Hospitality 24.09.2010, 11:19 Uhr

Der Schlüssel zu neuen Branchen

Hotels profitieren seit Jahresanfang vom reduzierten Mehrwertsteuersatz, was zu einer steigenden Investitionsbereitschaft im Hospitality-Bereich geführt hat. Was der Channel bei der Akquisition von Neukunden beachten muss, erfahren Sie hier.
Rund 45.000 Hotels, Gasthöfe und Pensionen gibt es laut einer Statistik vom Deutschen Hotel- und Gaststättenverband e.V. (DEHOGA) hierzulande – und all diese Betriebe profitieren seit Anfang des Jahres von einem Geschenk der Bundesregierung: der Senkung des Mehrwertsteuersatzes von früher 19 auf heute sieben Prozent. „Die Hoteliers werden die ersparte Mehrwertsteuer durch Investitionen in den Wirtschaftskreislauf zurückführen“, erklärte Fritz G. Dreesen, Vorsitzender des Hotelverbandes Deutschland (IHA), Ende letzten Jahres und versuchte damit, den neidischen Aufschrei anderer Branchen, die weiterhin 19 Prozent Mehrwertsteuer für ihre Produkte und Dienstleistungen abführen müssen, zu entkräften.
Telecom Handel hat deshalb bei den ITK-Herstellern nachgefragt, ob auch sie von der erhöhten Investitionsbereitschaft der Hospitality-Branche profitieren. Heraus kam  – wenn auch zum Teil verhaltener – Optimismus: Thorsten Spanka, Director Sales Hospitality bei Siemens Enterprise Communications (SEN), stellt zum Beispiel fest, dass die Hotel-Branche vor allem in die Aus- und Weiterbildung des Personals investiert – „das kommt uns natürlich nicht direkt zugute, aber man spürt den Aufschwung in der Branche, und davon werden dann auch wir profitieren.“ Avaya-Geschäftsführer Robert Schmitz wiederum glaubt, ein „gestiegenes Interesse an IP-Telefonielösungen in den letzten Monaten“ zu erkennen, und bei der Telekom attestiert man gar ein „deutliches Plus in der Investitionsbereitschaft“.
Konkrete Zahlen nennt wiederum Norbert Roller, Channel Head von Zyxel Deutschland: „Die Anzahl und der Umfang der Projekte haben sich um rund 15 Prozent erhöht.“
Gute Geschäfte bestätigt denn auch Roland Zitzelsberger, Geschäftsführer des Münchner Systemhauses MNG Networks GmbH. Er hat vor rund vier Jahren die Installation von WLAN-Lösungen für Hotels in sein Portfolio aufgenommen – zu einer Zeit also, in der viele Unternehmen in diesem Segment bereits von Carriern wie der Telekom oder Swisscom mit einer Hotspot-Lösung versorgt wurden. Dennoch konnte er in dieser Branche Fuß fassen – mit Beharrlichkeit und Flexibilität (siehe Interview).

Die Besonderheiten der Branche

Denn ganz so einfach ist es nicht, in der Hospitality-Branche als Anbieter von ITK-Lösungen den Einstieg zu finden. Dies liegt vor allem an den ganz besonderen Anforderungen, die Hard- und Software in diesem Segment erfüllen müssen: Je nach Kategorie des Betriebs stehen dabei andere Key-Features im Vordergrund.
Bei größeren und mittleren Hotels ist zum Beispiel die Anbindung des Front-Office-Systems (FOS) an die TK-Anlage ein entscheidender Faktor. In diesem werden beispielsweise Check-in und Check-out-Zeiten der Gäste festgehalten, aber auch Entnahmen aus der Minibar oder die gewünschte Weckzeit.
Das Ziel: Der Informationsfluss innerhalb des Hotels wird optimiert, Kommunikationswege werden dabei so kurz wie möglich gehalten. So steuern zum Beispiel in manchen Hotels die Reinigungskräfte über die TK-Anlage den Zimmerstatus. Die Rezeption sieht dadurch, ob Räume bereits gereinigt wurden und neu belegt werden können. Gäste wiederum können ein Zimmer gegebenenfalls früher beziehen, nicht erst wie sonst üblich um 15.00 Uhr. Ein Vorteil, den sie schätzen und der vielleicht bei der nächsten Reise den Ausschlag für die Buchung genau dieses Hotels gibt. Und Hotels mit vielen internationalen Gästen werden beispielsweise darauf achten, dass die TK-Anlage über eine Voicemail-Abfrage verfügt, die über mindestens drei Sprachen möglich ist.
In kleineren Hotels oder Pensionen hingegen sind die Ansprüche an die ITK-Anlagen meist deutlich geringer. Hier kann es sein, dass schon eine einfache Auswertung der Telefongebühren der einzelnen Zimmer als wichtiges Merkmal gesehen wird. In größeren Hotels wiederum soll neben der reinen Gebührenabrechnung für Telefonate auch der Internet-Zugang über LAN, WLAN oder ADSL möglich sein.
Die Beispiele zeigen: Die Anforderungen an die Anlagen sind unterschiedlich, der Beratungsbedarf bei den Kunden groß. Lohnt sich da der Einstieg für den Channel?

