Mobile Betriebssysteme 07.08.2009, 09:46 Uhr

Die Anwendungen machen?s

Der Angriff von Android verschärft die Konkurrenz zwischen den Smartphone-Betriebssystemen – Proprietäre Lösungen von
Apple und RIM sind sehr erfolgreich – Die Erträge kommen zunehmend aus den Online-Shops für Programme
Wenn innerhalb eines Jahres mehr als 1,5 Milliarden Programme für ein mobiles Betriebssystem heruntergeladen werden, ist das ein riesiger Erfolg. Im Fall des Application Store für das iPhone von Apple hätte das wohl keiner in diesem Umfang erwartet –vor allem nicht, nachdem die Netzbetreiber jahrelang versucht hatten, über eigene Portale Downloads zu vermarkten. Der aktuelle Erfolg der Software-Stores belegt, wie wichtig die Betriebssysteme von Smartphones als Grundlage für die Nutzung von zusätzlicher Software geworden sind und welche Rolle sie in Zukunft spielen könnten.
Denn Smartphones sind das einzige Segment im Markt, das noch wächst. Entsprechend hart ist die Konkurrenz unter den Hardware-Schmieden. Aktuell ist rund ein Fünftel der weltweit verkauften Mobiltelefone mit einem der sieben Smartphone-Betriebssysteme ausgestattet und der Anteil steigt ständig. Zudem werden auch ganz normale Handys ohne Touchscreen oder Tastatur mit den offenen Betriebssystemen ausgerüstet, wie die zahlreichen Series-60-Modelle von Nokia belegen.
Nicht zuletzt, weil es der Handy-Marktführer Nokia einsetzt, ist die Symbian-Variante S60 trotz eines sinkenden Marktanteils weiter der Platzhirsch unter den mobilen Betriebssystemen: Über 40 Prozent aller verkauften Smartphones nutzen es. Mit Abstand der wichtigste Nutzer ist Nokia, dazu gibt es noch Geräte von Samsung und Sony Ericsson auf dem Markt. Der Anbieter des Systems ist inzwischen die Symbian Foundation, eine Stiftung, in die Nokia seine Anteile komplett eingebracht hat. Als einzige Variante wird das schon seit rund sieben Jahren von Nokia verwendete Series-60 fortgeführt, damit Inkompatibilitäten der Vergangenheit angehören und Software auch einheitlich auf Symbian laufen kann. Die Ausrichtung zielt dabei ganz klar auf den Massenmarkt, denn die spezielle Variante für Business-Geräte, Series-80 und auch UIQ sind nicht mehr im Angebot. Die Herausforderungen für die Lizensierenden liegen nicht nur in einer besseren Adaption an die Touchscreens, sondern auch darin, dass es außer Nokia noch andere Hersteller einsetzen.
In Deutschland bietet Samsung noch Symbian-Handys an, das neue Zwölf-Megapixel-Handy Satio von Sony Ericsson soll ebenfalls dieses Betriebssystem verwenden. Populär ist Symbian zudem bei japanischen Handy-Schmieden in deren Heimatmarkt. Da für die Hersteller keine Kosten für die Implementierung anfallen, könnte Symbian auch für andere als Nokia attraktiv bleiben.
Verknüpft ist Symbians Zukunft eng mit dem Erfolg der Ovi-Plattform von Nokia, die den Application Store enthält. Seine Stärken hat Symbian nicht nur in der breiten Auswahl an höchst unterschiedlicher Hardware, sondern auch im guten Zusammenspiel mit Software wie Microsoft Office. Zu den Nachteilen zählen ein etwas langsames Arbeitstempo vieler Geräte und einige Eigenheiten bei der Bedienung, wie der Zugriff auf alle Menüs über eine separate Taste.

