Ungleiche Brüder im Test
26.09.2013, 13:30 Uhr
iPhone 5s und iPhone 5c
Rein äußerlich hat sich beim iPhone 5s nicht viel getan im Vergleich zum Vorgänger, dafür soll das Gerät mit neuen Hardware-Spezifikationen punkten. Ob sich der Aufpreis zum kleinen Bruder 5c lohnt und wie das farbige iPhone abgeschnitten hat, lesen Sie in unserem Test.
Apple folgt keinen Trends, man versucht sie selbst zu setzen. Diese Prämisse des Herstellers aus Cupertino wird beim neuen iPhone 5s wieder einmal mehr als deutlich. Während die Konkurrenz sich in immer größeren Bildschirmdiagonalen ergeht und mindestens ein Phablet im Programm hat, kommt das iPhone 5s ? wie schon der Vorgänger ? nur mit einem vergleichsweise kleinen 4-Zoll-Bildschirm daher. Die Darstellungsqualität hat sich nicht verändert, ist aber immer noch über jeden Zweifel erhaben. Farben werden sehr gut wiedergegeben, und auch die Schärfe ist - selbst wenn die Konkurrenz mitunter mehr Pixel pro Zoll (ppi) als die 326ppi der beiden neuen iPhones vorweisen kann - hervorragend.
Das macht sich nicht nur beim Betrachten von Videos und Fotos aus dem iTunes-Store bemerkbar, auch eigene Aufnahmen sehen gut aus. Überhaupt haben die Ingenieure von Apple bei der 8-Megapixel-Kamera exzellente Arbeit geleistet: Die Lichtstärke wurde durch eine verbesserte Blende sowie einen größeren Bildsensor erhöht, was sich bei Aufnahmen mit problematischen Lichtverhältnissen ebenso bemerkbar macht wie bei Tageslicht-Fotografien. Die Schärfe ist vor allem bei Makroaufnahmen sehr gut, die Bilder weisen keinen merklichen Farbstich auf. Um auch bei Aufnahmen mit Blitz eben diesen zu vermeiden, hat Apple erstmals zwei Blitz-LEDs mit unterschiedlichen Farbtemperaturen integriert, die beispielsweise Gesichter bei Blitz-Fotos deutlich natürlicher erscheinen lassen.
Neben dem Burst-Modus, der zehn Bilder pro Sekunde aufnimmt, konnte auch die verbesserte Panorama-Funktion überzeugen. Bei Videoaufnahmen bietet Apple neben guten Full-HD-Filmen mit dem Slow-Motion-Effekt eine durchaus interessante Zusatzfunktion. Bei einer Auflösung von 720p macht die Kamera 120 Bilder pro Sekunde, der Ton wird entsprechend verzerrt. Praktisch: Die Zeitlupe kann man nachträglich auf bestimmte Teile des Videos anwenden. Ein grundsätzlicher Kritikpunkt bleibt jedoch auch beim neuen iPhone bestehen: Die individuellen Einstellungsmöglichkeiten sind im Vergleich zu anderen Smartphones äußerst bescheiden.
Entsperren mit dem Fingerabdruck
Eine der bereits kurz nach Erscheinen am meisten diskutierten Neuheiten beim iPhone 5s ist Touch ID, der im Home-Button untergebrachte Fingerabdruck-Sensor. Die Einrichtung dauert etwa eine Minute, insgesamt lassen sich fünf Finger registrieren, etwa wenn man das gute Stück seinem Kind anvertrauen möchte. Die Entsperrung funktionierte im Test in nahezu 100 Prozent der Fälle sofort, manchmal muss man den Finger aber ein zweites Mal auflegen.
Außerdem verlangt das iPhone bei tiefgreifenden Änderungen im System zusätzlich die Eingabe des PIN-Codes. Der Sensor bietet eine äußert einfache Sperrung des Geräts, und auch wenn der Sensor überlistet werden kann, so ist dies doch mit erheblichem Aufwand verbunden. Damit dürfte Touch ID bei Taschendiebstahl oder wenn man das Gerät im Taxi hat liegen lassen, genauso sicher sein wie ein PIN.
Als weiteres Alleinstellungsmerkmal hat Apple bei der Präsentation des iPhone 5s den neuen A7-Prozessor mit 64-Bit-Architektur herausgehoben. Dabei handelt es sich zwar nur um eine Dualcore-CPU mit 1,28 GHz (Ergebnis des Benchmarks Geekbench), die mit einem Gigabyte Arbeitsspeicher auskommen muss. Laut verschiedenen Benchmarks ist diese Kombination aber extrem schnell und überbietet neben aktuellen Topmodellen wie dem HTC One auch den A6-Chip, der außer im iPhone 5 auch im iPhone 5c seinen Dienst verrichtet, um Längen.
Wie sich dieser Geschwindigkeitsgewinn allerdings im Alltag bemerkbar macht, kann derzeit noch nicht abschließend beurteilt werden, da entsprechende Apps fehlen. Wie gewohnt laufen sämtliche Anwendungen absolut flüssig, Spiele sehen dank hohem Detailgrad und guter Framerate blendend aus ? auch wenn die Bildschirmdiagonale den Spielspaß doch etwas einschränkt.
