Corona-Krise
20.08.2020, 09:03 Uhr
Shoppen reicht nicht: Innenstädte brauchen neue Impulse
Einzelhandel, Verbraucherschützer und Wissenschaftler sind sich einig: Deutschlands Innenstädte müssen sich verändern. Doch wie soll die Fußgängerzone der Zukunft aussehen?
Besonders in Klein- und Mittelstädten nimmt das Ladensterben immer deutlichere Formen an
(Quelle: Frank Kemper)
Geschlossene Warenhäuser, verrammelte Boutiquen und Diskotheken, in denen das Licht für immer ausgegangen ist: Etlichen Innenstädten in Deutschland droht durch die Corona-Krise und den Siegeszug des Onlinehandels ein Sterben auf Raten.
Immer lauter wird deshalb die Forderung nach neuen Ideen für die Innenstädte.
"Nur zu sagen: Kommt und kauft bei uns Strumpfbänder und nehmt noch ein paar Stifte mit - das wird es nicht mehr sein", sagte der Chef des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv), Klaus Müller, der Deutschen Presse-Agentur. Notwendig seien kreative Lösungen für "neue Innenstädte", bei denen neben dem Handel auch Gastronomie und Veranstaltungen eine viel größere Rolle spielten als bisher.
Tatsächlich brauchen die Innenstädte wohl dringend neue Impulse. Denn schon vor Corona lösten die Einkaufsstraßen in den meisten Städten bei den Verbrauchern allenfalls lauwarme Begeisterung aus. Bei einer im vergangenen Jahr veröffentlichten Befragung von mehr als 59 000 Innenstadtbesuchern in 116 Städten durch das Kölner Institut für Handelsforschung (IFH) gaben die Verbraucher den Stadtzentren im Durchschnitt nur die Schulnote "Drei plus".
Und seitdem hat sich die Lage eher noch zugespitzt. "Die Innenstädte haben es mit einem dreifachen Tsunami zu tun: dem Strukturwandel im Einzelhandel, der Digitalisierung und der Corona-Pandemie", sagte kürzlich IFH-Geschäftsführer Boris Hedde. Der Handelsverband warnte bereits, dass die Corona-Krise das Aus für rund 50-000 Geschäfte bedeuten könne.
Hotel- und Gaststättenverband schlägt Alarm
Doch nicht der Handel in den Innenstädten schwächelt. Auch der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband Dehoga klagte, die Lage in der Stadthotellerie "und bei den Diskotheken und Clubs, für die es immer noch keine Öffnungsperspektive gebe", sei dramatisch. Nach einer Umfrage des Verbandes fürchten mehr als die Hälfte aller Betriebe um die Existenz.
Ideen, um den Innenstädten neues Leben einzuhauchen, sind also dringend gefragt. Tatsächlich gibt es einige davon. Bei manchen geht es einfach darum, das Einkaufen in den Innenstädten wieder attraktiver zu machen, damit die Schere zum Online-Handel nicht noch weiter auseinandergeht. Wichtig seien hier etwa eine gute Erreichbarkeit der Innenstädte auch mit dem Auto, Investitionen in die Aufenthaltsqualität, etwa in Optik und Sicherheit, mehr Möglichkeiten für verkaufsoffene Sonntage und ein gutes City-Marketing, meint der Handelsverband Textil. Außerdem müsse der Neubau von Verkaufsstätten auf der grünen Wiese eingedämmt werden.
Mehr Kleinkunst ist gefragt
Verbraucherzentralen-Chef Müller geht das allerdings nicht weit genug. In der Innenstadt sollte in Zukunft nicht nur geshoppt werden, meint er. Nötig seien "Kleinkunstflächen, Auftrittsmöglichkeiten, vielleicht auch Räumlichkeiten, wo sich Vereine, Verbände, andere treffen können - wo es von Modeschauen bis hin zu Messen alles geben kann". Hier sei die Politik gefordert, den Kommunen finanziell unter die Arme zu greifen, um die nötige Infrastruktur zu schaffen.
Der Präsident des Deutschen Städtetages, Leipzigs Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD), plädierte kürzlich dafür, "wieder mehr Wohnen und Arbeiten" in der Innenstadt ermöglichen. Und auch die Läden, die dort zu finden sind, werden sich wandeln, glaubt Handelsexperte Hedde. Er ist überzeugt: "Handwerk, Dienstleistungen, Möbel- oder Baumärkte und Lebensmitteldiscounter werden wieder in die Innenstädte zurückkehren."