Die Anwendungen machen?s (Teil 2)

Verfolger mit Problemen
Der größte Konkurrent war bisher Windows Mobile, doch im letzten Jahr verlor das Betriebssystem von Microsoft erhebliche Marktanteile und ist sogar hinter BlackBerry OS auf den dritten Platz zurückgefallen. Inzwischen räumt selbst der Software-Gigant gewisse Probleme ein, die vor allem an einer wenig attraktiven Oberfläche, Mängeln in der Bedienung und einem fehlenden Onlineshop für Anwendungen liegen. Im Herbst soll zunächst die Version 6.5 kommen, die einfacher per Finger zu nutzen ist. Hersteller wie HTC oder Samsung setzen zudem eigene Oberflächen zur Bedienung von Grundfunktionen auf Windows Mobile auf. Die sind zwar optisch ansprechend, führen aber ab der zweiten Menüebene wieder zurück in das alte Betriebssystem mit seinen kleinen stiftgesteuerten Pop-up-Menüs. Ganz neue Funktionen dürfte erst ein vollständig aktualisiertes Windows Mobile 7 bieten, das für nächstes Jahr erwartet wird.
Als einen Hauptvorteil seines Angebots sieht Microsoft die große Auswahl an Geräten unterschiedlicher Hersteller, zu denen immer neue hinzukommen: So startete letztes Jahr Sony Ericsson mit dem Xperia X1 und dieses Jahr dürfte sich Garmin-Asus dazugesellen. Allerdings verfolgt mancher bisherige Kunde wie HTC offenbar zunehmend alternative Strategien: So kündigten die Taiwanesen jetzt an, verstärkt auf Android zu setzen.
Ein grundsätzliches Problem für Microsoft ist das Geschäftsmodell. Denn im Gegensatz zum herkömmlichen PC-Geschäft gibt es Betriebssysteme für Smartphones meist umsonst – sie werden nicht verkauft. Ausgerechnet das Geschäft mit zusätzlicher Software, das noch Gewinne verspricht, geht Microsoft mit einem eigenen Application Store erst im Herbst an. Obwohl das Unternehmen aus Redmond auf dem Gesamtmarkt an Boden verliert, ist es aber für viele Business-Kunden noch immer die erste Wahl. Zudem unterhält es umfassende Geschäftsbeziehungen zu Computer-Herstellern wie Acer, HP oder Asus. Ständige Nahrung erhalten die Gerüchte über ein eigenes Smartphone von Microsoft, das der Firma eigene Hardware-Umsätze verschaffen könnte.
Zur neuen Konkurrenz gehören die beiden proprietären Betriebssysteme von Research in Motion und Apple, die zusammen fast ein Drittel des Marktes ausmachen. Beide Hersteller sehen das Betriebssystem offenbar vor allem als Mittel, ihrer Hardware ein Alleinstellungsmerkmal zu geben und verzichten auf Lizensierungen an Fremdanbieter.
Mit seiner mobilen Adaption von Mac OS für das iPhone ist Apple ein großer Wurf gelungen, da die Bedienbarkeit über den Touchscreen neue Maßstäbe gesetzt hat. Der Zwang, Multimedia-Dateien über iTunes zu synchronisieren und den Zugang von Software rigide zu kontrollieren, hat gerade in Unternehmen vielen Administratoren Alpträume bereitet. Doch über die Anwender fand das Apple-Produkt trotzdem seinen millionenfachen Weg in diesen Bereich.

Die Anwendungen machen?s (Teil 3)