Spannend dürften in diesem Zusammenhang Anwendungen werden, die Entwickler auf Basis des ebenfalls neuen Co-Prozessors M7 programmieren können. Dieser entlastet den Hauptprozessor, indem er Daten verschiedener Sensoren wie etwa dem Gyroskop- oder Beschleunigungssensor verarbeitet. Apple verspricht sich hiervon neue Anwendungsmöglichkeiten, unter anderem im Bereich Health und Sport, aber auch eine mögliche iWatch dürfte von dem zusätzlichen Prozessor profitieren.
iPhone 5c: Der bunte Bruder
Erstmals in seiner Geschichte hat Apple zwei neue iPhone-Modelle vorgestellt, das 5c schlägt mit bunter Kunststoffhülle und etwas niedrigerem Preis aber eine andere Richtung ein als das Topmodell 5s. Die Technik ist dabei im Wesentlichen die des iPhone 5. Das Gewicht ist mit 132 Gramm höher als beim iPhone 5s, bei der Dicke ist der Unterschied mit 9,0 anstelle von 7,6 Millimetern eher marginal. Den gemeinsamen Aufenthalt in der Hosentasche mit dem Schlüsselbund quittiert das 5s wie auch schon das iPhone 5 schnell mit unschönen Kratzern auf der Rückseite.
Das 5c zeigt sich hier mit der Polycarbonat-Hülle resistenter, am Einschub für die SIM-Karte lässt sich aber nach einigen SIM-Wechseln deutlich erkennen, dass auch der Kunststoff nicht gefeit vor Kratzern ist. Was die Haptik angeht, spielen 5s und 5c in unterschiedlichen Ligen. Auf der einen Seite das extrem wertige Äußere des Flaggschiffs mit glänzender Metalleinfassung und Elementen aus Glas, auf der anderen Seite die Kunststoffhülle des 5c. Zwar fühlt sich diese durchaus angenehm in der Hand an (und deutlich besser als etwa bei den ersten iPhones), das iPhone 5c wirkt aber dadurch kaum mehr wie ein Premium-Handy, was angesichts des immer noch sehr hohen Preises von rund 600 für die mit mageren 16 GB ausgestattete Einstiegsvariante ein klares Manko darstellt.
Bei der Konnektivität liefert Apple nur Durchschnittskost: Zwar funken die beiden neuen iPhones in ?so vielen LTE-Netzen wie derzeit kein anderes Smartphone?, aber dennoch fehlen einige Features. So müssen Apple-User auch weiterhin auf das praktische NFC verzichten, und bei WLAN wird lediglich der N-Standard unterstützt, nicht aber das neue AC. Auch bei der Signalisierung neuer Nachrichten hat das iPhone noch Nachholbedarf, denn eine farbige LED, wie sie mittlerweile fast alle Konkurrenzprodukte bieten, gibt es bei Apple immer noch nicht.
Besser gemacht hat es der Hersteller dafür bei den verbauten Akkus. Der des iPhone 5c hält mit rund neun Stunden Dauerbetrieb sehr lange durch, auch bei rechenintensiven Anwendungen. Etwas schwächer, aber immer noch gut präsentiert sich der Akku des 5s. Vergleichbar mit anderen Topmodellen sind die Akku-Leistungen der beiden iPhones aber nur bedingt, da zum Beispiel der Akku eines Samsung Galaxy S 4 ein ungleich größeres Display versorgen muss.
Fazit
Das Smartphone neu erfunden hat Apple mit den beiden iPhones nicht, allerdings zeigen die US-Amerikaner wieder einmal, wo der Weg hingehen wird: Die 64-Bit-Architektur wird man mit Sicherheit in Bälde auch bei Samsung und Co finden; denn sie bietet Entwicklern gänzlich neue Möglichkeiten bei der App-Programmierung und ermöglicht deutlich mehr Leistung in den Geräten. Abgesehen vom Prozessor ist das iPhone 5s eher eine moderate Evolution denn eine echte Revolution, insgesamt halten sich die Veränderungen in Grenzen.
Die anderen Verbesserungen wie die Kamera, das neue iOS 7 oder auch der heiß diskutierte Fingerscanner Touch ID sind sehr gut umgesetzt und bieten einen echten Mehrwert. Ein wesentlicher Kritikpunkt ist der hohe Preis des 5s. 699 Euro für ein 4-Zoll-Smartphone mit mageren 16 GB Speicher sind auch durch den neuen Prozessor kaum zu rechtfertigen. Wer den Speicher verdoppeln will muss zudem jeweils stolze 100 Euro drauflegen.
Beim iPhone 5c hat man den Eindruck, dass Apple bewusst eine deutlich weniger wertige Hülle gewählt hat, um neben dem technischen auch am optischen Abstand zum 5s keine Zweifel aufkommen zu lassen.
Besitzer eines iPhone 5 können mit einem farbigen Cover aus dem Zubehörhandel den 5c-Look günstiger bekommen, und wer echten Fortschritt bei seinem neuen iPhone haben will, wird direkt zum teureren 5s greifen. Anstelle des 5c wäre vielleicht eine 4,5- oder 5-Zoll-Version des 5s denkbar und besser gewesen. Aber bei Apple rennt man ja schließlich keinen Trends hinterher.
Testergebnis iPhone 5s
Am Ende reichte es noch knapp zur Note ?sehr gut?, vor allem aufgrund des schnellen Prozessors und der exzellenten Kamera. Verarbeitung und äußerer Eindruck sind wie gewohnt erstklassig. Ein wesentlicher Schwachpunkt ist neben dem hohen Preis das zu kleine Display.
Testergebnis iPhone 5c
Die ein Jahr alte Technik eines iPhone 5 in eine bunte Kunststoffhülle zu packen reicht nicht aus, um ein ?sehr gutes? Smartphone zu produzieren. Auch wenn die Haptik und Optik den noblen Touch des großen Bruders 5s vermissen lassen, wird das 5c dennoch seine Käufer finden.