Gute Geschäfte für den Channel

„Ja, er lohnt sich“, bekräftigt Aastra-Vertriebsleiter Michael Page – um gleich darauf allzu große Erwartungen einzuschränken: „Doch es gibt natürlich auch Markteintrittsbarrieren.“ Systemhäuser müssen umdenken und sich auf die speziellen Anforderungen und Probleme der Hotellerie einstellen. „Es geht in dieser Branche weniger um die reine Technik, sondern darum, Gäste in jeglicher Hinsicht zufrieden zu stellen.“ Wer in der Hotelbranche also Erfolg haben möchte, muss lernen, wie ein Insider zu denken.
Außerdem gilt es, bei der Akquise einige Besonderheiten zu beachten: Die großen Hotelketten orientieren sich zum Beispiel meist an den dominierenden Anbietern am Markt und wenden sich in der Evaluierungsphase – wenn sie also die Anschaffung einer neuen Lösung planen – direkt an diese. Der Hersteller stellt dem Hotel dann seine Systeme zur Verfügung, die das Hotel in seinen eigenen Testlaboren laufen lässt. Genügt es den Anforderungen, so erfolgt ein Hotellisting mit den passenden Anbietern. Und schließlich kommt die bekannte Ausschreibung, bei der der Hersteller dann – bei einigen Herstellern auch gemeinsam mit seinen Partnern – ein Angebot entwirft.
Individual-Hotels dagegen sind nicht an Rahmenverträge gebunden und damit völlig frei in ihren Entscheidungen. Sie folgen teilweise aber Empfehlungen ihrer Verbände: In Deutschland ist dies vorwiegend die Dehoga (www.dehoga.de), der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband sowie der Hotelverband Deutschland (www.iha.de).
„Wenn Service und Dienstleistungen stimmen, dann sind die Umsatzchancen sehr hoch“, betont noch einmal SEN-Manager Spanka. Denn für den Channel spreche vor allem eines: „Hotels erwarten einen zuverlässigen Partner in regionaler Nähe.“   

Interview mit Roland Zitzelsberger, Geschäftsführer MNG Networks GmbH in München

Telecom Handel: Sie haben vor rund vier Jahren angefangen, Hotels und Gastronomiebetrieben Hotspot-Lösungen anzubieten. War der Markt damals nicht schon besetzt?
Roland Zitzelsberger: Sicher, damals hatten schon viele Hotels oder Gaststätten eine Hotspot-Lösung installiert, allerdings meist auf Mietbasis von der Telekom oder Swisscom. Bei diesen Lösungen waren die Betreiber sehr eng an die Vorgaben des Carriers gebunden, beispielsweise mussten sie die Preisvorgaben des Carriers an den Kunden weitergeben. Viele waren deshalb unzufrieden, deshalb trafen wir mit unserem Angebot auf offene Türen.
Telecom Handel: Was machen Sie anders?
Zitzelsberger: Wir bieten unseren Kunden mehr Gestaltungsfreiheit. Sie können beispielsweise entscheiden, ob Hotelkunden den WLAN-Zugang kostenlos bekommen, Besucher der Lobby hingegen eine Gebühr bezahlen müssen. Hoteliers schätzen diese Flexibilität sehr.
Telecom Handel: Was unterscheidet Kunden aus dem Hospitality-Bereich von Kunden anderer Branchen?
Zitzelsberger: Letztendlich nicht viel – sie wollen ein passgenaues Angebot, das sie auch verstehen. Wir achten auf Transparenz bei unseren Angeboten, investieren beispielsweise im Vorfeld viel Zeit in die Analyse der Infrastruktur und die Besonderheiten des Projekts; das alleine nimmt meist ein oder zwei Tage in Anspruch.
Telecom Handel: Ein Service, den Sie auch in Rechnung stellen?
Zitelsberger: Nein, wir tragen dabei das Risiko. Bekommen wir anschließend nicht den Zuschlag, so war der Aufwand umsonst.
Telecom Handel: Warum gehen Sie dieses Risiko ein?
Zitzelsberger: Erstens schaffen wir damit Vertrauen beim Kunden – unsere Angebote passen und es gibt hinterher keine bösen Überraschungen – wie beispielsweise, dass die Hardware deutlich teurer ist als anfangs geplant.
Telecom Handel: Und zweitens?
Zitzelsberger: Hoteliers kennen sich untereinander, treffen sich auf Verbandsebene wie beispielsweise der Dehoga. Wir haben festgestellt, dass unsere Kunden uns sehr häufig weiterempfehlen.
Telecom Handel: Was war Ihr anspruchsvollstes Projekt?
Zitzelsberger: Das war ein Hotel aus dem vierzehnten Jahrhundert, mit dicken Wänden und Stuckdecken. Da sieht der Besitzer es natürlich nicht gerne, wenn jemand mit der Hilti Löcher bohrt (lacht). Wir haben damals die vorhandenen Telefonleitungen genutzt, um die Hotspot-Lösung zu implementieren.



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