Unauffälliger Aufstieg
Während der Charakter der iPhone-Oberfläche und seiner meisten Applikationen weniger im professionellen Bereich liegt, ist Research in Motion mit seinen BlackBerrys in diesem Segment seit langem gut positioniert. Das eigene Betriebssystem wuchs dabei mit den Aufgaben – von einer E-Mail-Verwaltung hin zu einem vollwertigen Smartphone-Betriebssystem. Es lässt sich im Storm auch per Touchscreen nutzen und bietet über einen gerade gestarteten Application Store Anreize für Fremdanbieter von Software. Frühere Schwächen, die vor allem den Konsum von Multimedia-Dateien betrafen, wurden in der aktuellen Systemversion weitgehend ausgemerzt.
Ein Newcomer, der im Herbst 2008 debütierte, ist Android. Die Open Handset Alliance, der fast alle namhaften Hersteller und Netzbetreiber – außer Nokia – angehören, entwickelt gemeinsam mit Google dieses auf Linux basierende Open-Source-Betriebssystem. Android soll allen Herstellern einen gleichberechtigten Zugang geben und steht kostenlos zur Verfügung. Obwohl es etwas schleppend startete – einige Monate gab es mit dem von HTC gebauten T-Mobile G1 nur ein Handy –, wird Android Fahrt aufnehmen, wenn die von vielen Herstellern angekündigten Geräte kommen.
Von der optischen Gestaltung her und dem Charakter der Software im Application Store scheint sich Android eher an private Anwender und weniger an den Business-Bereich zu richten. Es bleibt abzuwarten, wie hier die weitere Entwicklung verläuft – möglicherweise verhilft dieses Betriebssystem dem Smartphone zum Durchbruch auf dem Massenmarkt. Android ist für die Bedienung per Touchscreen optimiert und soll auch mit bescheidenen Hardware-Ressourcen zügig arbeiten. Die zu Beginn kritisierte Ausrichtung auf Google und seine Zusatzprogramme wie Gmail wurde inzwischen gelockert.
Auch wenn der Anwender kaum etwas davon merkt, basiert Android auf Linux. Andere darauf aufbauende Betriebssysteme gibt es mit LiMo etwa in Asien, wo sie sehr beliebt sind. In Europa sind solche Geräte aber bisher kaum gesichtet worden. Auch das neue Palm-Betriebssystem WebOS könnte ein Exot werden, wenn Palm sein neues Smartphone Pré hierzulande nicht sehr gut verkaufen kann.

Die Anwendungen machen?s (Teil 4)

Tausende von Programmen
Von entscheidender Bedeutung ist außerdem die Frage, wie zusätzliche Software auf Smartphones gelangt. In den frühen Jahren gab es weitere Programme nur, wenn sie von einem PC übertragen wurden – später auch von Speicherkarten. Mit WirelessLAN und den schnelleren 3G-Mobilfunknetzen wurden dann jedoch direkte Downloads möglich, was den Vorgang deutlich vereinfachte. Eine wichtige Rolle für den Erfolg spielt auch der Preis der Programme, die zum Beispiel im Application Store von Apple relativ günstig sind.
Das Beispiel macht Mode: Für Symbian gibt es den Ovi Store von Nokia, der Android Market bedient die Freunde des Google-Betriebssystems und vor wenigen Tagen ging die App World für BlackBerry unter der Regie von RIM an den Start. Nur für Windows Mobile muss der Kunde noch auf Drittanbieter wie Handango zurückgreifen – im Herbst will Microsoft aber auch einen Application Shop für dieses Betriebssystem online stellen.
Welche Anwendungen die Nutzer herunterladen, lässt sich zumindest für den App Store von Apple, der derzeit der Marktführer sein dürfte, belegen: So lagen Ende Juli nach Zahlen der Firma 148apps.biz Spiele mit knapp 18 Prozent auf Platz eins, vor Unterhaltungsprogrammen mit rund 14 Prozent und E-Books mit 13 Prozent. Navigation erreichte nur knapp drei Prozent, wobei die zunehmende Verfügbarkeit solcher Software diesem Bereich einen Schub geben dürfte: Der MobileNavigator von Navigon lag in den ersten Tagen nach dem Erscheinen zeitweise auf Platz eins der meistverkauften Programme – trotz Preisen von weit über 50 Euro.
Das Kernproblem beim Aufbau eines Software-Stores ist: schnell eine für den User attraktive Menge an Programmen zu bieten. So wirbt Apple mit über 65.000 Applikationen, Nokia will „in absehbarer Zeit“ 20.000 Programme in den Ovi-Store stellen. Bei BlackBerry stieg die Zahl seit Start des Shops im April bis Anfang Juni auf 2.000 Programme. Qualität statt Quantität soll hier das Motto sein – schließlich hat selbst der Platzhirsch Apple mal klein angefangen.



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