Glasfaser-Marktreport 29.06.2011, 12:06 Uhr

Schnelles Netz, was nun?

Neben den großen Carriern investieren auch regionale Anbieter viel Geld in den Ausbau der Glasfasernetze - doch noch gibt es kaum Anwendungen für Glasfaserprodukte mit 100 MBit/s und mehr. IPTV und das Thema Cloud sollen nun für mehr Schwung sorgen.
Mal ehrlich: Die meisten Internet-Nutzer sind eigentlich mit einer Bandbreite von etwa 10 MBit/s, wie sie bei den standardmäßig angebotenen 16.000er-Anschlüssen realistisch ist, zufrieden. Diese Datenrate reicht aus, damit der Familienvater über Voice-over-IP telefonieren kann, während der Sohn mit seiner Xbox 360 online ein Multiplayer-Game spielt, die Tochter über ihr iPhone mit ihrem Freund via Facetime spricht und die Mutter einen aktuellen Blockbuster bei Maxdome streamt. Im Idealfall können all diese Anwendungen bei konstant 10 MBit/s gleichzeitig genutzt werden.
Dieser Idealfall ist aber schon dann nicht mehr gegeben, wenn es sich bei dem Blockbuster um einen 3D-Film in High Definition handelt und wenn der Vater neben dem Telefonieren auch noch eine große Dokumentenmappe vom Firmennetzwerk herunterladen will. Bei solchen Anwendungsszenarien reicht der einfache DSL-Anschluss nicht mehr aus, mehr Bandbreite muss her.
Mehr Speed für die Netze
Für Datenraten von 100 MBit/s und mehr heißt das Zauberwort Glasfaser, die großen Carrier Telekom, Vodafone und Telefónica rüsten ihre Netze ebenso auf wie die vielen regionalen Anbieter. Hier sind unter anderem NetCologne für den Raum Köln und Aachen zu nennen sowie M-net in München, Erlangen und Augsburg.

Erste Gehversuche im Jahr 1990

Das erste Pilotprojekt mit der schnellen Glasfaser startete bereits im Jahre 1990, damals hieß die Telekom noch Post und schloss 192 Haushalte in Köln an. Heute – mehr als 20 Jahre später – nutzen laut einer Studie von Deloitte immer noch nur rund 150.000 Kunden einen Anschluss auf FTTH/FTTB-Basis. FTTH steht dabei für Fibre-to-the-Home, die Glasfaser wird also bis in die Wohnung des Kunden verlegt, FTTB steht für Fibre-to-the-Building, die Leitung reicht hier nur bis zum Gebäude. Im Vergleich zur DSL-Technologie, die innerhalb von zehn Jahren den Massenmarkt erreicht hat, führen Glasfaserprodukte also immer noch ein Nischendasein.
Ausbau mit angezogener Handbremse
Doch worauf ist der langsame Ausbau mit der schnellen Glasfaser zurückzuführen? Das größte Hemmnis sind in den Augen der Analysten von Deloitte die erforderlichen hohen Investitionen, die die Carrier tätigen müssen. „Der Ausbau mit Glasfaser ist vor allem durch die Höhe der Investition bestimmt“, sagt auch Andreas Lischka, Programmleiter FTTH bei der Telekom Deutschland GmbH. „Als privatwirtschaftlich geführtes Unternehmen müssen wir einen profitablen Ausbau sicherstellen. Deshalb analysieren wir sehr genau, welche Investitionsmittel wir in einer Stadt in die Hand nehmen können.“ Und diese Kosten steigen umso stärker, je näher die Glasfaser zum Kunden gebracht wird. Die Grabungskosten sowie die Verlegung innerhalb von Gebäuden machen laut der Analyse von Deloitte 80 Prozent der Gesamtkosten aus.
Ein Beispiel: Während eine Wohnung vor einem Jahr für rund 700 Euro mit VDSL erschlossen werden konnte, beliefen sich die Kosten bei FTTH auf stolze 3.300 Euro. Dabei variieren der Preis natürlich je nach Zahl der anzuschließenden Haushalte, was den Ausbau auf dem Land deutlich kostspieliger macht.
Auch beim Düsseldorfer Anbieter Versatel muss man deshalb knallhart kalkulieren –und dabei Privat- wie auch Geschäftskunden einberechnen: Denn erst „durch eine individuelle Analyse des Privatkunden-Potenzials und die Zusammenführung dieses Business Case mit dem Potenzial im Geschäftskunden-Segment von Versatel lässt sich eine belastbare Aussage zur Wirtschaftlichkeit treffen“, erklärt Oliver Wasserkordt, Head of Business Unit Product & Customer Management von Versatel.

Schnelles Netz, was nun?

Auf der anderen Seite sehen die Kunden bislang kaum Anwendungsmöglichkeiten, die höhere Bandbreiten als mit DSL erforderlich machten. Dank VDSL sind auch ohne FTTH-Anschluss bis zu 50 MBit/s möglich, das reicht selbst für echtes IPTV in HD-Auflösung und gleichzeitige Downloads mit rasantem Tempo aus. Hinzu kommt die starke Konkurrenz durch die Kabelnetzbetreiber, die dank des neuen Standards Docsis 3.0 in immer mehr Gebieten die 100-MBit/s-Marke geknackt haben. „Es sind sogar Geschwindigkeiten von bis zu 400 MBit/s möglich“, so Marc Mikulcik, Vice President Retail bei Kabel Deutschland, gegenüber Telecom Handel. Deshalb, und aufgrund der hohen Kosten, werde es bei den Kabelanbietern bei einzelnen FTTH-Projekten bleiben.
Kurz: Es fehlen bislang einfach die Verkaufsargumente für reine Glasfaserprodukte. Neben IPTV, das nicht zuletzt dank eines immensen Marketingaufwands der Telekom an der Schwelle zum Massenmarkt steht, setzen die Anbieter ihre Hoffnungen deshalb stark auf das Thema Cloud. Wie sehr die Auslagerung von Speicher und Diensten in die Weiten des Web in naher Zukunft die Konsumenten betreffen wird, zeigen unter anderem die jüngst vorgestellten Cloud-Lösungen von Amazon, Google, Apple und Co. „Der Hunger nach Bandbreite wächst ständig“, sagt auch Andreas Lischka von der Telekom. „Es gibt keine Indikatoren, die dafür sprechen, dass wir hier am Ende der Entwicklung stehen, im Gegenteil!“
Ausbau für die Zukunft
Noch stehen die Cloud-Dienste erst am Anfang, doch glaubt man den Prognosen, dürften sich schon bald immer mehr Menschen für die zentrale Speicherung von Daten und die Auslagerung von Rechenleistung ins Internet begeistern. Und dann schlägt die Stunde der Glasfaser.  



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