sie damit den Sack zumachen.

Beispiele:
  • „Wollen Sie nur das Smartphone oder auch eine Schutzhülle?“
  • „Möchten Sie nur das Tablet oder auch einen Vertrag dazu?“
Diese Abschlusstechnik ist deshalb so charmant, weil man mit ihr automatisch den Zusatzverkauf anschiebt.

Tipp 7: Fördern Sie den Teamgedanken

Wenn Sie alle Joker für eine effiziente Beratung in einem stressigen Umfeld ziehen (Parallelbedienung, Mehrfachbedienung, Filterfragen, Kaufsignale und Abschlusstechniken), leisten Sie hervorragende Arbeit. Um dem Ganzen noch das i-Tüpfelchen aufzusetzen, ist es wichtig, dass nicht nur Sie alles richtig machen, sondern das gesamte Verkaufsteam.
Wenn Sie viele Kunden erwarten, setzen Sie für diesen Tag eine Vorbesprechung und eine Nachbesprechung an. In der Vorbesprechung gehen Sie die einzelnen Punkte für eine effiziente Beratung bei hohem Kundenaufkommen durch. Gleichzeitig machen Sie sich deutlich, wie wichtig der Teamgedanke an diesem Tag sein wird.
Manchmal sammeln sich zig Kunden um einen Verkäufer, während der Kollege 20 Meter weiter Ware auspackt. Bei Hochkonjunktur gilt noch mehr als sonst auch der Grundsatz: Kunde vor Ware. Kein Verkäufer darf an solchen Tagen reaktiv darauf warten, dass Kunden den Weg zu ihm finden. Jeder Verkäufer im Team muss an diesen Tagen den Blick für die Fläche haben. Wo kann ich Kollegen aushelfen, die in der Mehrfachberatung sind? Wo stehen Kunden bei einem Kollegen und warten auf eine Beratung?
Wie gut der Teamgedanke an diesem Tag funktioniert hat, wird in der Nachbe­sprechung thematisiert. Dadurch, dass Sie über diese Themen sprechen, bilden Sie effiziente und starke Verkaufsgewohnheiten im Team, die Ihnen helfen, auch an stressigen Tagen Ihren Verkaufsjob souverän zu erledigen.




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