EU-Roaming
20.06.2012, 16:52 Uhr
Peitsche ohne Zuckerbrot für die Carrier
Mit einer erneuten Regulierung zwingt die EU-Kommission die Netzbetreiber dazu, die Gebühren für die Nutzung des Handys im Ausland zu senken. Ab 2014 könnte sogar ein komplett neues Roaming-Modell entstehen.
Am 1. Juli ist es wieder so weit, eine neue Runde in der Regulierung der Roaming-Gebühren beschert den Mobilfunknutzern innerhalb der Europäischen Union niedrigere Verbindungsentgelte.
Die Netzbetreiber können dann für abgehende Telefonate nur noch 29 Cent verlangen, ankommende Gespräche dürfen nur noch acht Cent kosten und eine SMS schlägt mit maximal neun Cent zu Buche. Hinzu kommt die jeweilige Mehrwertsteuer des Landes. Erstmals in der Geschichte wird auch das mobile Datenroaming einer Regulierung unterzogen, höchstens 70 Cent netto darf ein Megabyte künftig kosten.
Die anhaltende Regulierung stößt auf wenig Verständnis bei den Carriern. „Wir halten nichts von solchen Preisfestsetzungen. Es gibt doch längst Wettbewerb unter den Mobilfunkanbietern“, heißt es von der Deutschen Telekom. Und weiter: „Auf die Frage, woher die großen Investitionssummen für den vom Staat geforderten Breitbandausbau kommen sollen, bleibt die Politik mit ihren immer neuen Preissenkungen die Antwort schuldig.“
Dass aber die Unternehmen auch nach der neuerlichen Regulierung noch genug mit den reisenden Kunden verdienen, zeigen die Großhandelspreise, die ein Netzbetreiber einem Wettbewerber für die Nutzung seines Netzes in Rechnung stellen kann. Laut EU-Richtlinie darf beispielsweise eine SMS ab Juli 2012 nur noch 3 Cent kosten, ab Juli 2013 sogar nur noch zwei Cent. Bei der Telefonie gelten folgende Obergrenzen für die Großhandelspreise: Ab kommendem Monat sind es 14 Cent pro Minute für abgehende Gespräche, ab Juli 2013 zehn Cent und schließlich ab Juli 2014 fünf Cent.
Für ein Megabyte dürfen ab Juli maximal 25 Cent berechnet werden, in einem Jahr sind es nur noch 15 Cent und ab Juli 2014 sogar nur mehr fünf Cent. Diese Wholesale-Preise wurden von den EU-Regulierern auf Basis der momentanen Ausgaben der Netzbetreiber für die Bereitstellung der Netze berechnet. Die Preisobergrenzen im EU-Tarif wiederum wurden so festgesetzt, dass für die Carrier „Anreize geschaffen werden“, neue Tarife zu bringen.
Neue Tarife möglich
Eine weitere Neuregelung betrifft ausnahmsweise nicht nur die Nutzung des Handys im EU-Ausland, sondern in der ganzen Welt. Ab kommendem Monat darf kein Netzbetreiber mit Sitz in einem EU-Staat seinen Kunden beim Datenroaming mehr als 50 Euro netto in Rechnung stellen – egal in welchem Land der Erde der Kunde die Daten nutzt. Damit wird der eingangs erwähnte Kostenstopp ausgeweitet. Wie gehabt, kann der Nutzer selbständig diesen Sicherheitsmechanismus außer Kraft setzen und so weiter mobil ins Internet gehen. Die Netzbetreiber müssen aber auch bei der neuen weltweiten Umsetzung vor Erreichen der Obergrenze eine Warnung via SMS versenden.
Abgesehen von den bis 2014 festgeschriebenen Preissenkungen im Standard-Tarif hat EU-Kommissarin Neelie Kroes noch eine weitere wichtige Änderung auf den Weg gebracht. Ab Juli 2014 können Kunden in der EU einen eigenen Roaming-Vertrag abschließen, mit dem sie dann zu günstigen Konditionen telefonieren und surfen können. Dabei ist keine neue Mobilfunknummer und auch keine neue SIM-Karte notwendig. Der Kunde behält seine bestehende und schließt einen zusätzlichen Vertrag mit einem lokalen Anbieter ab. Dieser muss nicht zwingend im jeweiligen Urlaubsland seinen Sitz haben, theoretisch kann man aber auch bei jeder Reise einen neuen Vertrag mit einem neuen Anbieter abschließen.
Die Buchung einzelner Tarifoptionen oder -pakete soll nach dem Willen der EU-Kommission auch direkt im Reiseland über das Telefon möglich sein, ebenso wie die Entscheidung über den jeweiligen Anbieter. Die Kommission vergleicht diese Vorgehensweise mit der Nutzung von WLAN-Hotspots, in die sich der Kunde je nach Bedarf einloggt.
Wird – wie zu erwarten ist – die jetzige Regulierung des Standard-Tarifs die Netzbetreiber nicht dazu veranlassen, ihre Preispolitik zu überdenken, so dürften spätestens mit der Einführung der flexiblen Zusatzverträge die Preise fallen. Von der Kommission heißt es dazu, man gehe davon aus, „dass die neuen Regeln innovative grenzübergreifende Angebote nach sich ziehen und damit auch Preise, die deutlich unter den vereinbarten Schutzobergrenzen liegen“.