Einigung
13.11.2019, 16:00 Uhr
Telekom bietet Call-by-Call und Preselection bis Ende 2022 an
Die Deutsche Telekom wird auch in Zukunft Call-by-Call und Preselection anbieten - obwohl sie wohl schon bald nicht mehr gesetzlich dazu verpflichtet sein wird. Darauf verständigte sich der Bonner Konzern mit den beiden TK-Verbänden VATM und DVTM.
Call by Call und Preselection werden auch heute noch vor allem von älteren Menschen intensiv genutzt
(Quelle: StockLite/Shutterstock)
Die Ankündigung der Bundesnetzagentur, die Deutsche Telekom in Zukunft nicht mehr zur Bereitstellung von Call-by-Call und Preselection verpflichten zu wollen, hatte im Juli dieses Jahres sowohl bei den Anbietern als auch bei den Nutzern solcher Dienste für einen Aufschrei gesorgt.
Doch es geschah Erstaunliches: In selten gekannter Eintracht hatten sich der Verband der Anbieter von Telekommunikations- und Mehrwertdiensten (VATM) sowie der Deutsche Verband für Telekommunikation und Medien (DVTM) gemeinsam mit der Deutschen Telekom an einen Tisch gesetzt, um eine einvernehmliche Marktlösung im Sinne aller Parteien - und unabhängig von der Bundesnetzagentur - zu finden.
Nun liegt das Ergebnis vor. Wie die drei Verhandlungspartner mitteilten, wird die Deutsche Telekom das Call-by-Call- und Preselection-Angebot gegenüber ihren Endkunden bis zum 31. Dezember 2022 aufrechterhalten. Der Vereinbarung können alle Unternehmen, die solche Dienste anbieten, ohne weiteres beitreten, hieß es weiter.
Die gefundene Lösung soll einen „sanften“ Ausstieg aus diesem Marktmodell mit einer langen Übergangszeit ermöglichen, auf die der Markt sich mit kundenfreundlichen Alternativen einstellen kann. Mit dieser Vereinbarung sei auch aus Sicht der Verbände eine staatliche Regulierung des Endkundenmarktes für Sprachtelefonie und für Call-by-Call nicht mehr erforderlich.
Entsprechend zufrieden gaben sich alle Beteiligten: „Die Vereinbarung zeigt, dass im Markt einvernehmliche Lösungen gefunden werden können“, so Pascal Koppetsch, Verhandlungsführer der Deutschen Telekom. „Der Wettbewerb in der Telekommunikation ist mittlerweile soweit gediehen, dass immer öfter auf einen regulatorischen Eingriff verzichtet werden kann.“
Ähnlich sieht das VATM-Geschäftsführer Jürgen Grützner: „Wo Wettbewerb schrittweise funktioniert und Einigungen mit der Telekom erzielt werden, braucht es keinen Regulierer mehr, der Wettbewerb erzwingt.“
DVTM-Vorstand Renatus Zilles schließlich betonte, wie stolz man darauf sei, in einem stark umkämpften Wettbewerbsumfeld eine trilaterale, partnerschaftliche Lösung auf freiwilliger Basis gefunden zu haben. Er freue sich, dass die Idee eines „Phase-Out-Modells“ zu dieser bemerkenswerten Branchenlösung geführt habe.
Koppetsch sieht in der Vereinbarung sogar eine wichtige Weichenstellung für die Zukunft: „In dem Geiste dieser Vereinbarung wollen wir auch in Zukunft vermehrt zusammenarbeiten und wichtige Themen möglichst im Marktkonsens regeln, zumindest aber im Sinne von Verbrauchern und Wirtschaft auch bei schwierigen Themen Differenzen geordnet diskutieren.“
Call-by-Call und Preselection immer noch populär
Der Kampf um die Sparvorwahlen nimmt somit ein versöhnliches Ende. Dies ist umso erfreulicher, da allen Flatrate-Angeboten zum Trotz in Deutschland im Jahr immer noch rund fünf Milliarden Gesprächsminuten über Call-by-Call und Preselection abgewickelt werden. Die Möglichkeit, über den Anschluss des eigenen Anbieters auch die Dienstleistungen alternativer Telefongesellschaften nutzen zu können, spielte bei der Liberalisierung des heimischen TK-Marktes eine große Rolle. 1998 wurde die Deutsche Telekom im Zuge der Marktöffnung dazu verpflichtet, ihren Endkunden diese Dienste anzubieten. Heute erfreuen sich die Sparvorwahlen vor allem bei älteren Menschen immer noch großer Beliebtheit.
Allerdings hatte die EU-Kommission bereits im vergangenen Jahr entschieden, dass Call-by-Call und Preselection im europäischen Binnenmarkt keine wichtige Rolle mehr spielen und weitgehend in Europa durch Internetkommunikation abgelöst worden sind.
Tatsächlich sank mit dem Aufkommen neuer Angebote im Markt wie Flatrates, WhatsApp und Mobilfunkkommunikation die Nutzerzahl in den letzten Jahren. Dennoch sind es hierzulande immer noch rund 90 Anbieter, die vor allem günstige Tarife ins Ausland oder in Mobilfunknetze anbieten.
Der im Juli von der Bundesnetzagentur vorgelegte Entscheidungsentwurf, der die Abschaffung von Preselection und Call-by-Call vorsieht, sorgte dann auch für entsprechend heftige Reaktionen: „Die EU-Kommission hat die Besonderheiten des deutschen Marktes nicht ausreichend berücksichtigt“, wettert damals VATM-Chef Jürgen Grützner. So hätten die Sparvorwahlen hierzulande seit der Liberalisierung des Markts erheblich zu verbraucherfreundlichen Preisen beigetragen. „Statt den verbraucherfreundlichen deutschen Weg zu unterstützen, hat die EU eigene Vorstellungen durchgedrückt, die statt zu versprochenen Preissenkungen, in Wahrheit zu erheblichen Preissteigerungen geführt hätten.“
Zur Erklärung: Die EU hat durchgesetzt, dass seit dem 15. Mai 2019 alle Anrufe ins europäische Ausland sowohl im Festnetz als auch mobil nur noch maximal 22 Cent kosten dürfen. Allerdings liegen in Deutschland die Verbraucherpreise dank Call-by-Call auf einem ganz anderen, deutlich niedrigeren Niveau. „Bei einem Wegfall von Call-by-Call wäre nicht nur die Sparmöglichkeit für die Bürger entfallen, die diese Vorwahlen nutzen – mangels Wettbewerb dürften auch für viele andere Kunden die Preise in Richtung der von der EU genehmigten 22 Cent anziehen“, so Grützner damals.
Mit der jetzt erzielten Einigung zwischen der Telekom und den beiden Verbänden sind solche Befürchtungen erst einmal vom Tisch - und auch die Anbieter der Sparvorwahlen haben ausreichend Zeit, ihre Geschäftsmodelle umzustellen.
So spielt es auch keine Rolle mehr, dass das Verfahren bereits zur Überprüfung bei der EU-Kommission in Brüssel liegt. Wenn es in den nächsten Wochen so abgeschlossen wird, wird die Deutsche Telekom nicht mehr behördlich verpflichtet sein, Call-by-Call und Preselection anzubieten.