Test Palm Pre 26.10.2009, 11:39 Uhr

Wer wagt, kann gewinnen

Der Handy-Hersteller bringt ein Smartphone mit dem neuen Betriebssystem webOS auf den Markt - Gelungenes Touch-Display -
Bislang nur wenige Apps verfügbar - Exklusivvertrieb im Weihnachtsgeschäft über Telefónica O2 Germany.
Palm OS – da war doch was? Das eigene Betriebssystem des kalifornischen Herstellers Palm setzte jahrelang den Maßstab für Betriebssysteme von Taschencomputern. Mit dem Aufkommen der Smartphones geriet der Pionier jedoch zunehmend ins Hintertreffen, für manchen Palm-Fan war die Einführung von Windows-Mobile-Modellen vor einigen Jahren ein echter Tiefpunkt. Doch die Verkäufe dieser Geräte haben dem Hersteller durch magere Jahre geholfen. Jetzt soll wieder alles besser werden und die wohl letzte Chance genutzt werden, indem wieder ein eigenes, Linux-basiertes Betriebssystem namens webOS zum Einsatz kommt.
Das erste Modell, das Pre, wird in den USA bereits seit einigen Wochen erfolgreich vermarktet und soll nun auch in Deutschland im Smartphone-Markt für Bewegung sorgen.
Zum Start gibt es mit Telefónica O2 Germany auch einen exklusiven Partner, der das Gerät mit einer großen Kampagne im Weihnachtsgeschäft nach vorne bringen will. Auch wenn es offiziell nicht gegen das iPhone positioniert wird, ist das Ziel eindeutig: Das Pre soll eine Alternative für Multimedia-Freaks bieten und wie der Konkurrent von Apple durch neue Aspekte bei der Bedienung Kunden gewinnen. Mit 481 Euro ohne Vertrag ist der Preis recht fair, zumal das Pre im Gegensatz zum iPhone keinen SIM-Lock oder eine Netzsperre von O2 hat.

Test Palm Pre: Wer wagt, kann gewinnen

Slider in schwarzem Klavierlack
Rein optisch bekommt der Käufer bereits einiges geboten, denn das abgerundete Gehäuse des Pre in schwarzem Klavierlack sieht einfach nur gut aus. Das Gerät ist zudem deutlich kleiner als ein iPhone, auch wenn es mit 135 Gramm ähnlich viel wiegt. Der Slider lässt sich per Daumen bedienen und gibt nach dem Hochschieben eine recht kleine QWERTZ-Tastatur frei. Allerdings vermisst der Anwender am Gehäuse einen MicroSD-Slot – immerhin ist mit acht Gigabyte ausreichend interner Speicher an Bord. Einen Standardstecker für den Kopfhörer gibt es dagegen am Gehäuse.
Ein Highlight ist das Touch-Display, das mit einer Auflösung von 320 x 480 Bildpunkten zwar keine VGA-Qualität erreicht, aber trotzdem gestochen scharf ist und mit einer Diagonale von 7,4 Zentimetern auch für die Darstellung multimedialer Inhalte schön groß ist. Die Reaktionen des Touchscreens sind gut und schnell. Sehr schön ist das Bewegen von Inhalten und Fenstern gelöst, die, wenn sie nicht mehr gebraucht werden, einfach per Finger aus dem Screen „gewischt“ werden können. Der untere Bereich der Oberseite des Telefons gehört dabei eigentlich zum Display und dient dazu, per Fingerbewegung durch die Menüs zu navigieren.
Es ist auch möglich, mehrere Programme als verkleinerte Ansichten auf dem Hauptbildschirm zu „parken“ und durch Antippen wieder zu aktivieren. Zu viele Programme sollten so allerdings nicht offen bleiben, damit das Arbeitstempo des Pre nicht zu langsam wird. Multitouch wie beim iPhone ist etwa beim Vergrößern von Bildern oder in Websites ebenfalls möglich. Allerdings sind manche Schaltflächen in Menüs etwas klein geraten, zumal das kapazitive Display keine Stiftbedienung zulässt. Die QWERTZ-Tastatur ist ähnlich wie bei einem BlackBerry dimensioniert, also nur etwas für kleinere Finger. Trotzdem funktioniert die Bedienung nach etwas Übung recht gut, da die Druckpunkte stimmen.

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Ausrichtung auf Anwendungen
Neuartig am Bedienkonzept ist die starke Ausrichtung der Menüs auf die Anwendungen. So kann der Nutzer einfach auf der Tastatur „Klingel“ eintippen und erhält als Vorschläge das Menü zum Ändern des Ruftons und – sofern vorhanden – die Telefonnummer einer Person mit diesem Namen. Das Pre führt für diese Verzeichnisse die Adressbücher von online verfügbaren Quellen wie Maildiensten, Facebook oder Outlook zusammen und zeigt diese an. Eine direkte Synchronisierung per Kabel ist mit dem Computer allerdings nur mit zusätzlicher Software möglich, hier wäre ein Software-Update fällig. Auch findet die Suchfunktion nicht alles auf dem Gerät: In Mitteilungen oder bei der Suche nach Musikstücken muss der Anwender noch selbst das Nötige finden.
Weniger gelungen ist leider die Kamera des Pre, deren Linse ungeschützt auf der Rückseite des Telefons sitzt. Die Auflösung ist mit drei Megapixeln niedrig, Videos zeichnet die Kamera auch nicht auf. Die Bilder wirken etwas blass, und auch das Fotolicht reicht nur für den unmittelbaren Nahbereich. Zumindest die minimale Auslöseverzögerung kann gefallen.

Test Palm Pre: Wer wagt, kann gewinnen

Ein besonderes Gadget aus dem Zubehörprogramm ist der „Touchstone“ für den Schreibtisch: Auf den kleinen, abgeschrägten magnetischen Ständer wird das Pre einfach aufgelegt und dann automatisch induktiv geladen. Dazu muss lediglich am Smartphone selbst die serienmäßige Akkuabdeckung ausgetauscht werden. Wenn das Pre auf den Touchstone gelegt oder von dort aufgenommen wird, wechseln Gespräche zudem in den Freisprechmodus und zurück. Allerdings muss das Pre recht genau auf der Ladefläche platziert werden, damit der Mechanismus auch aktiviert wird. Das nette Zubehör kostet rund 70 Euro.
Oft laden ist leider auch nötig, denn der Akku hält kaum länger als einen Tag durch. Zumindest lässt er sich jedoch schnell auswechseln.
Wünschenswert wäre Zubehör im weitesten Sinne an anderer Stelle, denn noch gibt es wenig Software für das neue Betriebssystem. Vor allem eine echte Navigation für den integrierten GPS-Empfänger vermisst man – hier ist nur Google Maps an Bord. Alte Programme von Palm OS laufen nicht auf dem Pre. Schnell die Software-Auswahl zu erweitern wäre indes wichtig für Palm, um mit den Application Stores der Konkurrenten mithalten zu können.
Zu wünschen wäre es Palm, denn mit dem Pre haben die US-Amerikaner noch einmal einen Kraftakt vollzogen und ein Gerät gebracht, das den Smartphone-Markt bereichert. Es ist mutig, nicht das x-te Windows-Mobile-Touchphone zu bringen, sondern etwas Eigenes zu wagen. Die Benutzeroberfläche mit ihrer intuitiven Bedienung kommt dem iPhone dabei sehr nahe und hat viel Potenzial. Dass die Hardware – vor allem was die Kamera und den Akku betrifft – noch Raum zur Optimierung bietet, mag da mancher verschmerzen.



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